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Okay, also, äh, ja, hallo erstmal! Ich wollte mal so ein bisschen über die Welt der kleinen Lebewesen quatschen, ne? Also, Bakterien und so.
Weißt du, man sollte sich vielleicht nicht so verrückt machen wegen der ganzen Mikroben, die so um uns rumschwirren. Es gab da so einen französischen Chemiker und Mikrobiologen, Louis Pasteur, der war so penibel, dass er jedes Essen erstmal mit der Lupe untersucht hat. Kannste dir vorstellen, da laden dich irgendwann keine Leute mehr zum Essen ein, ne?
Aber eigentlich, ganz ehrlich, musst du jetzt auch nicht panisch vor Bakterien weglaufen. Die sind halt einfach da, überall. Und zwar in Mengen, die du dir gar nicht vorstellen kannst. Selbst wenn du total gesund bist und auf Hygiene achtest, da krabbeln so ungefähr eine Billion Bakterien auf deiner Haut rum. Pro Quadratzentimeter, da sind so 100.000 von den kleinen Viechern, die mampfen da deine Hautschuppen – so zehn Milliarden Stück am Tag, die du so abwirfst. Und dann noch die ganzen Öle und Mineralien, die aus deinen Poren kommen, lecker! Für die ist das wie so ein riesiges Buffet, warm, gemütlich und mobil. Und als Dankeschön bekommst du dann Körpergeruch. Super, ne?
Aber das ist ja nur die Haut. Da sind noch Trillionen von Bakterien in deinem Darm, in deiner Nase, kleben an deinen Haaren, schwimmen auf deinen Augen, bohren sich in dein Zahnfleisch. Allein dein Verdauungssystem, das ist die reinste WG für über 100 Billionen Bakterien, mindestens 400 verschiedene Arten. Manche zerlegen Zucker, andere kümmern sich um Stärke, wieder andere greifen andere Bakterien an. Und viele machen einfach gar nichts, wie diese Spirillen im Darm. Die chillen einfach nur mit dir. Jeder Mensch besteht aus ungefähr 100 Billionen Zellen, aber beherbergt so ungefähr 1000 Billionen Bakterienzellen. Also, Bakterien sind ein riesiger Teil von uns. Wobei, aus deren Sicht sind wir natürlich nur ein winziger Teil von ihnen, ist ja klar.
Wir Menschen, wir sind ja so groß, so schlau, können Antibiotika herstellen und Desinfektionsmittel benutzen. Da denkt man ja schnell, man könnte die Bakterien ausrotten. Aber vergiss es! Die bauen vielleicht keine Städte und haben kein aufregendes Sozialleben, aber die sind noch da, wenn die Sonne explodiert. Das ist deren Planet, und wir sind hier, weil die uns das erlauben, ganz einfach.
Vergiss das nicht, die Bakterien haben Milliarden von Jahren ohne uns gelebt. Aber ohne die würden wir keinen Tag überleben. Die kümmern sich um unseren Müll, recyceln den, ohne die würde nichts verrotten. Die reinigen unser Wasser, machen unsere Böden fruchtbar. Die produzieren Vitamine in unserem Darm, wandeln unser Essen in Zucker um und bekämpfen fremde Bakterien, die da so reinkommen.
Wir sind komplett abhängig von denen, die den Stickstoff aus der Luft holen und in Nucleotide und Aminosäuren umwandeln. Ist doch irre, oder? In der Industrie, um das gleiche zu machen, also Dünger herzustellen, da muss man die Rohstoffe auf 500 Grad erhitzen und mit dem 300-fachen Atmosphärendruck zusammenpressen. Und die Bakterien, die machen das ganz entspannt nebenbei. Gott sei Dank, ohne die würden wir ja alle ersticken! Und die liefern uns auch den Sauerstoff zum Atmen und halten die Atmosphäre stabil.
Und dann vermehren die sich auch noch wie verrückt. Manche, die legen in weniger als zehn Minuten eine neue Generation hin. Und die, die so Wundbrand verursachen, "Clostridium perfringens", die teilen sich alle neun Minuten! Wenn die so weitermachen würden, dann gäbe es in zwei Tagen mehr Bakterien als Protonen im Universum. Ein Bakterium kann, wenn es genug zu futtern hat, am Tag 280 Billionen Nachkommen produzieren. Eine menschliche Zelle teilt sich in der gleichen Zeit ungefähr einmal.
So ungefähr alle Million Teilungen gibt es dann eine Mutation. Meistens ist das schlecht für die Mutation, aber manchmal hat so ein neues Bakterium dann einen Vorteil, zum Beispiel Resistenzen gegen Antibiotika. Und dann geht's erst richtig los. Bakterien können Infos austauschen, jedes Bakterium kann von jedem anderen irgendwelche genetischen Codes abgreifen. Alle Bakterien schwimmen im gleichen Genpool. Wenn irgendwo eine Anpassung stattfindet, dann verbreitet sich das rasend schnell. Stell dir vor, du könntest von einer Fliege die Gene zum Fliegen klauen. Genetisch gesehen sind Bakterien wie so ein Superorganismus: klein, verteilt, aber unbesiegbar.
Egal was du irgendwohin spuckst, kippst oder tropfst, Bakterien können fast überall leben und sich vermehren. Ein bisschen Feuchtigkeit reicht, und schon wachsen die wie aus dem Nichts. Die fressen sich durch Holz, durch Klebstoff, durch Lack. Australische Forscher haben Bakterien gefunden, die in konzentrierter Schwefelsäure leben, die so ätzend ist, dass sie Metalle auflöst. Und die brauchen die Säure sogar zum Überleben. Und es gibt Bakterien, die fühlen sich in Atomreaktoren pudelwohl und knabbern da an Plutonium und anderen Resten. Manche Bakterien zersetzen Chemikalien, obwohl sie eigentlich gar nichts davon haben.
Und dann findest du Bakterien in kochenden Schlammtümpeln, in Ätzlauge, tief unter der Erde, am Meeresgrund, in der Antarktis und im Pazifik in 11 Kilometern Tiefe. Da ist der Druck 1000 Mal höher als an der Oberfläche. Manche sind echt unkaputtbar. Die "Deinococcus radiodurans" sind fast immun gegen Strahlung. Wenn man deren DNA bombardiert, dann setzen sich die Teile fast sofort wieder zusammen. Wie so ein Zombie in einem Horrorfilm.
Die widerstandsfähigsten sind vielleicht die Streptokokken. Die haben zwei Jahre in einer Kamera auf dem Mond überlebt und waren danach immer noch fit. Es gibt kaum eine Umgebung, in der Bakterien nicht überleben können.
In den 1920ern haben zwei Forscher Bakterien aus einer 600 Meter tiefen Ölquelle isoliert. Das wurde als totaler Quatsch abgetan, weil in der Tiefe nichts leben kann. Aber heute wissen wir, da gibt es riesige Mengen von Mikroorganismen, die mit der normalen organischen Welt gar nichts zu tun haben. Die fressen Steine, genauer gesagt das, was in Steinen drin ist: Eisen, Schwefel, Mangan und so weiter. Und die atmen auch komische Sachen: Eisen, Chrom, Kobalt, sogar Uran. Vielleicht haben die auch bei der Entstehung von Gold, Kupfer, Öl und Gas mitgeholfen. Und manche glauben sogar, dass die durch ihr ständiges Knabbern die Erdkruste erschaffen haben.
Manche Wissenschaftler glauben, dass unter unseren Füßen so ungefähr eine Billion Tonnen Bakterien leben. Das nennt man dann "Subsurface Lithoautotrophic Microbial Ecosystem", kurz SLiME. Wenn man alle Bakterien aus dem Erdinneren holen und auf die Oberfläche legen würde, dann wäre die Erde 15 Meter hoch bedeckt. Vier Stockwerke hoch! Wenn das stimmt, dann gibt es unter der Erde mehr Leben als über der Erde.
Tief in der Erde sind die Mikroben klein und faul. Die fleißigsten teilen sich vielleicht einmal im Jahrhundert, manche vielleicht nur alle 500 Jahre. Der Schlüssel zum langen Leben ist wohl Faulheit. Wenn die Bedingungen schlecht sind, dann fahren die alle Systeme runter und warten auf bessere Zeiten. Wissenschaftler haben Anthrax-Zellen, die 80 Jahre im Museum geschlummert haben, wieder zum Leben erweckt. Und in 118 Jahre alten Konserven und 166 Jahre altem Bier, da wurden auch Mikroben wieder munter. Russische Forscher haben Bakterien, die 3 Millionen Jahre im sibirischen Permafrost eingefroren waren, wieder zum Leben erweckt. Der Rekord liegt bei 250 Millionen Jahren. Da haben Forscher "Bacillus permians" zum Leben erweckt, die in einer Salzschicht in 600 Metern Tiefe in New Mexico gefangen waren. Wenn das stimmt, dann sind die Mikroben älter als die Kontinente.
Viele Leute zweifeln das aber an. Viele Biochemiker glauben, dass die Bestandteile der Bakterien in so langer Zeit kaputtgehen würden, es sei denn, die Bakterien wachen ab und zu mal auf. Aber selbst dann würde die Energie nicht so lange reichen. Und andere glauben, dass die Proben verunreinigt waren. Forscher haben herausgefunden, dass die "Bacillus permians" fast identisch mit modernen Bakterien sind. Zwischen den beiden gibt es nur zwei leicht unterschiedliche Gensequenzen.
Also, die Frage ist dann halt, ob man glauben soll, dass Bakterien in 250 Millionen Jahren so wenig genetische Veränderungen ansammeln, dass man das im Labor in drei bis sieben Tagen hinkriegen kann? Die Antwort ist natürlich, dass sich Bakterien im Labor schneller entwickeln als in der Natur.
Bis zum Weltraumzeitalter haben die meisten Schulbücher die Welt in Pflanzen und Tiere eingeteilt. Mikroben wurden kaum beachtet. Amöben und ähnliche Einzeller galten als primitive Tiere, Algen auch. Bakterien wurden oft mit Pflanzen verwechselt, obwohl jeder wusste, dass sie keine Pflanzen sind. Schon im 19. Jahrhundert hat der deutsche Naturforscher Ernst Haeckel vorgeschlagen, Bakterien in ein eigenes Reich einzuordnen, die "Moneren". Aber das wurde erst in den 1960ern akzeptiert, und auch nur von manchen.
Die traditionelle Klassifizierung hat auch bei vielen sichtbaren Mikroorganismen nicht funktioniert. Pilze, also Pilze, Schimmel, Hefe, die wurden fast immer als Pflanzen angesehen. Aber die haben fast nichts mit Pflanzen gemeinsam, weder die Fortpflanzung noch die Atmung noch das Wachstum. Die haben mehr mit Tieren gemeinsam, weil sie ihre Zellen aus Chitin aufbauen. Davon sind auch Insektenpanzer und Säugetierkrallen. Und Pilze betreiben keine Photosynthese, also haben sie kein Chlorophyll und sind nicht grün. Sondern die fressen einfach irgendwas. Pilze können Betonwände zersetzen oder das, was zwischen deinen Zehen gammelt. Das können Pflanzen nicht. Das einzige, was die mit Pflanzen gemeinsam haben, sind die Wurzeln.
Und dann gibt es noch die Schleimpilze, die auch nicht so recht in irgendeine Schublade passen. Wenn es denen gut geht, dann leben die als einzelne Zellen, wie Amöben. Wenn es aber schlecht wird, dann kriechen die zusammen und verwandeln sich in eine Schnecke. Die sieht nicht schön aus und bewegt sich nicht weit. Aber die verwandelt sich dann wieder und bildet ein Stielchen mit einer Knospe oben drauf, den Fruchtkörper. Da sind dann Millionen von Sporen drin. Und wenn der Zeitpunkt passt, dann fliegen die Sporen weg und werden wieder zu Einzellern.
Früher wurden Schleimpilze von Zoologen als Protozoen und von Mykologen als Pilze bezeichnet. Aber eigentlich gehören die zu gar keiner Gruppe so wirklich dazu. Und die DNA-Analyse hat ergeben, dass die so einzigartig sind, dass die mit nichts anderem in der Natur direkt verwandt sind.
Um die Klassifizierung mal aufzuräumen, hat ein Ökologe 1969 vorgeschlagen, die Lebewesen in fünf Reiche einzuteilen: Tiere, Pflanzen, Pilze, Protisten und Moneren. Die Protisten wurden schon früher von einem schottischen Biologen vorgeschlagen, um alles zu beschreiben, was keine Pflanze und kein Tier ist.
Aber so richtig eindeutig war das dann trotzdem nicht. Manche haben die Protisten für große Einzeller gehalten, andere haben da einfach alles reingeworfen, was sonst nirgends reinpasst. Da waren dann Schleimpilze, Amöben und sogar Algen drin. Insgesamt so ungefähr 200.000 verschiedene Lebewesen.
Und dann kam ein Wissenschaftler mit einer Entdeckung um die Ecke, die alles in Frage stellen sollte. Der hieß Carl Woese und hat sich mit der genetischen Konsistenz von Bakterien beschäftigt. Das war früher eine elende Arbeit. Da hat man für ein Bakterium schon mal ein Jahr gebraucht. Damals kannte man so ungefähr 500 Bakterienarten. Weniger als in deinem Mund rumschwimmen. Heute sind es ungefähr zehnmal so viele. Aber immer noch weniger als die Algen, Pilze und Amöben.
Die geringe Anzahl lag aber nicht nur an der mangelnden Aufmerksamkeit. Das Isolieren und Untersuchen war wahnsinnig schwierig. Nur ungefähr 1% ließ sich im Labor vermehren. Die meisten Bakterien legst du auf eine Agarplatte, und die bleiben einfach liegen. Die, die sich im Labor vermehren, sind eher die Ausnahme. Woese meinte, das ist, wie wenn man einen Zoo besucht, um etwas über Tiere zu lernen.
Aber dank der Genforschung konnte Woese die Mikroben anders untersuchen. Und der hat festgestellt, dass sich die Mikrobenwelt in noch grundlegendere Bereiche aufteilen lässt. Viele kleine Lebewesen sehen aus wie Bakterien und verhalten sich wie Bakterien, sind aber eigentlich was ganz anderes, was sich schon vor langer Zeit von den Bakterien getrennt hat. Woese nannte diese Mikroben "Archaeen".
Archaeen unterscheiden sich von Bakterien in so ziemlich allem, was Biologen begeistert. Meistens in den Fetten und darin, dass denen etwas namens Peptidoglycan fehlt. Aber das macht den Unterschied. Archaeen sind für Bakterien fremder als du und ich für Krebse oder Spinnen. Woese hat eine unbekannte grundlegende Lebensform entdeckt.
1976 hat er den Stammbaum des Lebens neu gezeichnet, mit nicht fünf, sondern 23 Hauptgruppen. Er teilte diese Gruppen in drei neue Kategorien ein: Bakterien, Archaeen und Eukaryoten.
Die neue Klassifizierung hat die Biologen nicht begeistert. Manche haben das abgetan, viele haben es ignoriert. Aber nach und nach wurde sein Vorschlag von den Mikrobiologen akzeptiert. Pflanze- und Tierkundler haben länger gebraucht, um die Vorteile zu erkennen. In Woeses Modell hängen Pflanzen und Tiere an den äußeren Ästen des Eukaryoten-Zweigs. Alles andere sind Einzeller.
Die Leute haben halt immer nach morphologischen Ähnlichkeiten klassifiziert. Und die Vorstellung, nach Molekülsequenzen zu klassifizieren, war schwer zu akzeptieren. Wenn die nicht sehen, dass es anders ist, dann mögen die das nicht. Also haben die an der alten Fünf-Reiche-Klassifizierung festgehalten.
Der große Tierforscher Ernst Mayr hat dann aber 1998 gesagt, dass man das Leben nur in zwei Kategorien einteilen sollte: die so genannten Reiche. Mayr meinte, Woeses Entdeckungen seien zwar interessant, aber falsch.
Mayrs Kritik war sehr technisch, aber im Grunde glaubte er, dass Woeses Klassifizierung den Stammbaum des Lebens aus dem Gleichgewicht bringt. Mayr wies darauf hin, dass es im Mikrobenbereich nur ein paar tausend Arten gibt, und von den Archaeen gibt es vielleicht ein paar tausend unentdeckte. Aber im Eukaryotenreich, also die komplexen Lebewesen wie wir, da gibt es Millionen von Arten. Angesichts der "Balance" plädierte Mayr dafür, die einfachen Mikroben in eine Gruppe namens "Prokaryoten" einzuteilen, und den Rest der komplexen und hochentwickelten Lebewesen in die "Eukaryoten". Im Grunde wollte er die alte Klassifizierung beibehalten.
Was wir aus Woeses Klassifizierung gelernt haben, ist, dass das Leben sehr vielfältig ist, und das meiste sind kleine Einzeller, mit denen wir nicht vertraut sind. Wir denken ja oft, dass die Evolution ein stetiger Prozess ist, der zu etwas Größerem und Komplexerem führt, zu uns. Aber wir sind eigentlich nur ein Zufall. Bei der Evolution sind die tatsächlichen Unterschiede meistens gering. Dass es uns so groß gibt, ist ein interessanter Nebeneffekt. Von den 23 Hauptlebensformen sind nur drei so groß, dass man sie mit bloßem Auge sehen kann: Pflanzen, Tiere und Pilze. Und selbst von denen sind manche winzig klein. Selbst wenn man die gesamte Biomasse aller Pflanzen zusammenzählt, machen Mikroben mindestens 80% aus, vielleicht sogar mehr. Die Welt gehört den kleinen Lebewesen, und das schon lange.
Dann fragt man sich irgendwann, warum uns Mikroben so oft schaden wollen. Was haben die davon, wenn wir Fieber kriegen oder voller Beulen sind oder sterben? Ein toter Wirt bietet ja keine langfristige und geeignete Umgebung.
Zuerst sollten wir uns daran erinnern, dass die meisten Mikroben harmlos oder sogar nützlich sind. Von ungefähr 1000 Mikroben ist nur eine für den Menschen schädlich. Auch wenn es ein paar gibt, die Mist bauen, ist es trotzdem beruhigend, das zu wissen. Auch wenn die meisten harmlos sind, sind Mikroben die dritthäufigste Todesursache in der westlichen Welt.
Es hat aber Vorteile für Mikroben, wenn es ihrem Wirt schlecht geht. Krankheiten erleichtern oft die Ausbreitung von Bakterien. Erbrechen, Niesen und Durchfall sind gute Möglichkeiten für Bakterien, einen Wirt zu verlassen und in einen neuen einzuziehen. Am effektivsten ist es aber, wenn ein Dritter hilft. Infektiöse Mikroben lieben Moskitos, weil deren Stachel sie direkt ins Blut befördern kann, und dann können sie sofort loslegen, bevor das Abwehrsystem des Opfers überhaupt merkt, was los ist. Viele Krankheiten werden durch Mückenstiche übertragen. Zum Glück gehört AIDS nicht dazu. Das Virus wird von den Mücken selbst abgebaut.
Aber man sollte nicht zu logisch an die Sache rangehen, weil Mikroben keine besonders raffinierten Lebewesen sind. Die kümmern sich nicht darum, was sie dir antun. Genauso wenig wie du dich darum kümmerst, wie viele Mikroben du mit Seife und Deo umbringst. Für Krankheitserreger ist es wichtig, dass sie sich auch selbst um ihr Überleben kümmern, wenn sie dich schon fertigmachen. Wenn die es nicht schaffen, zu einem anderen Wirt zu wechseln, bevor du stirbst, dann sterben die wahrscheinlich auch. Es gab schon viele Krankheiten, die sich mal schlimm verbreitet haben und dann wieder so geheimnisvoll verschwunden sind, wie sie aufgetaucht sind. Zu effektiv zu sein, ist für Krankheitserreger nicht gut.
Viele Krankheiten werden gar nicht durch die Mikroben selbst verursacht, sondern dadurch, was dein Körper gegen die Mikroben unternehmen will. Um deinen Körper von Krankheitserregern zu befreien, zerstört dein Immunsystem manchmal Zellen oder beschädigt wichtige Gewebe. Wenn du dich also unwohl fühlst, dann liegt das oft nicht an den Krankheitserregern, sondern an der Reaktion deines Immunsystems.
Weil es so viel da draußen gibt, was dir schaden könnte, hat dein Körper eine riesige Anzahl von weißen Blutkörperchen, so ungefähr 10 Millionen verschiedene. Jede ist dafür zuständig, einen bestimmten Eindringling zu erkennen und zu vernichten. Es ist unmöglich, 10 Millionen verschiedene Armeen ständig einsatzbereit zu halten, also sind von jeder Sorte nur ein paar Wachen im Einsatz. Wenn ein Krankheitserreger kommt, also ein Antigen, dann erkennen die Wachen den Eindringling und rufen ihre Verstärkung. Und wenn dein Körper diese Truppe produziert, dann fühlst du dich unwohl. Und wenn die Truppe endlich im Kampf ist, dann beginnt die Genesung.
Weiße Blutkörperchen sind rücksichtslos. Die verfolgen jeden Krankheitserreger, bis sie ihn vernichtet haben. Um das zu vermeiden, haben die Angreifer zwei Strategien. Entweder sie greifen schnell an und wechseln dann zu einem neuen Wirt, wie bei einer Erkältung. Oder sie tarnen sich, sodass die weißen Blutkörperchen sie nicht erkennen können, wie das HIV-Virus. Das Virus kann jahrelang unbemerkt in der Zelle bleiben und dann plötzlich aktiv werden.
Infektionen haben viele seltsame Aspekte. Einer davon ist, dass manche Mikroben, die normalerweise harmlos sind, manchmal in Körperteile geraten, in die sie eigentlich nicht gehören. Manchmal drehen die einfach durch. Das passiert oft bei Autounfällen. Harmlose Mikroben aus dem Darm gelangen dann in andere Körperteile, zum Beispiel ins Blut, und richten schwere Schäden an.
Eine seltene, aber auch unkontrollierbare bakterielle Erkrankung ist die nekrotisierende Fasziitis. Bakterien fressen das Innere Gewebe auf und hinterlassen eine giftige Masse. Im Grunde fressen die den Patienten von innen auf. Am Anfang fühlt sich der Patient nur ein bisschen unwohl, aber dann geht es rapide bergab. Die einzige Behandlung ist die Entfernung des gesamten infizierten Gewebes. 70% der Patienten sterben, und viele Überlebende sind schwer entstellt. Auslöser ist eine Bakterienfamilie, die normalerweise nur Halsentzündungen verursacht. In seltenen Fällen, aus unbekannten Gründen, geraten diese Bakterien in die Kehlkopfwand und richten dann schwere Schäden an. Die sind resistent gegen Antibiotika.
Das Gleiche gilt für Meningitis. Mindestens 10% der jungen Erwachsenen und vielleicht 30% der Teenager tragen Meningokokken in sich, die aber harmlos im Hals leben. In sehr seltenen Fällen gelangen die Meningokokken ins Blut und machen die Leute krank. Im schlimmsten Fall kann man in 12 Stunden sterben.
Wir hätten größere Erfolge erzielen können, wenn wir unser bestes Mittel gegen Bakterien, Antibiotika, nicht so missbrauchen würden. Ungefähr 70% der in der entwickelten Welt verwendeten Antibiotika werden oft im Futter verwendet, nur um das Wachstum zu fördern oder zur Vorbeugung von Infektionen. Dadurch haben Bakterien alle Möglichkeiten, Resistenzen zu entwickeln. Und die nutzen das eifrig aus.
Früher war Penicillin total effektiv gegen Staphylokokken. In den 1960ern sagte der US-Gesundheitsminister sogar, dass es an der Zeit sei, das Zeitalter der Infektionskrankheiten zu beenden. Aber schon damals waren ungefähr 90% der Bakterien resistent gegen Penicillin. Und dann tauchte ein neuer Stamm von Staphylokokken auf, der gegen Methicillin resistent war. Es gab nur noch ein Antibiotikum, das wirksam war: Vancomycin. Aber dann berichtete ein Krankenhaus in Tokio, dass ein neuer Stamm von Staphylokokken aufgetaucht war, der auch gegen dieses Mittel resistent war. Und innerhalb weniger Monate hatte sich der Stamm auf sechs weitere japanische Krankenhäuser ausgebreitet. Weltweit gewinnen die Mikroben den Krieg wieder. In den USA sterben jährlich 14.000 Menschen in Krankenhäusern an lokalen Infektionen. Und es ist nicht verwunderlich, dass Pharmafirmen lieber Antidepressiva entwickeln, die man täglich einnimmt, als Antibiotika, die man nur zwei Wochen lang nimmt. Seit den 1970ern hat uns die Pharmaindustrie kein einziges neues Antibiotikum geliefert.
Und es ist noch erschreckender, weil viele andere Krankheiten wahrscheinlich durch Bakterien verursacht werden. 1983 fand ein Arzt heraus, dass viele Magenkrebsarten und die meisten Magengeschwüre durch ein Bakterium verursacht werden. Das Ergebnis wurde zwar leicht identifiziert, aber die Ansicht war so radikal, dass es über 10 Jahre dauerte, bis sie allgemein akzeptiert wurde. Es gab tausende Leute, die an Geschwüren gestorben sind, die das eigentlich nicht hätten tun müssen.
Weitere Studien haben gezeigt, dass Bakterien bei vielen anderen Krankheiten eine Rolle spielen oder spielen könnten: Herzkrankheiten, Asthma, Arthritis, Multiple Sklerose, psychische Erkrankungen, verschiedene Krebsarten und sogar Diabetes. Es könnte bald soweit sein, dass wir dringend wirksame Antibiotika brauchen, die wir aber nicht bekommen können.
Ein kleiner Trost ist vielleicht, dass auch Bakterien krank werden können. Die werden manchmal von Viren infiziert, die man Bakteriophagen nennt. Viren sind seltsame Gebilde, die keine Lebewesen sind. Viren sind noch kleiner und einfacher als Bakterien und haben selbst kein Leben. Aber wenn sie in einen geeigneten Wirt gelangen, dann werden sie sofort aktiv. Es gibt ungefähr 5000 bekannte Viren, die hunderte von Krankheiten verursachen, von der Grippe bis zu Krankheiten, die extrem schädlich für die menschliche Gesundheit sind: Pocken, Tollwut, Gelbfieber, Ebola, Kinderlähmung und AIDS.
Viren plündern das genetische Material lebender Zellen, um mehr Viren herzustellen, und vermehren sich so massenhaft. Weil sie keine Lebewesen sind, können sie sehr einfach sein. Viele Viren haben nur 10 oder weniger Gene, während selbst die einfachsten Bakterien mehrere tausend haben. Sie sind so klein, dass man sie mit einem normalen Mikroskop nicht sehen kann. Erst 1943 konnte man sie mit dem Elektronenmikroskop zum ersten Mal sehen. Sie können aber großen Schaden anrichten. Allein im 20. Jahrhundert starben schätzungsweise 300 Millionen Menschen an Pocken.
Viren haben auch die Fähigkeit, plötzlich in neuer Form aufzutauchen und dann wieder zu verschwinden. So gab es 1916 in Europa und Amerika eine seltsame Schlafkrankheit. Die Patienten schliefen ein und wachten nicht mehr auf. Sie ließen sich leicht wecken, um zu essen oder auf die Toilette zu gehen, und konnten Fragen beantworten. Aber wenn man sie wieder zur Ruhe kommen ließ, fielen sie sofort wieder in den Schlaf zurück. Manche blieben monatelang in diesem Zustand und starben dann. Nur wenige erholten sich. Die Krankheit forderte innerhalb von 10 Jahren ungefähr 5 Millionen Todesopfer und verschwand dann spurlos.
Gleichzeitig breitete sich aber eine andere, noch schrecklichere Pandemie aus.
Man nannte die Krankheit manchmal "Schweinegrippe" und manchmal "Spanische Grippe", aber sie war jedenfalls sehr heftig. Der Erste Weltkrieg forderte in 4 Jahren 21 Millionen Todesopfer. Die Schweinegrippe in den ersten 4 Monaten das Gleiche. Fast 80% der Verluste der US-Armee im Ersten Weltkrieg waren nicht auf feindlichen Beschuss, sondern auf Grippe zurückzuführen.
Im Frühjahr 1918 trat die Schweinegrippe als eine nicht tödliche, gewöhnliche Grippe auf. Aber in den folgenden Monaten wurde die Krankheit schwerwiegender. Ein Fünftel der Patienten hatte nur leichte Symptome, aber der Rest war sehr krank und viele starben.
Die ersten Toten in den USA waren Matrosen in Boston. Die Epidemie breitete sich schnell im ganzen Land aus. Schulen wurden geschlossen, öffentliche Vergnügungsstätten wurden geschlossen, und die Leute trugen Masken. Aber das hat nicht viel gebracht. Im Herbst und Frühjahr starben 54842 Amerikaner an der Grippe. In England waren es 220.000 Tote, in Frankreich und Deutschland waren es fast so viele. Die globale Zahl der Todesopfer ist unbekannt, aber sie lag bei mindestens 20 Millionen, wahrscheinlich eher bei 50 Millionen. Manche schätzen, dass weltweit 100 Millionen Menschen starben.
Um einen Impfstoff zu entwickeln, führten die medizinischen Behörden in einem Militärgefängnis Experimente an Freiwilligen durch. Wenn die Gefangenen eine Reihe von Tests überstanden, wurde ihnen die Begnadigung garantiert. Die Tests waren sehr hart. Zuerst wurde infiziertes Lungengewebe von Toten in die Probanden injiziert, dann wurden sie mit infektiösen Aerosolen in die Augen, Nase und den Mund gesprüht. Wenn sie dann immer noch nicht umfielen, wurden ihnen Exkremente von Kranken direkt in den Rachen geschmiert. Wenn alles andere fehlschlug, sollten sie mit offenem Mund sitzen, während sich Schwerkranke aufsetzten und ihnen ins Gesicht husteten.
Von den insgesamt 300 männlichen Gefangenen, was eine erstaunliche Zahl ist, wählten die Ärzte 62 aus. Niemand infizierte sich mit der Grippe. Das einzige, was erkrankte, war der Stationsarzt, der bald starb. Der Grund dafür war wahrscheinlich, dass die Grippe schon Wochen zuvor durch das Gefängnis gegangen war, und die Freiwilligen hatten die Grippe schon hinter sich und waren immun.
Man weiß wenig über die Grippe von 1918. Es ist ein Rätsel, warum die Grippe an so vielen Orten, die durch Meere, Berge und andere natürliche Barrieren getrennt waren, plötzlich ausbrach. Viren können außerhalb eines Wirts nur wenige Stunden überleben. Wie konnte es dann gleichzeitig in Madrid, Bombay und Philadelphia auftreten?
Die Antwort ist wahrscheinlich, dass es von Menschen kultiviert und verbreitet wurde, die nur leichte oder gar keine Symptome hatten. Auch bei normalen Ausbrüchen haben ungefähr 10% der Bevölkerung die Grippe, ohne es zu merken, weil sie sich nicht unwohl fühlen. Da die sich weiter bewegen, sind die oft die Hauptüberträger der Krankheit.
Das erklärt vielleicht die Verbreitung des Ausbruchs von 1918, aber es erklärt immer noch nicht, warum die Grippe erst ein paar Monate später fast gleichzeitig weltweit ausbrach. Es ist auch ein Rätsel, warum sie junge Erwachsene am meisten schädigte. Normalerweise sind Kinder und ältere Menschen am anfälligsten für Grippe. Aber beim Ausbruch von 1918 waren die meisten Toten zwischen 20 und 40 Jahre alt. Ältere Menschen waren vielleicht schon früher mit der Krankheit in Kontakt gekommen und profitierten von der erworbenen Resistenz. Aber warum Teenager und Kinder verschont blieben, ist unbekannt. Das größte Rätsel ist, warum die Grippe von 1918 so tödlich war, während die meisten Grippen das nicht sind. Wir verstehen das immer noch nicht.
Manche Viren tauchen immer wieder auf. Ein russisches Virus ist in den 1930ern, 50ern und 70ern stark ausgebrochen. Wir wissen immer noch nicht, wo sich das Virus in den Ausbruchspausen aufhält. Manche glauben, dass sich die Viren unbemerkt in Tieren verstecken und dann eine neue Generation von Menschen heimsuchen. Es ist nicht auszuschließen, dass die Schweinegrippe wieder auftaucht.
Auch wenn die Schweinegrippe nicht auftaucht, werden wahrscheinlich andere Grippen auftauchen. Es entstehen ständig neue Viren. Ebola und andere tauchen auf und verschwinden wieder. Niemand kann sagen, wo sich diese Viren verstecken oder ob sie nur auf die richtige Gelegenheit warten, um katastrophal auszubrechen. AIDS ist schon viel länger unter uns, als man ursprünglich dachte. Forscher haben herausgefunden, dass ein Seemann, der 1959 an einer mysteriösen Krankheit starb, tatsächlich an AIDS erkrankt war. Aber aus irgendeinem Grund schlummerte die Krankheit dann 20 Jahre lang.
Es ist ein Wunder, dass andere Krankheiten sich nicht so stark ausgebreitet haben. Lassa-Fieber wurde erstmals 1969 in Westafrika entdeckt. Ein Arzt steckte sich bei der Untersuchung von Lassa-Fieber an, überlebte aber. Erstaunlicher ist, dass sich eine Technikerin infizierte, obwohl sie keinen direkten Kontakt zum Virus hatte. Sie starb.
Zum Glück blieb es bei diesem Ausbruch. Aber wir können nicht erwarten, dass wir immer Glück haben. Unsere Lebensweise begünstigt Infektionskrankheiten. Flugreisen ermöglichen es Krankheitserregern, sich leicht weltweit zu verbreiten. Ein Ebola-Virus könnte innerhalb eines Tages von Afrika nach New York, Hamburg oder Kenia gelangen, oder auch gleichzeitig an alle drei Orte. Das bedeutet auch, dass die medizinischen Behörden mit jeder Krankheit vertraut sein müssen, die es gibt. Aber das ist unmöglich.
Eine Frau aus Chicago steckte sich bei einem Besuch in ihrer Heimat Nigeria mit Lassa-Fieber an. Sie starb in einem Krankenhaus, ohne dass man die Krankheit erkannte. Niemand traf bei der Behandlung Vorkehrungen, weil niemand wusste, dass sie an einer der tödlichsten und ansteckendsten Krankheiten der Welt litt. Es ist erstaunlich, dass sich niemand infiziert hat. Vielleicht haben wir nächstes Mal nicht so viel Glück.
Und damit sind wir wieder in der Welt der sichtbaren Lebewesen angelangt.