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Also nochmal hallo, ähm, ja, Kapitel Neun… also, es geht um dein, ja, dein Gehirn-Netzwerk, sozusagen.
Ich mein, kennst du das Gefühl, wenn dein Kopf irgendwie... wie so 'n Rennmotor ist, der sich selbst zerfleischt, weil er einfach nicht richtig mit der Arbeit verbunden ist, für die er eigentlich gebaut wurde? So hat's Arthur Conan Doyle mal gesagt, find ich ganz treffend.
Also, tief in deinem Gehirn, so an der Basis, da sitzt ein kleines Grüppchen von Gehirnzellen. Die sind voll mit so nem Botenstoff namens Noradrenalin, deswegen sehen die auch so bläulich aus. Und deswegen hat man das Ding dann auch "Locus coeruleus" genannt, das ist Latein für "blauer Punkt", ja? Dieser blaue Punkt, der ist quasi das Hauptquartier für Noradrenalin in deinem Gehirn.
Die Zellen da feuern dann so kleine "Geschosse" aus Noradrenalin ab, die sich dann über das ganze Gehirn verteilen, durch so ein richtig ausgeklügeltes Netzwerk, das man eben auch "Blauer Punkt Netzwerk" nennen kann. Und diese Geschosse, die haben's echt drauf: die verändern die ganze Konfiguration deines Gehirns, je nachdem, in welchem Muster die abgefeuert werden. Echt faszinierend, oder?
Jede von diesen Konfigurationen, die gibt deinem Gehirn dann bestimmte Fähigkeiten und legt das Tempo fest, mit dem es arbeitet. Wenn dein blauer Punkt jetzt also schnell hintereinander diese Noradrenalin-Geschosse raushaut, dann werden deine Gedanken schneller. Wenn er langsamer feuert, dann werden auch deine Gedanken langsamer. Ganz einfach eigentlich, ne?
Man nennt diesen blauen Punkt meistens Locus coeruleus, oder kurz LC. Und der LC, zusammen mit all seinen Nervenbahnen, die das Noradrenalin transportieren und verteilen, das ist dann eben das LC-NE-Netzwerk, so in der Fachsprache. Aber dieses LC-NE-Netzwerk, das arbeitet nicht allein, das hat auch 'ne enge Beziehung zu Systemen, die auf Dopamin basieren, und auch zu solchen, die auf Acetylcholin basieren. Aber für dieses...äh...Buch, nennen wir das ganze Ding einfach "Blauer Punkt Netzwerk", okay? Also das LC-NE-Netzwerk und seine Auswirkungen auf Dopamin und Acetylcholin, alles zusammen.
Und dieses blaue Punkt Netzwerk, das steuert total gekonnt die Konfiguration deines Gehirns, indem es einfach die Art und Weise verändert, wie es feuert.
Für die Arbeit, die wir so tagtäglich machen, kannst du dir das so vorstellen: dein blauer Punkt ist wie so ein Getriebe, das dein Gehirn in drei Hauptmodi schaltet: langsam, mittel und schnell. Du schaltest dann quasi die Gänge, um dein mentales Tempo zu verändern. Gang 1, das ist der langsame Modus, Gang 2 ist der mittlere und Gang 3 ist der schnelle Modus.
Gang 1, das ist so, als wenn du im Sessel am Kamin sitzt: das hilft dir, dich auszuruhen, zu erholen und zu träumen, nach der ganzen harten Arbeit. Gang 2, damit kannst du bequem und effizient arbeiten. Der kalibriert dein Gehirn so, dass du dich optimal konzentrieren, lernen, Probleme lösen und analysieren kannst. Und Gang 3, das ist wie so ein Sprint: der gibt dir 'nen richtigen Energieschub, aber der macht dich auch total fertig, wenn du zu lange drin bleibst.
Es gibt jetzt auch Forschungsergebnisse, die zeigen, dass das Gehirn echt unter Stress gerät, wenn es zu lange in Gang 3 ist. Aber gleichzeitig kann so ein Gang 1/Gang 2-Zustand den Schaden ausgleichen, der durch Gang 3 verursacht wird. Also, Gang 3, der verstärkt irgendwie den Verschleiß, aber Gang 2, der scheint die Gehirnzellen vor diesem Schaden zu "retten". Das heißt, dass man den schnellen Gang 3 nicht komplett vermeiden muss, sondern dass man den ruhig in kurzen Dosen nutzen kann, solange man das mit genug Zeit in den niedrigeren Gängen ausgleicht.
Dein blauer Punkt, der scheint sogar selbst so ein Muster anzustreben.
Auf den ersten Blick verändert dein blauer Punkt-Netzwerk einfach nur das Tempo, mit dem dein Kopf läuft. Aber wenn du tiefer gräbst, dann siehst du, dass jeder Gang auch die Präzision deiner Konzentration, die Menge der Daten, die du verarbeitest, und die Effizienz deines Denkapparats beeinflusst.
Okay, also Gang 1. Am besten zum Aufladen, Ausruhen, Träumen.
Denk mal dran, wie du dich fühlst, wenn du morgens aufwachst, oder wenn du nachmittags faul auf 'ner Parkbank sitzt und die Welt an dir vorbeiziehen lässt. Deine Aufmerksamkeit, die streift so sanft die Oberfläche von allem um dich herum. Du nimmst vielleicht hier ein Blatt wahr, da ein Gedanke, aber du ziehst dann auch gleich wieder weiter.
Dieser Zustand, wenn du dich entspannt fühlst und nichts deine Aufmerksamkeit wirklich fesselt, das ist so, als ob dein Gehirn im ersten Gang ist. Gang 1 ist so ein "Slow Power"-Zustand: dein Kopf ist nicht genug aufgedreht, um komplexe Informationen zu verarbeiten. Deine Aufmerksamkeit ist nicht stark genug, um lange bei irgendwas zu bleiben.
Mit so 'ner Panorama-Perspektive kannst du deine Aufmerksamkeit nur schwer auf eine einzige Aufgabe richten. Und genau deswegen ist Gang 1 so wichtig für die Arbeit: der lässt dich deine Aufmerksamkeit abschalten und dein Gehirn ausruhen. Der hilft dir auch, deinen mentalen Tisch sauber zu machen, damit du deine Aufgabe mit 'nem frischen Blick wieder angehen und aus 'nem neuen Winkel betrachten kannst.
Wenn du dich nicht so sehr auf die Außenwelt konzentrierst, dann ist dein Kopf auch empfänglicher für Gedanken in deinem Inneren. Du fixierst deine Aufmerksamkeit zwar auch da nicht, aber wenn so Ideenbläschen aus deinem Unterbewusstsein aufsteigen, dann nimmst du die eher wahr. Das schafft die richtige Umgebung für so "Aha"-Momente der Inspiration.
So, jetzt Gang 2. Am besten zum Arbeiten, Konzentrieren, Lernen, Probleme lösen, Kritisches Denken, Kreativität.
Das Besondere an Gang 2 ist, dass er dir fast schon so 'ne Art magische Kraft gibt, wenn's ums Arbeiten geht: die Fähigkeit, dich zu konzentrieren.
Das liegt daran, dass dein präfrontaler Kortex, also die Region deines Gehirns, die hinter deiner Stirn sitzt – und das ist der Hauptsitz für alles, was mit Denken zu tun hat – dass der in Gang 2 voll aktiv ist.
Dein präfrontaler Kortex, der funktioniert am besten mit 'ner mittleren Menge Noradrenalin, genau im Sweetspot von Gang 2, wenn die phasische LC-Aktivität am höchsten ist.
In Gang 2 bringst du das Ziel deiner Aufmerksamkeit scharf in den Fokus, während der Hintergrund verschwimmt. Dein Fokus kann nach außen oder innen gerichtet sein, und er kann sich auch verengen und erweitern, ohne dass du die Konzentration verlierst.
Stell dir mal vor, wie sich deine Konzentration bei drei verschiedenen Tätigkeiten verändert, die man am besten im zweiten Gang macht: ein Buch zum Vergnügen lesen, einen Bericht analysieren oder Ideen sammeln. Wenn du in 'nem Roman versunken bist, dann fühlt sich dein Tempo langsamer an, und du wechselst zwischen dem Konzentrieren auf die Wörter auf der Seite und dem Abschweifenlassen deiner Aufmerksamkeit. Wenn du 'nen schweren Bericht lesen musst, dann fühlt sich dein Tempo schneller an, deine Aufmerksamkeit verengt sich und du fixierst dich auf den Bericht, ohne abzuschweifen. Und wenn du Ideen für ein Produkt sammelst, auf das du Bock hast, dann fühlt sich dein Tempo noch schneller an. Du wechselst zwischen dem Erweitern deiner Aufmerksamkeit, um viele Ideen zu erfassen, und dem Verengen deiner Aufmerksamkeit, um jede einzelne Idee genauer zu betrachten.
Deine Aufmerksamkeit ist eng und total klebrig im Kern von Gang 2. Wenn du dich vom Kern entfernst und in die Randbereiche abdriftest, dann wird deine Aufmerksamkeit breiter und weniger klebrig, obwohl sie immer noch gut genug ist, um dich zu konzentrieren. Dein Tempo verändert sich auch leicht: wenn du dich der Grenze zu Gang 1 näherst, dann fühlst du dich etwas weniger energiegeladen, und wenn du dich der Grenze zu Gang 3 näherst, dann fühlst du dich etwas energiegeladener.
So, und jetzt: Ein Gang 2 mit wenig Energie.
Am besten für: Spontane Kreativität.
Wenn du in Gang 2 bist, nahe der Grenze zu Gang 1, dann bist du in so 'ner Art Gang 2 mit wenig Energie. Deine Aufmerksamkeit ist nicht ganz so klebrig. Du kannst deine Aufmerksamkeit jetzt ab und zu von dem, woran du arbeitest, abziehen und sie sanft abschweifen lassen. Und wenn du deine Aufmerksamkeit abziehst, dann kannst du deinen mentalen Tisch sauber machen, genau wie in Gang 1, und 'ne neue Perspektive auf deine Aufgabe gewinnen. Wenn deine Aufmerksamkeit abschweift, dann wandert sie nach innen, in dein Gehirn. Und da stolpert sie dann zufällig über so lose Fäden und Ideen: Juwelen, die sie verpasst hätte, wenn sie sich schneller mit 'nem unerbittlichen, engen Fokus bewegt hätte. In so 'nem Gang 2 mit wenig Energie kannst du deine Aufmerksamkeit im einen Moment abschweifen lassen und im nächsten Moment schnell verengen, um eine dieser aufkommenden Erkenntnisse scharf in den Fokus zu rücken. Dieser halb-abgelöste, halb-fokussierte Zustand ist ideal für spontane Kreativität.
Und dann haben wir noch einen Gang 2 mit viel Energie.
Am besten für: Komplexe Konzepte lernen, Divergentes Denken, Brainstorming.
Wenn du in Gang 2 bist, nahe der Grenze zu Gang 3, dann bist du in so 'ner Art Gang 2 mit viel Energie. Hier ist die Noradrenalin-Menge am höchsten innerhalb von Gang 2, deswegen fühlst du dich auch so energiegeladen. Noradrenalin hat so 'ne faszinierende Eigenschaft: es macht leise Signale lauter. Details, die du vorher nicht sehen konntest, die tauchen jetzt auf deinem Radar auf und verbessern deine Fähigkeit, querzudenken, neue Perspektiven zu sehen, Ideen zu sammeln und Verbindungen herzustellen, während du lernst. Das passiert sowohl in der Außenwelt als auch in deinem Inneren.
Dieser energiegeladene Zustand der Konzentration schafft optimale Bedingungen fürs Lernen: die erhöhte Noradrenalin-Menge in diesem Zustand fördert das Lernen durch verschiedene Wege, zum Beispiel, indem sie die Energiezufuhr zu den Gehirnzellen erhöht und neue Verbindungen zwischen ihnen fördert. Dieser Gang 2 mit viel Energie entsteht, wenn du von intrinsischer Motivation und leidenschaftlicher Neugier getrieben wirst. Das macht diesen Zustand zu einem der produktivsten und erfüllendsten Zustände, in denen man beim Arbeiten sein kann.
Es wurde schon oft beobachtet, dass es sich für die meisten Leute gut anfühlt, im zweiten Gang zu sein. Vielleicht liegt das daran, dass dein Kopf in diesem Zustand die beste Konfiguration annimmt, um die Welt um dich herum zu verstehen und ein Teil von ihr zu werden.
So, und zu guter Letzt, Gang 3.
Am besten für: Schnelles Reagieren in kritischen Momenten.
In Gang 3 feuert dein blauer Punkt-Netzwerk Noradrenalin-Geschosse in schneller Folge ab und dein Gehirn bohrt sich mit rasender Geschwindigkeit durch Informationen. Dein präfrontaler Kortex ist teilweise offline. Dadurch werden deine feinen mentalen Fähigkeiten stark beeinträchtigt, aber deine "groben" mentalen Fähigkeiten – also die, die kein Denken erfordern – werden verbessert. Deine Tippgeschwindigkeit wird in die Höhe schießen, aber du wirst nicht in der Lage sein, das, was du tippst, aufmerksam zu analysieren. Dein Bild sieht aus wie so 'ne verschwommene Bewegung mit unscharfen Linien und ohne Details.
In diesem Zustand kannst du alles, was sich automatisch anfühlt – oder was du so gut geübt hast, dass du nicht darüber nachdenken musst – extrem schnell ausführen, ohne Zeit mit dem Denken zu verschwenden. Das macht Gang 3 ideal für Notfälle, in denen es auf die Zeit ankommt und du nicht von Emotionen oder Analysen abgelenkt werden willst. Medizinische Mitarbeiter, die bei 'nem Herzstillstand helfen, sind in Gang 3 besser als in Gang 2, genauso wie Sportler in entscheidenden Momenten des Spiels.
Je mehr dein blauer Punkt-Netzwerk feuert und je tiefer du in Gang 3 eindringst, desto mehr Daten rauschen in dein Gehirn und dein Denkapparat hat Mühe, das Signal vom Rauschen zu trennen. Die Außenwelt fühlt sich überwältigend an und deine Innenwelt wird von rasenden Gedanken überflutet. Die Flut von Noradrenalin, die von deinem blauen Punkt-Netzwerk freigesetzt wird, gibt dir Energie und betäubt Schmerz und Angst, aber sie beeinträchtigt auch dein Urteilsvermögen.
Deine emotionalen Bahnen im Gehirn haben 'nen direkten Draht zu deinem blauen Punkt-Netzwerk. Emotionale Auslöser erhöhen deinen Gang leicht und verstärken und verlängern die Auswirkungen von allem, was deinen Gang sonst noch erhöht. Emotionale Erregung kann dich in Gang 3 kippen und dich dort festhalten, so dass du am Ende des Tages nicht mehr zurückschalten kannst. Deswegen kann es schwer sein, einzuschlafen, nachdem man im Laufe des Tages intensive negative Gefühle erlebt hat, selbst wenn der Grund für die Gefühle nicht mehr existiert.
Dein Gehirn ist wie die Oberfläche eines Ozeans: es ist nie still. Es ist immer dynamisch, sein Zustand schwankt mit den Veränderungen des Windes und der Strömungen. So wie die Oberfläche eines Ozeans ruhiger oder unruhiger werden kann, je nachdem, wie sich seine Wellenmuster verändern, so flackert auch dein Gehirn ständig zwischen allen drei Gängen hin und her. Denk mal dran, wie ein konzentrierter Kopf (Gang 2) ab und zu abtauchen (Gang 1) muss, um seinen Tisch sauber zu machen, oder wie ein rasender, abgelenkter Kopf (Gang 3) durch irgendeine wichtige Information (Gang 2) aus dem Gleichgewicht gebracht werden kann. Deshalb beziehe ich mich im ganzen Buch, wenn ich beschreibe, dass ich in einem bestimmten Gang bin, auf das Überwiegen in diesem Gangzustand.