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Calculating...

Also, just to be clear, wir reden hier über Mathematik, ne? Und vielleicht denkst du, Mathe ist total trocken und logisch und überhaupt nicht... glaubensabhängig. Aber lass mich dir mal was erzählen.

Alfred North Whitehead hat mal gesagt, unsere Köpfe sind begrenzt, aber wir sind trotzdem von unendlichen Möglichkeiten umgeben, und das Ziel des Lebens ist, so viel wie möglich davon zu verstehen. Klingt erstmal nicht nach Mathe, oder?

Viele denken, in der Mathematik gibt's nur absolute Sicherheit. So 'ne Art Insel, wo alles bewiesen und unumstößlich ist. Aber das stimmt eben nicht. Ich bin selbst Mathematiker und kann dir sagen: es gibt keinen Beweis, der ohne Glauben auskommt. Die ganze Mathematik basiert auf Annahmen, die man nicht beweisen kann. Teilweise sind die echt... naja, abgefahren.

Ein Typ hat das mal auf so einer Online-Plattform namens Stack Exchange gefragt, ob mathematische Beweise Glauben brauchen. Er war Ingenieur und wollte 'ne Diskussion anregen. Aber, tja, er wurde ziemlich schnell abgewatscht, wie man so sagt.

Brauchen mathematische Beweise Glauben? Um das zu verstehen, müssen wir mal kurz zurück in der Zeit reisen. So, 24 Jahrhunderte zurück, nach Athen und Alexandria. Da treffen wir zwei junge Genies: Aristoteles und Euklid.

Aristoteles hat gerade die Logik erfunden, eine ganz neue, strenge Art zu denken. Ein Beispiel dafür ist der Syllogismus: Alle Raben sind schwarz. Edgar ist ein Rabe. Also ist Edgar schwarz. Die erste Aussage ist ein Axiom, eine Annahme, ein Glaube. Wenn du daran glaubst, dann erkennst du was über Edgar. Glauben heißt sehen, quasi.

Euklid, beeindruckt von Aristoteles' Logik, versucht gerade, alles über ebene Geometrie rauszufinden, also über Formen auf einer flachen Oberfläche. Dafür braucht er mindestens 33 Axiome, also Glaubenssätze, die er nicht beweisen kann. Da gibt's Definitionen, Postulate und sogenannte "Gemeinsame Vorstellungen". Zum Beispiel: Dinge, die demselben Ding gleich sind, sind auch einander gleich. Wenn man zu Gleichem Gleiches hinzufügt, sind die Summen gleich. Und so weiter. Klingt doch alles logisch, oder?

Aber warum? Warum sind diese Axiome so offensichtlich? Weil du sie leicht überprüfen kannst, mit Murmeln oder so. Es sind simple Wahrheiten, für die man nur 'n bisschen IQ braucht. Aber manche von Euklids Axiomen sind nicht so einfach, nicht so logisch. Die sind eher... verwirrend und brauchen 'n bisschen mehr Glauben, so 'ne Art spirituellen Glauben.

Euklid definiert einen Punkt als etwas ohne Breite, Tiefe und Länge. Also gleichzeitig etwas und nichts! Wie das Vakuum in der Quantenphysik. Ein Punkt ergibt keinen Sinn. Man kann sich ihn nicht vorstellen. Versuch mal, dir 'n Punkt vorzustellen! Geht nicht, oder?

Aber Euklids Definition ist trotzdem wichtig. Weil er damit die ganze ebene Geometrie beweist! Krass, oder?

Ein Euklidischer Punkt ist was, das deine Augen nicht sehen können, dein IQ nicht versteht und deine Fantasie nicht fassen kann. Aber dein Gehirn, mit seiner Intuition, kann ihn trotzdem irgendwie erfassen und mit 'nem Stift kannst du ihn dann auch irgendwie zeichnen.

Und dieser Glaube an unbeweisbare Axiome hat Euklid so erfolgreich gemacht, dass er die Mathematik revolutioniert hat. Seit über 2000 Jahren benutzen wir Euklids Geometrie, um Brücken, Wolkenkratzer und Raumfahrtmissionen zu planen. Es gibt mehr Geometrie-Bücher als alles andere, außer der Bibel. Wahnsinn, oder?

Logik, die auf Glauben basiert, kann also ziemlich mächtig sein. Aber hat Logik auch Grenzen?

Die Antwort ist: ja. Gottlob Frege, ein deutscher Logiker, wollte für Arithmetik das machen, was Euklid für Geometrie getan hat. Er hat sechs Axiome aufgestellt, mit denen er alle Sätze der Arithmetik beweisen wollte, also auch 1+1=2.

Er hat jahrelang gearbeitet und dann endlich den ersten Band seines Werks "Grundgesetze der Arithmetik" veröffentlicht. Aber dann kam Bertrand Russell und hat ihm 'nen Brief geschrieben. Russell hatte 'nen Fehler in Freges Logik gefunden. 'N richtig fetten Fehler!

Ich will jetzt nicht zu technisch werden, aber Russell hat ein Problem mit Freges fünftem Axiom gefunden, das die Zugehörigkeit zu einer Gruppe definiert. Stell dir 'n Dorf mit lauter rasierten Männern vor. Und da gibt's einen Barbier, der sagt: "Ich rasiere alle Männer, die sich nicht selbst rasieren." Die Frage ist: Rasiert der Barbier sich selbst?

Wenn er sich selbst rasiert, dann rasiert er sich eben nicht, weil er ja nur die Männer rasiert, die sich nicht selbst rasieren. Wenn er sich nicht selbst rasiert, dann müsste er sich selbst rasieren, weil er ja alle Männer rasiert, die sich nicht selbst rasieren. Verrückt, oder? Die Logik versagt hier komplett.

Oder denk an diesen Satz: "Diese Aussage ist falsch." Wenn der Satz wahr ist, ist er falsch. Wenn er falsch ist, ist er wahr! Die Logik dreht sich im Kreis.

Und genau das war das Problem mit Freges Logik. Frege war total geschockt. Er hat seinen zweiten Band trotzdem veröffentlicht, aber mit 'ner traurigen Vorwarnung. Er hat nie den dritten Band veröffentlicht und ist dann irgendwann gestorben.

Alle Mathematiker waren total verunsichert. David Hilbert hat gesagt, dass diese Paradoxien unerträglich sind. Wenn schon die Mathematik, das Vorbild für Wahrheit, zu Widersprüchen führt, wo sollen wir dann Wahrheit finden?

Hilbert hat seine Kollegen ermutigt, nicht aufzugeben. Die Paradoxien seien nur ein Symptom von fehlerhaften Axiomen. Man muss also sorgfältiger Axiome auswählen. Solche, die widerspruchsfrei sind.

Russell und Alfred North Whitehead haben dann "Principia Mathematica" veröffentlicht, um die Mathematik auf ein solides Fundament zu stellen. Aber dann kam Kurt Gödel und hat 'nen Fehler gefunden. Und zwar nicht nur in "Principia", sondern in der Logik selbst!

Gödel hat bewiesen, dass jedes formale System der Logik, das mächtig genug ist, um alle Wahrheiten der Arithmetik zu beschreiben, entweder unvollständig ist (es gibt Wahrheiten, die es nicht beweisen kann) oder inkonsistent (es ist voller Paradoxien und daher unzuverlässig).

Das ist doch verrückt, oder? Immer wenn du logisch über ein kompliziertes Thema nachdenkst, passiert eins von zwei Dingen: Entweder du sagst was, das wahr ist, aber du kannst es nicht beweisen. Oder du beweist was mit scheinbar perfekter Logik, aber es stimmt nicht, weil deine Logik voller Paradoxien ist.

Verena Huber-Dyson hat gesagt: "Es gibt mehr Wahrheit, als man beweisen kann." Ich sage lieber: Wahrheit ist größer als Beweis.

Russell war total fertig. Er war immer Atheist gewesen und hat Religionen kritisiert. Aber er hatte eben selbst fanatisch an die Logik geglaubt. Und genau das hat Gödel zerstört.

Russell hat dann gesagt, dass er sich Gewissheit gewünscht hat, so wie andere Menschen religiösen Glauben. Er dachte, die findet man eher in der Mathematik. Aber nach jahrelanger Arbeit musste er feststellen, dass er die mathematische Erkenntnis nicht unbezweifelbar machen konnte.

Gödels Unvollständigkeitssätze haben weitreichende Folgen. Erstens untergraben sie den Glauben an eine "Theorie von Allem", also eine einheitliche Erklärung für alle Kräfte der Natur. Gödel hat bewiesen, dass Logik nicht mächtig genug ist, um Arithmetik zu beschreiben, geschweige denn das Universum.

Zweitens erlauben Gödels Sätze die Aussage "Gott existiert" als wahr, aber unbeweisbar. Wahrheit ist eben größer als Beweis. Wenn die Logik schon an der Arithmetik scheitert, kann sie erst recht keine Argumente über Gott klären.

Drittens bestätigen Gödels Sätze, dass die Mathematik auf einem Meer von Glauben schwimmt. Mathematiker müssen an unbewiesene Axiome glauben. Kein Mathematiker kann ein logisches Argument erzeugen, ohne an Annahmen zu glauben. John Barrow hat gesagt, dass Mathematik die einzige Religion ist, die beweisen kann, dass sie eine ist.

Auch wenn Mathematiker Aristoteles' Logik und Euklids Geometrie bewundert haben, haben sie sich gefragt, ob das die einzigen Möglichkeiten sind. Die Antwort ist: nein. Es gibt viele Logiken und Geometrien. Jede basiert auf anderen Axiomen, also Glaubenssätzen.

Aristoteles glaubte an den Satz vom ausgeschlossenen Dritten: Etwas ist entweder wahr oder falsch, dazwischen gibt's nichts. Aber es gibt viele Alternativen. Zum Beispiel die dreiwertige Logik, die besagt, dass etwas wahr, falsch oder unbekannt sein kann. Oder die Fuzzy-Logik, die besagt, dass etwas unendlich viele Wahrheitswerte haben kann.

Fuzzy-Logik wird in elektronischen Geräten verwendet, die auf Nuancen reagieren müssen, zum Beispiel in Antiblockiersystemen. Die Chips müssen entscheiden, wie stark sie die Bremsen betätigen, indem sie die Wahrheitswerte verschiedener Faktoren abwägen.

Es gibt auch nicht-euklidische Geometrien. Euklid glaubte, dass parallele Linien sich nie schneiden, auch wenn sie ins Unendliche verlängert werden. Aber das gilt nur für flache Oberflächen. Auf gekrümmten Oberflächen gibt's andere Geometrien. Zum Beispiel sphärische Geometrien auf runden Oberflächen wie der Erde. Oder hyperbolische Geometrien auf sattelförmigen Oberflächen. Oder Riemannsche Geometrien auf Oberflächen mit vier oder mehr Dimensionen.

Diese mehrdimensionalen Oberflächen können wir uns nicht vorstellen. Aber sie sind trotzdem nützlich. Einstein hat eine vierdimensionale Riemannsche Oberfläche in der Allgemeinen Relativitätstheorie verwendet, um die Schwerkraft zu beschreiben.

Wissenschaftliche Theorien, die auf solchen abgefahrenen Axiomen basieren, haben sich immer wieder bewährt. Einstein war total erstaunt, wie gut Mathematik die Realität beschreiben kann, obwohl sie doch nur ein Produkt menschlichen Denkens ist.

Ich hab mal den Nobelpreisträger Eugene Wigner getroffen. Er wusste nichts von meinen Überlegungen über spirituelle Intelligenz, aber er hat erkannt, dass Mathematik nicht nur auf Logik basiert, sondern auch auf Eingebungen einer Superintelligenz. Wigner hat gesagt, dass die enorme Nützlichkeit der Mathematik in den Naturwissenschaften fast schon mysteriös ist und es keine rationale Erklärung dafür gibt.

Früher waren mathematische Beweise kurz genug, um sie von Hand zu überprüfen. Aber diese Zeiten sind vorbei. In der professionellen Mathematik sind die Beweise viel zu lang und kompliziert geworden.

Ein Journalist hat das mal "den Tod des Beweises" genannt. Mathematische Beweise werden immer länger und schwieriger zu überprüfen. Und immer mehr werden mit Hilfe von Computern erzeugt. Das macht die Mathematik noch unsicherer.

Ein Mathematiker hat gesagt, dass wir jetzt in einem Zeitalter leben, in dem die großen Aussagen der Mathematik so komplex sind, dass wir vielleicht nie sicher wissen werden, ob sie wahr oder falsch sind. Das bedeutet, dass wir in derselben Situation sind wie alle anderen Wissenschaftler.

Der längste mathematische Beweis der Geschichte wurde von drei Menschen und einem Supercomputer erbracht. Dieser Beweis ist 200 Terabyte lang. Das würde zehn Milliarden Jahre dauern, ihn zu lesen!

Das Meer des Glaubens, auf dem die Mathematik schwimmt, ist also viel tiefer und breiter, als man gedacht hätte. Weder Aristoteles noch Euklid haben das vorhergesehen.

Aber das ist nur schlimm für Leute, die an 100% sichere Beweise glauben. So was gibt's nicht. Mathematik basiert auf unbeweisbaren, unvorstellbaren Glaubenssätzen. Glaubenssätze, die die reale Welt erstaunlich genau beschreiben. Und wenn du diese Glaubenssätze akzeptierst, kannst du erstaunliche Erkenntnisse gewinnen.

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