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Okay, also, pass auf, ich erzähl euch mal was über den Yellowstone Nationalpark. Also, ne, das ist echt 'ne krasse Story, muss ich sagen.
In den 60ern, da war so ein Typ vom U.S. Geological Survey, der Bob Christiansen, und der hat sich die Vulkan-Geschichte von Yellowstone angeguckt. Und, äh, ihm ist aufgefallen, dass er den Vulkan einfach nicht finden konnte! Und das Verrückte war, dass sich vorher irgendwie keiner 'nen Kopf drum gemacht hat. Alle wussten, Yellowstone ist vulkanischen Ursprungs, deswegen auch die ganzen Geysire und so, aber wo ist denn bitte der Vulkan?
Weil, normalerweise, 'n Vulkan, der ist ja offensichtlich, ne? Den siehst du ja, so'n typischer Vulkankegel wie der Fuji oder der Kilimandscharo. Aber Christiansen hat einfach nix gefunden. Vor allem keine Caldera, so 'n riesen Krater.
Die meisten denken ja bei Vulkan an so'n Berg, der Lava spuckt. Aber es gibt halt auch diese anderen Vulkane, die keine Berge bauen, sondern einfach... *BOOM*! Die explodieren und hinterlassen 'nen riesen Krater, 'ne Caldera. Und Yellowstone, der ist halt so'n Ding. Nur, dass Christiansen die Caldera nicht gefunden hat.
Und dann kam die NASA ins Spiel. Die wollten in Yellowstone Fotos aus der Luft machen, um neue Kameras zu testen. Und ein schlauer Mensch hat dann diese Fotos dem Park gegeben, so für's Besucherzentrum. Und Christiansen, der hat die Fotos gesehen und BÄM! Er hat's gecheckt: Der ganze Park, also diese 9000 Quadratkilometer, DER GANZE PARK IST DIE CALDERA!
Also, das war 'ne Explosion, die hat 'nen Krater von fast 65 Kilometern Durchmesser hinterlassen. So groß, dass man das vom Boden aus gar nicht sehen kann! Yellowstone ist irgendwann mal komplett auseinander geflogen, mit 'ner Kraft, die alles übertrifft, was wir kennen.
Yellowstone ist 'n Supervulkan, der auf so'nem Hotspot sitzt, so 'nem riesigen Magma-Reservoir. Das geht mindestens 200 Kilometer tief und speist alle Geysire, heißen Quellen und Schlammtümpel. Unter der Erde ist da 'ne Magmakammer, die ist so groß wie der Park selber, also ungefähr 72 Kilometer Durchmesser, und an manchen Stellen ist die 13 Kilometer dick! Stell dir mal vor, 'ne Ladung TNT so groß wie 'ne englische Grafschaft, die 13 Kilometer hoch in den Himmel ragt. Ungefähr so muss man sich das vorstellen, worauf die Touristen da rumlaufen. Und dieser Magmapool drückt so auf die Erdkruste, dass der ganze Yellowstone-Bereich 'nen halben Kilometer höher liegt, als er eigentlich sollte. Wenn das Ding hochgeht, ist das 'ne Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Bill McGuire vom University College London hat gesagt, man kann sich dem Ding dann nicht mal auf 1000 Kilometer nähern. Und die Folgen wären noch viel schlimmer.
Diese Supervulkan-Hotspots, die sind wie Martini-Gläser, die werden nach oben immer dünner, aber kurz unter der Oberfläche werden sie wieder breiter, so wie 'ne Schale mit instabilem Magma. Manche dieser "Schalen" sind fast 2000 Kilometer breit! Und die Theorie ist, dass diese Hotspots nicht immer explodieren. Manchmal spucken die einfach nur riesige Mengen an Lava, wie vor 65 Millionen Jahren in Indien, als die Dekkan-Trapps entstanden sind. Diese Lavadecke, die war 500.000 Quadratkilometer groß, und die Gase, die da raus kamen, haben wahrscheinlich zum Aussterben der Dinosaurier beigetragen. Und vielleicht sind diese Hotspots auch für die Risse in den Kontinenten verantwortlich.
Es gibt ungefähr 30 aktive Hotspots auf der Erde. Viele Inseln sind durch die entstanden, zum Beispiel Island, Hawaii, die Azoren, die Kanaren, die Galapagos-Inseln, Pitcairn und viele mehr. Aber fast alle sind im Ozean. Keine Ahnung, warum Yellowstone ausgerechnet auf 'nem Kontinent gelandet ist. Sicher ist nur: Die Erdkruste da ist dünn, und darunter ist es verdammt heiß. Aber ob der Hotspot die Erdkruste dünn gemacht hat oder umgekehrt, darüber streiten sich die Geologen. Die kontinentale Erdkruste hat auf jeden Fall 'nen großen Einfluss auf die Eruptionen. Andere Supervulkane brodeln eher so vor sich hin, aber Yellowstone, der explodiert halt richtig heftig. Das passiert nicht oft, aber wenn, dann sollte man echt weit weg sein.
Die erste bekannte Eruption war vor 16,5 Millionen Jahren. Seitdem hat's ungefähr 100 Mal geknallt, aber die letzten drei sind dokumentiert. Die letzte war 1000 Mal stärker als der Mount St. Helens, die davor 280 Mal, und die davor... da weiß man's nicht genau, aber mindestens 2500 Mal, vielleicht sogar 8000 Mal stärker als der Mount St. Helens!
Wir haben nix, womit wir das vergleichen können. Die größte Eruption der Neuzeit war der Krakatau in Indonesien, 1883. Der Knall war neun Tage lang um die ganze Welt zu hören, und das Meer in England hat noch gebebt. Wenn man die Masse, die der Krakatau rausgeschleudert hat, als Golfball sieht, dann ist die größte Yellowstone-Eruption wie so 'n riesiger Ball, hinter dem man sich locker verstecken könnte. Und der Mount St. Helens wäre dann nur 'ne Erbse.
Vor zwei Millionen Jahren hat Yellowstone so viel Asche rausgepustet, dass man den Bundesstaat New York 20 Meter hoch oder Kalifornien 6 Meter hoch damit hätte bedecken können. Mike Voorhies hat in Nebraska 'ne Fossilienfundstelle entdeckt, die von dieser Asche stammt. Die Eruption war eigentlich im heutigen Idaho, aber die Erdkruste hat sich in den letzten Millionen Jahren verschoben, so ungefähr 2,5 Zentimeter pro Jahr. Deswegen ist der Hotspot jetzt unter Wyoming. Und der hat 'ne fruchtbare Vulkanebene hinterlassen, ideal für Kartoffelanbau. Die Geologen sagen immer, in zwei Millionen Jahren produziert Yellowstone Pommes für McDonald's, und die Leute in Billings, Montana, tanzen um die Geysire.
Bei der letzten Yellowstone-Eruption wurde Asche über 19 Bundesstaaten verteilt, plus Teile von Kanada und Mexiko. Fast der ganze Westen der USA war betroffen. Und das ist das Kornkammer der USA, da wird fast die Hälfte des Getreides angebaut. Und die Asche, die schmilzt nicht einfach so wie Schnee im Frühling. Die muss man wegräumen. Und, äh, nach dem 11. September haben tausende Arbeiter acht Monate gebraucht, um 180.000 Tonnen Schutt vom World Trade Center wegzuräumen, das war 'ne Fläche von 6,5 Hektar. Stell dir mal vor, wie lange das in Kansas dauern würde.
Und wir haben noch gar nicht über die Auswirkungen aufs Klima gesprochen. Die letzte Supervulkan-Eruption der Welt war der Toba auf Sumatra, vor 74.000 Jahren. Keiner weiß genau, wie stark die war, aber sie war verdammt heftig. Eisbohrkerne aus Grönland zeigen, dass es danach mindestens sechs Jahre lang 'nen "vulkanischen Winter" gab, und wer weiß, wie viele schlechte Wachstumsperioden danach noch kamen. Man glaubt, dass diese Eruption die Menschheit fast ausgerottet hat, es gab vielleicht nur noch ein paar Tausend Menschen auf der Welt. Das würde auch erklären, warum wir so wenig genetische Vielfalt haben. Auf jeden Fall gibt's Beweise dafür, dass die Weltbevölkerung in den nächsten 20.000 Jahren nie über ein paar Tausend lag. Es dauert halt 'ne Weile, sich von so 'ner Eruption zu erholen.
Das ist alles total interessant, aber halt nur Theorie. Bis 1973 was Seltsames passiert ist: Der Yellowstone Lake, der See im Zentrum des Parks, der ist plötzlich übergelaufen und hat 'ne Wiese überschwemmt. Gleichzeitig ist das Wasser am anderen Ende des Sees auf mysteriöse Weise verschwunden. Die Geologen haben das gecheckt und festgestellt, dass sich ein großes Gebiet im Park angehoben hat. So wie wenn man an einem Planschbecken für Kinder eine Seite hochhebt, dann läuft das Wasser auf der anderen Seite raus. Bis 1984 hat sich das ganze Zentrum des Parks, also über 100 Quadratkilometer, mehr als 'nen Meter angehoben, seit der letzten Vermessung von 1924. Und dann, 1985, ist das Gebiet wieder um 20 Zentimeter abgesunken. Und jetzt scheint es sich wieder anzuheben.
Die Geologen sagen, das kann nur eins bedeuten: Da ist 'ne aktive Magmakammer. Yellowstone ist kein alter Supervulkan, sondern ein aktiver Vulkan. Und ungefähr zu der Zeit haben sie auch rausgefunden, dass Yellowstone ungefähr alle 600.000 Jahre 'ne große Eruption hat. Die letzte war vor 630.000 Jahren. Yellowstone scheint also mal wieder fällig zu sein.
"Ich glaub' zwar nicht, dass was passiert, aber Sie stehen gerade auf dem größten aktiven Vulkan der Welt", hat Paul Doss zu mir gesagt, der Geologe vom Yellowstone Nationalpark. Wir haben uns an 'nem schönen Morgen im Juni getroffen, er kam gerade von 'ner Harley Davidson und wir haben uns die Hand gegeben. Doss kommt aus Indiana, ist 'n netter, ruhiger Typ, sieht nicht aus wie vom Park Service. Er hat graue Haare, trägt 'nen Zopf, und 'nen kleinen Saphir-Ohrring. Die Park Ranger-Uniform ist ein bisschen eng. Er sieht eher aus wie ein Bluesmusiker. Und das ist er auch (er spielt Glasharmonika!). Aber er kennt sich mit Geologie aus und liebt sie. "Das ist der beste Ort der Welt für Geologie", sagte er, und wir sind in 'nen alten Geländewagen gestiegen und sind zum Old Faithful gefahren. Er hat mir versprochen, dass ich ihn 'nen Tag begleiten darf, um zu sehen, was er als Park-Geologe so macht. Der erste Job war 'ne Einführung für 'ne neue Gruppe von Parkführern.
Ich muss ja nicht sagen, Yellowstone ist 'n wunderschöner Ort, mit Bergen, Büffelherden, Bächen, Seen, Wildtieren. "Wenn man Geologe ist, ist das der beste Arbeitsplatz", sagte Doss. "Am Beartooth Pass gibt's fast 3 Milliarden Jahre alte Steine, das ist fast die ganze Erdgeschichte, und hier sind die Mineralquellen", sagte er und zeigte auf die heißen Quellen, die Mammoth Hot Springs. "Hier kann man sehen, wie Steine entstehen. Alles dazwischen auch. Ich hab' noch nie 'nen Ort gesehen, wo die Geologie so offensichtlich oder so schön ist."
"Sie mögen den Ort also?", hab ich gefragt.
"Ich mag ihn nicht, ich liebe ihn", hat er gesagt. "Ich meine, ich liebe diesen Ort wirklich. Die Winter sind kalt, das Gehalt ist nicht so toll, aber wenn's gut läuft, dann..."
Er hat nicht weitergeredet, sondern nach Westen gezeigt. In den Bergen war 'ne Lücke, die gerade so über 'nen Hügel schaute. Er sagte, das sei das Gallatin Range Gebirge. "Diese Lücke ist ungefähr 100 Kilometer breit. Lange wusste keiner, warum da so 'ne Lücke ist. Dann hat Bob Christiansen gesagt, das muss aus den Bergen rausgesprengt worden sein. Um so 'ne Lücke zu sprengen, braucht man 'n verdammt großes Ereignis. Christiansen hat sechs Jahre gebraucht, um das rauszufinden."
Ich hab' ihn gefragt, was denn eigentlich die Eruptionen in Yellowstone auslöst.
"Keine Ahnung. Niemand weiß das. Vulkane sind komisch. Wir verstehen die nicht wirklich. Der Vesuv in Italien war über 300 Jahre aktiv, ist 1944 ausgebrochen und hat dann aufgehört. Seitdem ist der Vesuv ruhig. Manche Vulkanologen glauben, dass er gerade wieder Energie auflädt. Das ist 'n bisschen beunruhigend, weil am Vesuv und drumherum 2 Millionen Menschen leben. Aber keiner weiß es genau."
"Wenn Yellowstone ausbrechen würde, wie viel Vorwarnzeit gäbe es?"
Er hat mit den Schultern gezuckt: "Wir waren beim letzten Ausbruch nicht dabei, also weiß keiner, was die Warnzeichen sind. Wahrscheinlich 'ne Reihe von Erdbeben, der Boden würde sich anheben, die Geysire und Fumarolen würden sich verändern, aber sicher ist sich keiner."
"Also könnte er auch ohne Vorwarnung ausbrechen?"
Er hat nachdenklich genickt. Das Problem sei, dass fast alles, was 'n Warnzeichen sein könnte, in Yellowstone eh schon passiert. "Normalerweise sind Erdbeben 'n Vorbote für Vulkanausbrüche, aber im Park gibt's ständig Erdbeben. Letztes Jahr waren's 1260. Die meisten sind schwach, aber es sind halt Erdbeben."
Und Änderungen bei den Geysiren könnten auch 'n Zeichen sein, aber die Geysire sind so unberechenbar. Der Excelsior Geyser war mal der berühmteste Geysir im Park. Der hat regelmäßig und spektakulär bis zu 100 Meter hoch gesprüht, aber 1888 hat er plötzlich aufgehört. Dann, 1985, hat er wieder angefangen, aber nur noch 25 Meter hoch. Der Steamboat Geyser ist der größte Geysir der Welt, der kann bis zu 120 Meter hoch sprühen, aber die Abstände zwischen den Eruptionen können vier Tage oder 50 Jahre sein. "Wenn der heute sprüht und nächste Woche wieder, heißt das noch lange nicht, dass er übernächste Woche oder in 20 Jahren auch sprüht", sagte Doss. "Der ganze Park ist so unberechenbar, dass man aus nix 'ne Schlussfolgerung ziehen kann."
Die Evakuierung von Yellowstone wäre auch nicht einfach. Der Park zieht jedes Jahr ungefähr 3 Millionen Touristen an, vor allem in den drei Sommermonaten. Die Straßen im Park sind schmal, damit die Autos nicht so schnell fahren, damit die Natur geschützt wird und weil das Gelände schwierig ist. Im Sommer kann man locker 'nen halben Tag für die Durchfahrt brauchen und Stunden, um irgendwo hinzukommen. "Die Leute halten überall an, wenn sie Tiere sehen", sagte Doss. "Wir haben Bären, Büffel, Wölfe."
Im Herbst 2000 haben sich Vertreter des U.S. Geological Survey, des National Park Service und ein paar Wissenschaftler getroffen und das Yellowstone Volcano Observatory gegründet. Solche Einrichtungen gibt's schon in Hawaii, Kalifornien, Alaska und Washington. Aber ausgerechnet in dem größten Vulkangebiet der Welt gab's das nicht. Das Yellowstone Volcano Observatory ist eher 'ne Absichtserklärung, 'ne Vereinbarung, dass alle zusammenarbeiten, um die geologischen Gegebenheiten im Park zu untersuchen. Doss sagte, eine der ersten Aufgaben sei ein "Earthquake and Volcanic Eruption Contingency Plan", also ein Notfallplan für den Ernstfall.
"Gibt's den schon?", hab ich gefragt.
"Nö. Noch nicht. Aber bald."
"Ist das nicht 'n bisschen spät?"
Er hat gelächelt: "Sagen wir's mal so, es ist noch nicht zu spät."
Der Plan sieht so aus: Drei Leute, Christiansen aus Kalifornien, Robert B. Smith von der University of Utah und Doss vom Park, die beurteilen, wie groß die Gefahr ist, und geben dann dem Park Superintendent 'ne Empfehlung. Der Superintendent entscheidet dann, ob der Park evakuiert werden muss. Für die Umgebung gibt's keinen Plan. Sobald man aus dem Park raus ist, muss man sich selber helfen. Aber wenn Yellowstone richtig ausbricht, dann bringt der Plan eh nicht viel.
Aber vielleicht dauert's ja noch tausende oder Millionen Jahre, bis es so weit ist. Doss glaubt, dass es gar nicht mehr so weit kommt. "Weil es in der Vergangenheit 'n Muster gab, heißt das nicht, dass das Muster heute noch gilt", sagte er. "Es gibt Anzeichen dafür, dass das Muster vielleicht 'ne Reihe von katastrophalen Eruptionen war, gefolgt von langen Ruhephasen. Vielleicht sind wir jetzt in so 'ner Ruhephase. Die Anzeichen deuten darauf hin, dass der Großteil der Magmakammer abkühlt und kristallisiert. Es entweicht Gas, aber man muss das Gas festhalten, um 'ne große Eruption zu kriegen."
In der Zwischenzeit gibt's in Yellowstone und Umgebung noch genug andere Gefahren. Das wurde am 17. August 1959 besonders deutlich. In der Nähe des Hebgen Lake, direkt vor dem Park, gab's 'n katastrophales Erdbeben. Die Stärke war 7,5. Das Erdbeben hat nicht so viel Fläche betroffen, aber es kam plötzlich und heftig, und es hat 'nen ganzen Berghang zum Einsturz gebracht. Das war mitten in der Sommersaison. Zum Glück waren damals noch nicht so viele Leute in Yellowstone wie heute. 80 Millionen Tonnen Fels sind mit 160 Kilometern pro Stunde vom Berg gestürzt, und die Wucht war so groß, dass die Felsmasse am Ende 120 Meter hoch an der gegenüberliegenden Bergseite hochkletterte. Ein Teil des Rock Creek Campground lag im Weg. 28 Camper sind gestorben, 19 wurden so tief verschüttet, dass sie nie gefunden wurden. Die Katastrophe kam schnell und unvorhersehbar. Drei Brüder haben in einem Zelt überlebt, ihre Eltern im Zelt daneben wurden weggerissen.
"Ein großes Erdbeben, ich meine ein richtig großes, das kommt irgendwann", sagte Doss. "Das kann ich Ihnen versichern. Das hier ist 'n großes Bruchgebiet, da gibt's viele Erdbeben."
Trotz des Hebgen Lake-Erdbebens und anderer Gefahren gab's erst in den 70er Jahren permanente Seismographen in Yellowstone.
Wenn man die Macht und die Gnadenlosigkeit geologischer Prozesse sehen will, dann gibt's kaum was Besseres als die Teton Range. Die ist südlich von Yellowstone, schroff und steil. Vor 9 Millionen Jahren gab's die Teton Range noch gar nicht. Das Land um Jackson Hole war 'ne grasbewachsene Ebene. Aber dann ist da 'ne 64 Kilometer lange Verwerfung entstanden, und seitdem gibt's ungefähr alle 900 Jahre 'n großes Erdbeben, das die Teton Range um 2 Meter anhebt. Durch dieses ständige Zittern in den letzten Millionen Jahren ist sie jetzt stolze 2000 Meter hoch.
900 Jahre ist 'n Durchschnittswert, und der kann täuschen. Robert B. Smith und Lee J. Siegel schreiben in ihrem Buch "Windows into the Earth", einer Geologiegeschichte der Region, dass das letzte große Erdbeben in der Teton Range vor 5000 bis 7000 Jahren stattfand. Die Teton Range ist also einer der Erdbeben gefährdetsten Orte auf der Welt.
Hydrothermale Eruptionen sind auch 'ne große Gefahr. Die können jederzeit und überall passieren und sind völlig unvorhersehbar. "Man muss sich vorstellen, wir bringen die Touristen auf den Routen zu den heißen Quellen", sagte Doss, nachdem wir den Old Faithful gesehen haben. "Die wollen das ja sehen. Wussten Sie, dass es in Yellowstone mehr Geysire und heiße Quellen gibt als im Rest der Welt zusammen?"
"Nee, das wusste ich nicht."
Er nickte: "10.000 Stück, und keiner weiß, wann 'ne neue Fumarole entsteht."
Wir sind zu 'nem Ort namens Duck Lake gefahren, das ist 'ne 200 Meter breite Wasserfläche. "Oberflächlich sieht das hier harmlos aus", sagte er. "Ist halt 'n großer Teich. Aber diesen Krater gab's hier früher nicht. Vor 15.000 Jahren gab's hier 'ne große Eruption. Millionen Tonnen Erde und Fels und heißes Wasser sind mit Überschallgeschwindigkeit hochgeflogen. Man kann sich vorstellen, was passiert, wenn das auf dem Parkplatz vom Old Faithful oder in 'nem Besucherzentrum passiert." Er hat 'n bedrücktes Gesicht gemacht.
"Gibt's da 'ne Warnung?"
"Wahrscheinlich nicht. Die letzte große Eruption im Park war 1989, am Porkchop Geyser. Da ist 'n Krater von ungefähr 5 Metern entstanden. Nicht so groß, aber wenn man da gestanden hätte, wäre er riesig gewesen. Zum Glück war keiner da, also ist nix passiert, aber das kam ohne Vorwarnung. In grauer Vorzeit haben manche Eruptionen Krater von 1,5 Kilometern Durchmesser hinterlassen. Keiner weiß, wo oder wann das wieder passiert. Man kann nur hoffen, dass man nicht da steht."
Große Felsstürze sind auch 'ne Gefahr. 1999 gab's 'n großen Felssturz im Gardiner Canyon, zum Glück ist nix passiert. Am späten Nachmittag sind Doss und ich an 'ner Stelle angehalten, wo 'n Fels über 'ner Straße hing. Der Riss war deutlich zu sehen. "Der könnte jederzeit runterkommen", sagte Doss nachdenklich.
"Sie machen Witze?", hab ich gesagt. Da fahren fast im Minutentakt Autos vorbei, voll mit fröhlichen Campern.
"Ach, das ist unwahrscheinlich", sagte er. "Der kann noch Jahrzehnte halten. Man weiß es nicht. Die Leute müssen halt akzeptieren, dass es 'n Risiko ist, hierher zu kommen. So ist das."
Wir sind zurück zu seinem Auto gegangen, um nach Mammoth Hot Springs zu fahren. Er sagte: "Das Problem ist, dass die meiste Zeit nix passiert. Der Fels kommt nicht runter, es gibt kein Erdbeben, 'ne neue Fumarole entsteht nicht. Obwohl es unter der Erde so instabil ist, geht meistens alles gut."
"So wie auf der Erde insgesamt", hab ich gesagt.
"Genau", hat er zugestimmt.
Yellowstone ist gefährlich für Touristen und auch für Parkmitarbeiter. Doss hatte das schon in seiner ersten Woche gemerkt, als er herkam. Drei junge Saisonarbeiter haben was Illegales gemacht, "Hot Potting", also in heißen Quellen gebadet. Der Park hat das aus offensichtlichen Gründen nicht öffentlich gemacht, aber nicht alle Becken in Yellowstone sind kochend heiß. Manche sind so angenehm, dass manche Saisonarbeiter nachts heimlich baden gehen, obwohl das verboten ist. Die drei waren so blöd, keine Taschenlampe mitzunehmen. Das ist extrem gefährlich, weil der Boden um die Becken herum dünn ist, und man leicht in 'ne heiße Fumarole fallen kann. Auf dem Rückweg zu ihrem Wohnheim mussten sie 'nen Bach überqueren, über den sie vorher springen mussten. Sie haben sich an den Händen gefasst, bis drei gezählt und sind losgerannt. Aber das war kein Bach, sondern 'n kochendes Becken. Im Dunkeln haben sie sich nicht orientiert. Keiner der drei hat überlebt.
Am nächsten Morgen, auf dem Weg aus dem Park, hab ich darüber nachgedacht und hab noch kurz den Emerald Pool besichtigt. Der ist im Upper Geyser Basin. Doss hatte am Tag davor keine Zeit gehabt, mich dorthin zu bringen, aber ich wollte ihn mir wenigstens ansehen, weil der Emerald Pool 'n historischer Ort ist.
1965 hat 'n Ehepaar von Biologen, Thomas Brock und seine Frau Louise, im Sommer was Unglaubliches gemacht. Sie haben am Ufer 'n bisschen braungelben Schaum abgeschöpft und mitgenommen, um ihn zu untersuchen. Zu ihrer Überraschung, und später zur Überraschung der ganzen Welt, war er voll mit lebenden Mikroorganismen. Sie haben die ersten Extremophilen der Welt entdeckt, also Mikroorganismen, die in Wasser leben können, das eigentlich zu heiß, zu sauer oder zu schwefelhaltig ist, um Leben zu ermöglichen. Unglaublicherweise gab's im Emerald Pool all diese Bedingungen, aber mindestens zwei Mikroorganismen fanden's dort gemütlich. Sie wurden später Sulfolobus acidocaldarius und Thermus aquaticus genannt. Früher glaubte man, dass nix über 50 Grad Celsius überleben kann, aber diese Mikroorganismen lebten in stinkendem, saurem Wasser mit fast doppelter Temperatur.
Fast 20 Jahre lang war einer der beiden Mikroorganismen von den Brocks, Thermus aquaticus, 'n Schatz in Laboren, bis 'n Wissenschaftler namens Kary B. Mullis in Kalifornien herausfand, dass das hitzebeständige Enzym dafür benutzt werden kann, um 'ne chemische Magie zu veranstalten, die Polymerase-Kettenreaktion. Wissenschaftler konnten damit aus winzigen Mengen, im Idealfall sogar aus einem einzigen Molekül, riesige Mengen an DNA erzeugen. Diese Methode, um Gene zu kopieren, wurde zur Grundlage der Genetik, sowohl für die Forschung als auch für die forensische Arbeit der Polizei. Mullis hat dafür 1993 den Nobelpreis für Chemie bekommen.
In der Zwischenzeit haben Wissenschaftler immer hitzebeständigere Mikroorganismen entdeckt. Die nennt man jetzt Hyperthermophile, die brauchen Temperaturen über 80 Grad Celsius. Frances Ashcroft schreibt in ihrem Buch "Life at the Extreme", dass die bisher hitzebeständigsten Mikroorganismen Pyrolobus fumarii sind, die in den Wänden von Meeres-Vulkanen leben, wo es 113 Grad Celsius heiß ist. Die Grenze für Leben liegt wohl bei 120 Grad Celsius, aber keiner weiß das genau. Auf jeden Fall haben die Entdeckungen der Brocks unser Bild vom Leben komplett verändert. Der NASA-Wissenschaftler Jay Bergstralh hat gesagt: "Wo auch immer wir auf der Erde hinkommen, selbst an Orte, die scheinbar lebensfeindlich sind, solange es flüssiges Wasser und irgendeine Form von chemischer Energie gibt, finden wir Leben."
Leben ist viel schlauer und anpassungsfähiger, als wir dachten. Und das ist auch gut so, denn die Welt, in der wir leben, will uns scheinbar nicht unbedingt hier haben.