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Calculating...

Also, ich wollte euch mal so ein bisschen von mir erzählen, wo ich herkomme und wie ich so geworden bin, wie ich bin. Also, pass auf, es gibt da so drei Sachen, die man über mich wissen sollte. Erstens, ich bin mitten in East Los Angeles geboren, also wirklich mitten drin, quasi im Herzen. Bin so fünf Achtel Mexikaner, ein Viertel kubanisch/spanisch und ein Achtel Österreicher, komische Mischung, ich weiß, aber so ist es halt. Und ich liebe mexikanisches Essen, total! Zweitens, ich bin so ein kleiner Rebell, irgendwie schon immer gewesen. Ich bin schon als Kind immer meinen eigenen Weg gegangen, manchmal vielleicht auch einfach nur, um dagegen zu sein, weißt du? Und drittens, ich bin neugierig auf alles, wirklich alles! Ich hab meine Lehrer echt wahnsinnig gemacht mit meinen Fragen. In der Realschule hat mein Mathelehrer mich gehasst, weil ich ständig den Unterricht unterbrochen hab. Irgendwann hatte er dann so die Nase voll, dass er mich "Michael Jillion" genannt hat, weil ich so eine "Jillion" Fragen gestellt hab. Aber war mir egal, ich hab einfach weiter gefragt.

Ich fühl mich da irgendwie so ein bisschen wie Dr. Frankenstein, jetzt nicht so, dass ich Leichenteile zusammenbastel und zum Leben erwecke, nein, nein! Aber ich teile so diese Leidenschaft von ihm, dieses Wissen wollen, wie das Universum funktioniert. Das find ich total spannend.

Es gibt da diesen Film von 1931, "Frankenstein", meine absolute Lieblingsversion, wo der Wissenschaftler von Colin Clive gespielt wird, so ein cooler britischer Schauspieler. Und kurz nachdem er das Monster erschaffen hat, wird er von dem älteren, strengen Dr. Waldman ausgeschimpft. Und diese Szene, finde ich, die fängt so richtig das Herz und die Seele eines Wissenschaftlers ein. Der Waldman sagt da: "Diese Kreatur von Ihnen muss bewacht werden! Glauben Sie mir, der wird gefährlich sein." Und dann antwortet Dr. Frankenstein: "Gefährlich? Ach, Waldman! Wollten Sie denn noch nie etwas Gefährliches tun? Wo wären wir denn, wenn niemand versuchen würde, herauszufinden, was dahinter steckt? Sie wollten doch nie über die Wolken und die Sterne hinausblicken, oder wissen, was die Bäume zum Knospen bringt? Und was die Dunkelheit in Licht verwandelt? Aber wenn man so redet, halten die Leute einen für verrückt. Na, wenn ich nur eine dieser Sachen entdecken könnte, was die Ewigkeit zum Beispiel ist, dann wäre es mir egal, ob sie mich für verrückt halten."

Schon in der zweiten Klasse, ich schwöre es dir, da hab ich angefangen, davon zu träumen, Wissenschaftler zu werden. Nachts im Schlaf hab ich mich dann gesehen, wie ich so einen weißen Kittel trage, in so einem Labor mit Geräten arbeite und den Nobelpreis gewinne. Wofür genau, das weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, ich war so glücklich wie ein Schwein im Schlamm.

Dieser Traum, der hat mich dann aus dem Barrio rausgebracht und zur UCLA gebracht, wo ich meinen Bachelor in Physik und Mathematik gemacht habe. Danach hab ich mich an verschiedenen berühmten Unis beworben und wurde auch angenommen, unter anderem an der Cornell.

Bevor ich mich dann entschieden hab, sind mein Vater und ich nach Upstate New York geflogen, um uns den Campus anzuschauen. War so Ende März, und die Bäume hatten noch keine Blätter. Wir dachten beide, da hätte gebrannt, weil wir sowas aus Südkalifornien gar nicht kannten.

Ich hab dann die Physik-Fakultät kennengelernt und mir das Wilson Synchrotron Labor angeschaut, so einen Weltklasse-Teilchenbeschleuniger direkt auf dem Campus. Eigentlich wollte ich dann noch Princeton besuchen, aber ich hab meinem Vater gesagt, dass das nicht nötig ist, weil ich überzeugt war, dass Cornell die perfekte Uni für mich ist.

Am Morgen unserer Abreise, wir wollten eigentlich nach Hause fliegen, wurden wir dann von einem Anruf geweckt, von David Cassel, dem Physiker, der später mein Betreuer wurde.

"Guten Morgen!", hat er so fröhlich gesagt. "Haben Sie schon rausgeschaut?"

"Nee", hab ich geantwortet und bin dann schnell zum Fenster gerannt und hab die Jalousien hochgezogen. Und draußen war alles weiß, alles voller Schnee.

"Willkommen in Ithaca!", hat Professor Cassel dann so gesungen.

Nach dem Auschecken konnten mein Vater und ich es uns nicht verkneifen, wir sind dann rausgegangen und haben im Schnee rumgetobt, wie so zwei überdrehte Kinder. Die Frau an der Rezeption hat uns total ungläubig angeschaut, und das aus gutem Grund, weil ich später erfahren habe, dass die Leute in Ithaca Ende März den Schnee schon echt satt haben.

Ein paar Monate später, als ich dann alleine nach Cornell zurückgekehrt bin, um mit meinem Studium zu beginnen, hab ich mich gefühlt, als hätte ich im Lotto gewonnen. Dieser kleine Niemand von der falschen Seite der Gleise sollte jetzt tatsächlich Physiker werden, Wahnsinn!

Das war der Anfang von einem ganz neuen Leben, ganz anders als das, was ich bis dahin gehabt hatte.

Ich bin ja in so einem strengen, spanischsprachigen, pfingstlerischen Haushalt aufgewachsen. Mein Vater und meine beiden Großväter waren Pastoren. Mein Großvater väterlicherseits, nach dem ich benannt bin, war sogar vier Jahrzehnte lang der total verehrte Präsident von Concilio Latino Americano de Iglesias Cristianas, das ist so die älteste, unabhängige, spanischsprachige Pfingstorganisation in den USA mit Kirchen in den USA, Mexiko und Zentralamerika.

Als ich aufgewachsen bin, ist meine Familie jeden Tag in die Kirche gegangen, und die Gottesdienste waren lang, langatmig und echt heftig. Ich erinnere mich, dass die ganze Gemeinde, einschließlich meiner Mutter, auf und ab gesprungen ist und ekstatisch in Zungen gesprochen hat. CLADIC-Mitgliedern war es verboten zu tanzen, fernzusehen und eine ganze Reihe anderer Dinge, die als mental, körperlich und spirituell ungesund galten.

Die Bibel sagt ja, dass ein Segen eine göttliche Erbschaft ist, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Also haben alle erwartet, dass ich Pastor werde und vielleicht sogar eines Tages die Nachfolge meines Großvaters als Präsident von CLADIC antrete.

Aber ich war halt voll und ganz der Wissenschaft verschrieben, nicht den Gottesdiensten und dem, was ich für uralte, übernatürliche Überzeugungen hielt. Obwohl ich in so einem strengen pfingstlerischen Elternhaus gelebt hab, waren meine Gedanken, meine Aufmerksamkeit und meine Neugier ganz woanders. Ich war fasziniert von Zahlen und Logik, Naturphänomenen und der wissenschaftlichen Methode. Und so nach und nach hab ich die wissenschaftliche Weltanschauung verinnerlicht, bis sie zu meiner eigenen geworden ist. Als ich dann meinen Abschluss an der UCLA gemacht hab, gehörten Körper, Geist und Seele der Welt der Wissenschaft und dem Atheismus, was für mich irgendwie Hand in Hand ging.

Als ich dann von LA nach Cornell aufgebrochen bin, war ich natürlich traurig, mich von meiner Familie und meinen Freunden zu verabschieden, aber ich war auch mehr als froh, die Religion hinter mir zu lassen, die ich nie wirklich angenommen hatte. Ich war auch erleichtert, dem Druck zu entkommen, ins Pfarramt zu gehen, was mich null interessiert hat.

Kurz gesagt, das war so eine Befreiung!

Als ich in Ithaca angekommen bin und mir klar wurde, dass ich da keinen einzigen Menschen kannte, war das für mich total okay. Mehr als okay sogar, weil es unterstrichen hat, dass ich ein ganz neues Leben beginne, mein Leben, meinen Traum, den Traum, für den ich so hart gearbeitet hatte, den Traum, ein Mönch zu werden, ein wissenschaftlicher Mönch.

Angetrieben von Leidenschaft und mehr als nur ein bisschen Koffein, hab ich meine Tage und Nächte entweder im Unterricht oder in so einem dunklen Labor verbracht, genau wie Dr. Frankenstein! Ich hab höchstens drei Stunden pro Nacht geschlafen, meistens so von drei bis sechs Uhr morgens.

Mein Labor war im Keller des Hochenergiephysik-Gebäudes von Cornell, dem Laboratory of Nuclear Studies. In diesem geräumigen, fensterlosen "Man-Cave" konnte ich gar nicht sagen, ob Tag oder Nacht ist, und das war mir auch egal. Ich hab kaum was gegessen, und wenn, dann meistens aus den Automaten im und um das LNS herum. Wenn ich ehrlich bin, war ich so ein dünner, ungepflegter, intensiver Über-Geek mit engen Cordhosen und so einer Wolke aus ungeschnittenen lockigen braunen Haaren.

Ich hatte kein Sozialleben, keine Freunde, und meine Familie war 2700 Meilen entfernt. Aber ich war total zufrieden. Ich hab mich nur um die Wissenschaft gekümmert und an nichts anderes gedacht.

Als 21-jähriger Studienanfänger war meine Neugier erst mal voll darauf ausgerichtet, zu lernen, woraus das Universum besteht. Was sind die grundlegendsten Elemente?

Ich hab dann so gedacht: Wenn man ein digitales Foto vergrößert, sieht man Pixel, richtig? Und wenn man jetzt das Universum vergrößert, über Elektronen, Protonen, Neutronen, Quarks, Gluonen und so weiter hinaus, wenn man immer weiter vergrößert, was sieht man dann am Ende? Pixel der Materie? Pixel der Energie? Pixel der Raumzeit? Das wollte ich unbedingt herausfinden.

Eines Tages hat dann aber so eine Gruppe von Astronomen, unter der Leitung von P.J.E. Peebles von Princeton, bekannt gegeben, dass die Galaxien nicht zufällig im Universum verteilt sind, wie wir immer angenommen hatten, sondern dass sie so ein Muster bilden, wie so ein riesiges 3D-Kunstwerk.

Woher kam dieses Muster? Was bedeutet es? War das nur Zufall?

Und plötzlich waren das die Fragen, die ich beantworten wollte. Aber das hätte bedeutet, dass ich mich nicht mehr auf Pixel konzentriere, also auf das Kleinste im Universum, sondern auf Galaxien, also auf das Größte im Universum.

Sein Hauptfach im Aufbaustudium zu wechseln, ist nicht einfach, aber das war mir egal. Ich wollte unbedingt meinen eigenen Weg gehen. Mir wurde gesagt, dass ich die Erlaubnis von Hans Bethe brauche, dem legendären theoretischen Physiker von Cornell. Also bin ich zu ihm gegangen.

In den 40er Jahren hatte Bethe die theoretische Abteilung des Manhattan-Projekts geleitet, das die erste Atombombe der Welt entwickelt hat. In den 60er Jahren hat er dann den Nobelpreis dafür bekommen, dass er erklärt hat, warum die Sonne scheint.

Bethe war so ein knallharter Deutscher alter Schule, dessen Büro im obersten Stockwerk des LNS war. Wir Studenten hatten Angst vor ihm und vor Velma Ray, seiner beeindruckenden Sekretärin, an der wir erst mal vorbei mussten, um ihn zu sehen.

Bethe hat nicht lange gebraucht, um über mein Schicksal zu entscheiden. Mit seinem dicken deutschen Akzent hat er mir gesagt, dass ich zwei Semester allgemeine Relativitätstheorie belegen muss, das ist wohl das schwierigste Fach in der modernen Physik. Wenn ich das gut mache, dann darf ich wechseln. Wenn nicht, dann muss ich halt bei den Pixeln bleiben.

Die Kurse über die allgemeine Relativitätstheorie wurden von Saul Teukolsky unterrichtet, so einem brillanten jungen Physiker, den Cornell erst vor kurzem von Caltech abgeworben hatte. Der Unterricht war echt anspruchsvoll, aber ich hab bestanden, und mit Bethes Segen hab ich dann angefangen, Galaxien zu studieren.

ES WAR EINMAL, IN EINER GALAXIE WEIT, WEIT ENTFERNT...

Sehr schnell hab ich gelernt, dass sich Galaxien langsam drehen, wie so riesige Karussells. Nach so einem wissenschaftlichen Gesetz, dem Virial-Theorem, dreht sich die Galaxie umso schneller, je massereicher sie ist.

Ich hab aber auch gelernt, dass sich Galaxien viel schneller drehen, als sie sollten, was scheinbar gegen das Virial-Theorem verstößt. Es ist so, als wären sie viel massereicher, als sie aussehen, als wären sie vollgestopft mit so einer unsichtbaren Substanz, die sie abnormal schnell drehen lässt. Meine Astronomieprofessoren nannten dieses Rätsel das Problem der fehlenden Masse.

Heute nennen wir diese hypothetische fehlende Masse dunkle Materie. Nach dem, was wir so wissen, vermuten wir, dass es sich um eine ganz neue unsichtbare Form von Materie handeln könnte, die von einer ganz neuen Art von Kraft beherrscht wird. Aber ehrlich gesagt, wir wissen nicht, was es ist, oder ob es überhaupt existiert.

In letzter Zeit haben wir noch so eine weitere Besonderheit am Himmel entdeckt, die auch völlig unsichtbar ist: dunkle Energie. Soweit wir das beurteilen können, verhält sie sich wie so eine abstoßende Kraft, die bewirkt, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt.

Und jetzt kommt's: Dunkle Materie und dunkle Energie zusammen scheinen 95 Prozent des gesamten Universums auszumachen, Wahnsinn! Wissenschaftler glauben also, dass 95 Prozent des Universums für uns unsichtbar sind.

Als ich das erste Mal von dem Problem der fehlenden Masse und dem, was wir heute dunkle Materie nennen, gehört hab, hat mich das total umgehauen, meine Realität erschüttert und meine Wahrnehmung von allem in Frage gestellt. (Die Entdeckung der dunklen Energie hat das auch getan, aber das ist erst passiert, nachdem ich meinen Abschluss gemacht hatte, als ich in Harvard unterrichtet habe).

Als frommer wissenschaftlicher Mönch, also als befreiter, freidenkender Atheist, hab ich nach dem Motto gelebt: Sehen heißt glauben. Ich hab mich geweigert, an irgendetwas zu glauben, was ich nicht wirklich sehen und beweisen konnte.

Aber diese Weltanschauung war jetzt total hinfällig, weil die Wissenschaft entdeckt hatte, dass das, was wir sehen können, dass das, dessen Existenz wir beweisen können, nur so ein kleiner Bruchteil von dem ist, was da draußen ist.

Das Problem der fehlenden Masse hat mir klar gemacht, dass ich, wenn ich an meiner knallharten, wissenschaftlichen Weltanschauung festhalte, wenn ich darauf bestehe, dass "Sehen heißt glauben", ich 95 Prozent von dem, was im Universum ist, ignorieren würde. Meine Weltanschauung war einfach zu engstirnig für den Kosmos.

Sie musste erweitert werden. Sie musste so groß werden, dass sie nicht nur den Glauben an das einschließt, was ich sehen und beweisen kann, sondern auch an das, was ich nicht sehen oder beweisen kann, wie zum Beispiel dunkle Materie. Sonst konnte ich mich nicht mehr ehrlich als Wissenschaftler bezeichnen.

ÜBER MEINE WILDSTEN TRÄUME HINAUS

Als ich mich dann so intensiv mit Galaxien beschäftigt habe, wurde mir schnell klar, dass ich in nicht nur ein, nicht nur zwei, sondern drei verschiedene Disziplinen eintauchen musste: Physik, Astronomie und Mathematik. Also hab ich wieder mal um Erlaubnis gebeten, eine Änderung vorzunehmen.

Das war so ein ungewöhnlicher Antrag, aber ich hatte Glück, die Erlaubnis zu bekommen, vor allem dank der Unterstützung meines Betreuers, David Cassel. Also hatte ich am Ende Büros in allen drei Abteilungen, umgeben von drei verschiedenen Gruppen von wunderbaren, brillanten Kollegen, von denen ich so viel gelernt hab.

Ich erinnere mich, dass ich total begeistert war, als ich das erste Mal von der kinetischen Theorie gehört hab. Sie wurde immer verwendet, um das Verhalten von Gasen zu beschreiben, aber ich hatte die Idee, sie zu verwenden, um das Verhalten von Galaxien zu erklären.

Ich hab meine Vermutung dann sofort mit der Ermutigung und Betreuung von Richard Liboff verfolgt, einem weltbekannten Experten für kinetische Theorie, der dann schließlich mein Betreuer wurde. Jahre später, nach so einer intensiven, ununterbrochenen Anstrengung, hab ich dann Gold gefunden, haha! Ich hab so eine elegante mathematische Erklärung dafür entdeckt, warum Galaxien so ein spektakuläres 3D-Muster im Weltraum bilden, und hab meine Ergebnisse dann in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht. Die Auswirkungen dieser Entdeckung waren potentiell revolutionär, also hab ich sie für eine Promotion in Physik, Mathematik und Astronomie eingereicht.

Ich werde den Tag meiner Verteidigung nie vergessen, das war so die letzte Hürde, die ich nehmen musste, bevor ich meinen 3D-Doktortitel bekommen konnte. In so einem kleinen Klassenzimmer im obersten Stockwerk des LNS stand ich dann an der Tafel und hab Professoren aus allen drei Disziplinen gegenübergestanden. Laut den Regeln durften sie mir alle Fragen stellen, die sie wollten, egal wie schwer. Und die haben mich echt ran genommen, kann ich dir sagen!

Die Prüfung hat vier quälende Stunden gedauert, aber ich hab bestanden! Und ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich wie ein Baby geweint hab, als mir dann einer nach dem anderen meine Komiteemitglieder die Hand gegeben und gratuliert haben.

Mein Traum war endlich wahr geworden! Ich hätte mir nicht vorstellen können, glücklicher zu sein!

Ich hätte nie gedacht, dass kurz darauf, auf meinem Weg nach Norden nach Harvard, ein noch größeres, noch aufregenderes Abenteuer auf mich wartet, von dem ich nie hätte träumen können. Denn, wie ich jetzt so gerne sage: "Auf dem Weg nach Cambridge ist mir etwas Komisches passiert."

Auf der Reise hab ich im Museum of Natural History in Washington, DC, angehalten, um an so einem Seminar über George Orwells Roman "1984" teilzunehmen. Das wurde von Fred Graham veranstaltet, dem damaligen Rechtskorrespondenten von CBS News.

Bei dem Empfang danach hab ich Graham und so eine Frau alleine stehen sehen, also hab ich mich ihnen vorgestellt. Als Graham herausgefunden hat, dass ich Wissenschaftler bin, hat er so was gesagt wie: "Hey, vielleicht können Sie so einen Streit schlichten, den ich hier mit meiner Produzentin habe."

"Klar", hab ich gesagt. "Was ist denn das Problem?"

"Kennen Sie die riesige Pendeluhr da in der Rotunde? Meine Produzentin sagt, wenn man sie einmal in Bewegung gesetzt hat, dann hört sie nie auf zu schwingen. Ich bin da anderer Meinung", hat er gesagt. "Ich denke, man muss sie ab und zu anschubsen, damit sie weiterläuft."

Für mich war das so ein No-Brainer.

"Das ist so ein Foucaultsches Pendel", hab ich erklärt. "Und es gibt nicht viel Reibung, die es verlangsamen könnte, nur so ein bisschen Reibung da, wo das Stahlseil an der Decke befestigt ist. Aber das reicht, um es langsam zu verlangsamen, also ja, es muss ab und zu angestoßen werden."

Graham war total begeistert von meiner Erklärung. "Wow!", hat er gesagt. "Hätten Sie Lust, ins Fernsehen zu kommen?"

Ich dachte, er macht Witze.

"Nein, wirklich", hat er gesagt. "CBS News sucht so einen Wissenschaftsreporter. Wenn es okay ist, würde ich Sie gerne nominieren. Mir gefällt, wie Sie die Dinge erklären."

Ich bin dann nach Cambridge weitergefahren und konnte kaum glauben, was gerade passiert war. Ich hab meinen Job als Lehrer angefangen und hab dann bald angefangen zu zweifeln, dass aus der Begegnung mit Graham irgendwas werden würde. Aber ein paar Wochen später hat CBS Morning News mich dann tatsächlich als neuen Wissenschafts- und Technologiekorrespondenten eingestellt.

Ich wurde dann so einer erfahrenen Produzentin in New York zugeteilt, Gail Eisen, die dann später Diane Sawyer bei 60 Minutes produziert hat. Gail hat mir geduldig und kompetent alles beigebracht, und schon bald war ich regelmäßig im nationalen Fernsehen zu sehen.

In Harvard hatte ich unterdessen die Ehre, unter der Leitung von Roy Glauber zu unterrichten, einem Physiker, der später den Nobelpreis für so eine Entdeckung in der Quantenphysik bekommen hat. Ich hab das Unterrichten geliebt und tue es immer noch, also war ich total gerührt, als ich zweimal mit dem Danforth Award von Harvard für Exzellenz in der Lehre ausgezeichnet wurde.

Nachdem ich ein paar Jahre bei CBS Morning News aufgetreten war, wurde ich abgeworben, zuerst von Phil Balboni, dem berühmten Nachrichtenchef von WCVB, dem ABC-Sender in Boston, und dann von ABC News selbst, die ihren Sitz in New York City haben.

Zuerst hab ich nur Wissenschaftsbeiträge für Good Morning America gemacht. Aber schon bald war ich auch bei Nightline, 20/20 und World News Tonight zu sehen. Insgesamt hatte ich die große Ehre, mit Barbara Walters, Hugh Downs, Ted Koppel, Peter Jennings, Joan Lunden, Diane Sawyer, Oprah Winfrey, Connie Chung und vielen anderen erstklassigen Profis zusammenzuarbeiten.

In diesen Jahren hab ich meine Zeit zwischen Harvard und ABC News aufgeteilt. Das war so ein lustiges, glamouröses Leben, aber auch turbulent und stressig. An einem Tag war ich auf dem Campus im Science Center von Harvard und hab Physik für Studenten unterrichtet. Am nächsten Tag bin ich nach Japan geflogen, um über so einen Vulkanausbruch zu berichten, oder nach Alaska, um über so eine Ölkatastrophe zu berichten, oder zum Südpol, um über das Ozonloch zu berichten, oder zum Nordpol, um über die erste transarktische Hundeschlittenexpedition zu berichten, oder nach England, um Stephen Hawking zu interviewen. Auf dem Weg dorthin hab ich drei Emmys gewonnen und war der erste Mensch, der live aus der Antarktis nach Nordamerika gesendet hat, und der erste Fernsehkorrespondent, der zum Wrack der Titanic auf dem Grund des Atlantiks gereist ist und von dort berichtet hat.

1994, nach neun unglaublichen Jahren, hab ich Harvard dann schweren Herzens verlassen, um Vollzeit im Fernsehen zu arbeiten. Es war so komisch, nicht mehr mit so einer akademischen Einrichtung verbunden zu sein, aber ich war es leid, so ein hektisches Doppelleben zwischen dem Klassenzimmer und dem Studio zu führen.

Schließlich, nach vierzehn total schönen Jahren, hab ich auch ABC News verlassen. Meine Frau und ich wollten eine Familie gründen, und wir waren uns beide einig, dass meine Tätigkeit als reisender Nachrichtensprecher nicht mit der eines guten Vaters vereinbar ist.

Kurz darauf hat mich dann der History Channel eingestellt, um so eine wöchentliche Prime-Time-Serie zu moderieren, die hieß "Where Did It Come From?". Und später hat mir die John Templeton Foundation so ein großes Stipendium gegeben, um so einen abendfüllenden Film zu produzieren, der die menschliche Großzügigkeit feiert. Dieser Film, "Little Red Wagon", hat dann viele Preise gewonnen.

Um es mal so auszudrücken, mein Leben hat sich nicht so entwickelt, wie sich das dieser verträumte kleine mexikanische Junge aus East LA jemals hätte vorstellen können. Und wie ihr jetzt sehen werdet, waren die unerwarteten Wendungen, die ich gerade beschrieben habe, nur die Spitze des Eisbergs.

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