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Also, was geht's denn so? Also, ähm, ich wollte euch heute mal über ein... ja, ein spannendes Thema erzählen, nämlich über Unsicherheit. Und zwar, ähm, nicht so die alltägliche Unsicherheit, sondern eher so, wie Technologie und Fortschritt unsere Wahrnehmung von Kontrolle und Unsicherheit verändern.
Also, das Ganze hat so ein bisschen, äh, mit diesem Zitat von Blaise Pascal angefangen: "Il n'est pas certain que tout soit incertain." Also, "Es ist nicht sicher, dass alles unsicher ist." Klingt erstmal kompliziert, aber im Grunde geht's darum, dass wir immer versuchen, Unsicherheit zu vermeiden oder zu kontrollieren.
Früher war das ja alles viel einfacher, oder? Also, ich mein, als ich noch meinen alten VW hatte, da konnte ich, wenn der mal gehakt hat, einfach die Motorhaube aufmachen und gucken, wo's klemmt. Heutzutage, wenn mein Auto plötzlich auf der Straße stehen bleibt, bin ich total aufgeschmissen. Da muss ich in die Werkstatt, und da "repariert" dann jemand die Software. Ich kann das Auto natürlich noch fahren, aber ich hab keine Ahnung, was da eigentlich genau passiert. Und so geht's ja mit allem, oder? Zahnbürste, Fernseher, sogar die Türklingel. Alles Software, und wir können's nicht mehr reparieren, wenn's kaputt geht.
Wir können halt nur kontrollieren, was wir verstehen, aber die Algorithmen, die mein Auto zum Bremsen bringen, wenn ich fast einen Unfall baue, oder die mir 'ne Nachricht aufs Handy schicken, wenn jemand vor der Tür steht, die versteh ich halt nicht. Und dadurch, dass Kontrolle immer mehr durch Einfluss ersetzt wird, fühlt sich die Welt irgendwie unsicherer an. Das ist so ein bisschen wie so'ne Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt. Wir versuchen, Unsicherheit zu beseitigen, und dabei erschaffen wir neue Unsicherheiten.
Und diese neuen Unsicherheiten, die sind oft viel schlimmer, weil wir gar nicht wissen, was die Konsequenzen sind.
Nehmen wir mal den Finanzmarkt. Früher, da standen die Leute auf dem Parkett und haben geschrien und telefoniert. Heute sitzt da fast keiner mehr. Die Algorithmen machen das Trading. Die sind leiser, machen keine Fehler und sind viel schneller. Aber diese Algorithmen verändern auch die Art der Unsicherheit. Sie nehmen vielleicht Unsicherheit auf einer Ebene weg, aber sie bringen sie auf einer anderen Ebene wieder rein, und zwar verstärkt. Die traden irgendwie mit der fünften Nachkommastelle, wo's eigentlich nur noch Zufall und Rauschen gibt. Das ist so schnell und so komplex, dass kein Mensch das mehr verstehen kann.
Aber gut, es gab auch Zeiten, in denen die Menschen Unsicherheit erfolgreich bekämpft haben. Zum Beispiel Angkor, die Hauptstadt des alten Khmer-Reichs. Die haben im 9. Jahrhundert ein riesiges Wassermanagement-System gebaut, größer als Berlin. Damit hatten die genug Wasser für eine Million Menschen, auch in trockenen Jahren. Aber genau dieses System war dann auch der Grund für den Untergang der Stadt. Es war so effizient, dass es keine Reserven mehr gab. Als sich dann das Monsun-Muster verändert hat, ist das ganze System zusammengebrochen, und die Leute hatten keine Ahnung, was sie machen sollen. Sie hatten einfach vergessen, wie man mit Wassermangel umgeht.
Das ist ja das Problem, oder? Wenn wir Unsicherheit komplett ausschalten, verlernen wir, damit umzugehen. Wenn du regelmäßig in einem kleinen Pool schwimmst, hast du keine Angst vor dem Ozean. Aber wenn du fast nie ins Wasser gehst, macht dich schon ein kleiner Teich nervös. Deswegen ist es manchmal gut, ein bisschen Chaos in ein System einzubauen, um es widerstandsfähiger zu machen.
Netflix hat das mal gemacht. Die haben so ein Tool entwickelt, das "Chaos Monkey" heißt. Der "Chaos Monkey" hat in ihrem Rechenzentrum einfach mal so ein bisschen rumgewütet und Fehler simuliert. Damit wollten sie herausfinden, wo die Schwachstellen in ihrem System sind, und automatische Reparaturmechanismen entwickeln. So nach dem Motto: Wenn dann mal nachts um drei ein Server ausfällt, merken wir das gar nicht.
Und das hat zwei Vorteile: Erstens, das System wird robuster. Und zweitens, man fühlt sich sicherer, weil man weiß, dass man auf den schlimmsten Fall vorbereitet ist.
Ein Bekannter von mir, der BB, hat auch so was ähnliches gemacht. Sein Team hat KI in einen Service integriert, der vorher immer wieder Fehler hatte. Die KI hat alles super gemacht, aber eines Tages ist das System abgestürzt, und keiner wusste mehr, wie man es repariert. Die hatten einfach verlernt, den Code zu fixen. Danach hat BB dann regelmäßig absichtlich Fehler eingebaut, damit das Team nicht die Fähigkeit verliert, damit umzugehen.
Man kann sich ja nie auf die Zukunft vorbereiten, indem man annimmt, dass sie genauso sein wird wie die Vergangenheit. Sondern man muss lernen, wie man auf Unsicherheit reagiert. Und das geht am besten, indem man sich regelmäßig ein bisschen Chaos aussetzt.
Und das mit der Unsicherheit ist halt auch so 'ne Sache. Wir mögen das ja gar nicht, ne? Unsere innere Unruhe mag das nicht. Aber, wenn wir uns dem aussetzen, können wir, glaub ich, mental effizienter sein in dieser komplexen Welt. Ein Gefühl von Kontrolle kann auch helfen, die Angst vor Unsicherheit zu reduzieren, selbst wenn diese Kontrolle in einem ganz anderen Bereich liegt. Deswegen haben Organisationen, in denen es viel Unsicherheit gibt, oft sehr strenge Regeln und Verhaltensweisen. Im Militär zum Beispiel, da gibt es eine klare Hierarchie und hohe Erwartungen an die persönliche Disziplin. Wenn du dein Bett perfekt machst und deine Stiefel putzt, verringert das nicht die Wahrscheinlichkeit, dass du morgen auf eine Mine trittst, aber es gibt dir das Gefühl, mehr Kontrolle zu haben.
Was ich aber so mitgenommen habe, es gibt halt zwei Möglichkeiten, wie man mit Unsicherheit umgehen kann: Selbstkontrolle trainieren und Rituale nutzen.
Selbstkontrolle trainieren, zum Beispiel. In einem Buch, das ich gelesen habe, ging es darum, dass unsere Wahrnehmung von Stress davon abhängt, wie stark unsere Reaktion darauf ist. Wenn wir ruhig bleiben können, empfinden wir weniger Stress. Also ist es gut, Selbstkontrolle zu trainieren. Und das geht halt, indem man sich immer wieder beängstigenden Situationen aussetzt, um besser damit umzugehen.
Ein Beispiel dafür sind Wingsuit-Basejumper. Das ist ja eigentlich der Wahnsinn, was die da machen. Die "fliegen" mit so einem Anzug durch die Luft und müssen jede Bewegung genau kontrollieren, weil der kleinste Fehler tödlich sein kann. Aber Jeb Corliss, einer von den ganz Großen, hat gesagt, dass er das nicht macht, weil er mutig ist, sondern weil er seine Angst besiegen will. Der hat schon als Kind angefangen, sich seinen Ängsten zu stellen, zum Beispiel Schlangen. Er hat sich gezwungen, seine Angst zu überwinden. Und das hat ihm dann auch beim Basejumping geholfen.
Oder die Navy Seals. Die machen das auch so. Die setzen ihre Leute immer wieder furchterregenden Situationen aus, damit sie lernen, ihre Reaktion zu kontrollieren. Zum Beispiel bei so einem Unterwasser-Test, wo sie 20 Minuten unter Wasser bleiben müssen und ein Ausbilder versucht, ihre Atemgeräte zu sabotieren.
Das Wichtige ist, dass man lernt, in solchen Situationen ruhig zu bleiben und sich nicht von der Angst überwältigen zu lassen.
Also, ein anderer Punkt war: Rituale. Abergläubische Rituale. Superstitions, wie die Engländer sagen. Das kann auch helfen. Die reduzieren deine Unsicherheit, äh, psychologisch.
Wenn du dir mal überlegst, wie viel Unsicherheit du an einem Tag hast, kannst du die ja in kontrollierbare und unkontrollierbare aufteilen. Ein Aberglaube ist einfach der Glaube, dass bestimmte Ereignisse von Kräften verursacht werden, die außerhalb deiner Kontrolle liegen. Wenn du nicht abergläubisch bist, trägst du die ganze Last auf deinen Schultern. Aber wenn du an Aberglaube glaubst, kannst du die unkontrollierbare Last an diese unsichtbaren Kräfte delegieren.
Wenn du dich über ein Ereignis in der Vergangenheit oder in der Zukunft sorgst, versucht dein Gehirn herauszufinden, warum es passiert ist oder was man tun kann, um es zu verhindern. Wenn du dich selbst davon überzeugst, dass das Ereignis völlig außerhalb deiner Hände liegt, wird dein Gehirn weniger Zeit damit verschwenden, es zu beeinflussen. Der ultimative Effekt der Delegierung unkontrollierbarer Unsicherheit ist, dass sie deine Aufmerksamkeit davon ablenkt. Dadurch bist du weniger abgelenkt, du kannst nachts besser schlafen und du bist tagsüber leistungsfähiger.
Also, wenn du nicht so der abergläubische Typ bist, können dir Rituale ein ähnliches Gefühl der Kontrolle über das Unkontrollierbare geben. Rafael Nadal, der Tennisspieler, hat ja so ein ganz bestimmtes Ritual vor jedem Aufschlag. Der wischt mit dem Fuß über die Grundlinie, entfernt den Dreck von seinen Schuhen, zupft an seinem Shirt, fasst sich an die Nase und an die Haare. Das ist immer die gleiche Abfolge. Und das gibt ihm ein Gefühl der Kontrolle. Er muss nicht glauben, dass das Ritual ihn besser macht, sondern das Gefühl der Kontrolle kommt von der Konsistenz, von der immer gleichen Handlung.
Ja, das war's eigentlich schon. Ich hoffe, ihr fandet das interessant. Und vielleicht hilft's ja dem einen oder anderen, besser mit Unsicherheit umzugehen. Bis zum nächsten Mal! Tschüss!