Chapter Content

Calculating...

Also, ich wollte euch heute mal was erzählen, äh, ja, über so ein faszinierendes Konzept aus der Verhaltensökonomie, die sogenannte... wie hieß es nochmal? Ah, genau, die Isolationseffekt, oder auf Englisch "Isolation Effect". Das ist so ein... interessantes Ding, das ich da gelesen habe.

Es ging im Wesentlichen darum, dass zwei Typen, Amos und Daniel, sich Gedanken darüber gemacht haben, wie Menschen eigentlich Risikoentscheidungen treffen. Und dabei ist Daniel, also einer von den beiden, auf die Idee gekommen, dass wir Menschen total empfindlich auf Veränderungen reagieren, also gerade, wenn’s ums Verlieren oder Gewinnen geht.

Und dann kam Amos ins Spiel und meinte so, "Hey, was passiert denn, wenn wir die Bedingungen bei diesen Glücksspielen mal umdrehen?" Also vorher haben sie sich nur angeschaut, was Leute machen, wenn’s ums Gewinnen geht. Zum Beispiel: Willst du lieber 500 Dollar sicher haben oder mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit 1000 Dollar gewinnen? Kennen wir ja.

Und jetzt wollte Amos wissen, was passiert denn, wenn’s um Verluste geht? Also, hier mal so eine Frage an euch: Was würdet ihr wählen? A: Eine Lotterie mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit 1000 Dollar zu verlieren. Oder B: Ganz sicher 500 Dollar zu verlieren. Tja...

Und genau da ist der springende Punkt! Wenn’s um Verluste geht, dann ticken die Leute plötzlich ganz anders als wenn’s um Gewinne geht. Daniel meinte wohl, das war ein "Aha"-Moment. Bei Gewinnen sind wir eher auf Sicherheit aus. Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, quasi. Aber bei Verlusten, da werden wir risikofreudiger, versuchen, das Ruder rumzureißen, irgendwie das Schlimmste noch abzuwenden.

Es ist so, als ob es uns mehr wehtut, etwas zu verlieren, als es uns freut, etwas gleichwertiges zu gewinnen. Um Leute dazu zu bringen, auf einen sicheren Gewinn zu verzichten und stattdessen auf eine 50/50-Chance auf 1000 Dollar zu setzen, müsste man den sicheren Gewinn schon ziemlich weit runter schrauben, so auf 370 Dollar. Und umgekehrt, um Leute dazu zu bringen, einen sicheren Verlust von zum Beispiel 370 Dollar zu akzeptieren anstatt zu zocken (mit 50% Wahrscheinlichkeit nichts zu verlieren, mit 50% Wahrscheinlichkeit 1000 zu verlieren), müsste man den sicheren Verlust noch weiter runter setzen. Das ist echt verrückt, oder?

Die haben dann ziemlich schnell festgestellt, dass wenn Leute zwischen einer sicheren Sache und einer unsicheren wählen müssen, dann ist die Vermeidung von Risiko wichtiger als das Erreichen von Gewinn.

Am deutlichsten wird das Ganze, wenn’s in dem Glücksspiel sowohl Gewinne als auch Verluste gibt. Stell dir vor, du sollst jemanden dazu bringen, eine Münze zu werfen, um 100 Dollar zu gewinnen. Dann musst du schon deutlich mehr bieten als nur die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit, also wenn Kopf kommt gewinnst du, sagen wir mal. Wenn aber Zahl kommt, verliert er 100 Dollar, dann müsste er schon eher 200 Dollar gewinnen, wenn Kopf kommt. Und wenn die Beträge höher werden, so 10.000 Dollar, dann muss die Gewinnwahrscheinlichkeit noch höher sein.

Amos und Daniel haben das so formuliert: "Menschen reagieren empfindlicher auf Verluste als auf Gewinne, und das gilt nicht nur für Geld." Das ist einfach ein grundlegendes menschliches Merkmal: Wir wollen glücklich sein, klar, aber für die meisten ist es wichtiger, den Schmerz zu vermeiden, etwas zu verlieren, als die Freude zu erleben, das gleiche zu gewinnen. Ist doch eigentlich ganz logisch, oder?

Und der Grund dafür ist auch relativ einfach zu verstehen: Es ist überlebenswichtig, sensibel für Schmerz zu sein. "Eine Spezies, die unendlich viel Freude empfinden kann, aber unempfindlich gegenüber Schmerz ist, würde im Laufe der Evolution wahrscheinlich nicht lange überleben." Die haben es also ganz wissenschaftlich erklärt.

Bei ihren Überlegungen sind die beiden dann auf ein Problem gestoßen: Ihre "Regret Theory", also ihre Theorie über Bedauern, konnte nicht erklären, warum Leute bei Verlusten zocken, aber bei Gewinnen eher auf Nummer sicher gehen. Das passte irgendwie nicht zusammen. Aber anstatt lange zu trauern, haben Amos und Daniel die Theorie einfach über Bord geworfen und sich was Neues ausgedacht.

Was sie sich dann überlegt haben, war, herauszufinden, wie und wann Menschen auf Glücksspiele mit Gewinnen und Verlusten reagieren. Amos nannte wichtige Erkenntnisse immer "Rosinen". Und in dieser neuen Theorie gab es drei "Rosinen": Erstens, Menschen reagieren auf kleine Veränderungen. Zweitens, Menschen gehen anders mit Gewinn- und Verlustrisiken um. Und drittens, wir reagieren nicht einfach nur auf Wahrscheinlichkeiten, sondern wir verarbeiten die emotional.

Sie haben festgestellt, dass wir, wenn wir vor die Wahl gestellt werden, ob wir mit 90-prozentiger oder mit 10-prozentiger Wahrscheinlichkeit gewinnen, nicht einfach davon ausgehen, dass die erste Option neunmal wahrscheinlicher ist. Stattdessen passen wir die Wahrscheinlichkeiten in unserem Kopf an und handeln dann so, als ob die 90 Prozent niedriger und die 10 Prozent höher wären. Also, Emotionen spielen da eine große Rolle.

Und je kleiner die Wahrscheinlichkeit, desto stärker die Emotionen. Wenn dir jemand sagt, dass du mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Milliarde etwas gewinnen oder verlieren kannst, dann reagierst du nicht so, als ob das wirklich nur eine von einer Milliarde wäre. Du machst dir viel mehr Sorgen wegen des möglichen Verlusts oder freust dich viel mehr über den möglichen Gewinn. Und das führt dann dazu, dass du bei sehr kleinen Gewinnwahrscheinlichkeiten zum Zocker wirst und bei sehr kleinen Verlustwahrscheinlichkeiten total auf Sicherheit bedacht bist. Darum kaufen die Leute auch Lotterielose und Versicherungen gleichzeitig. Also ziemlich schlau, oder?

Das Problem ist: Wenn man sich mit solchen Kleinigkeiten zu viel beschäftigt, dann kann man sich verrückt machen. Stell dir vor, deine Tochter kommt zu spät nach Hause. Obwohl du weißt, dass wahrscheinlich nichts passiert ist, malst du dir die schlimmsten Szenarien aus. Um sich nicht verrückt zu machen, darf man nicht zu viel nachdenken.

Es ist, als ob wir kleine Wahrscheinlichkeiten so behandeln, als ob sie doch realistisch wären. Und um vorauszusagen, wie wir in unsicheren Situationen reagieren, muss man diese Wahrscheinlichkeiten in unserem Kopf "gewichten". Wenn man das richtig macht, dann kann man erklären, warum Leute Lotterielose und Versicherungen kaufen oder das sogenannte "Allais-Paradoxon" lösen.

Und dann haben Daniel und Amos sich eine vereinfachte Version dieses Paradoxons ausgedacht, um zu zeigen, wie ihre Theorie unsere widersprüchliche Reaktion auf Wahrscheinlichkeiten auflösen kann. Also noch mal: Sie haben das Allais-Paradoxon auf "interessante" Weise "gelöst", zuerst mit ihrer Regret Theory und dann mit ihrer neuen Theorie.

Hier mal ein Beispiel: Du hast zwei Möglichkeiten: 1. 100-prozentige Wahrscheinlichkeit, 30.000 Dollar zu gewinnen. 2. 80-prozentige Wahrscheinlichkeit, 45.000 Dollar zu gewinnen, 20-prozentige Wahrscheinlichkeit, nichts zu gewinnen. Was wählst du?

Die meisten Leute entscheiden sich für die erste Option. Das zeigt, dass wir "risikoscheu" sind. Wir ziehen einen sicheren Gewinn dem Risiko vor, einen höheren erwarteten Wert zu gewinnen (in diesem Fall 36.000 Dollar). Das widerspricht nicht der Nutzentheorie, es bedeutet nur, dass Option 1 einen höheren Nutzen hat als Option 2. Die 30.000 Dollar sind ein sicherer Gewinn. Aber schau dir mal folgende Situation an:

1. 20-prozentige Wahrscheinlichkeit, 45.000 Dollar zu gewinnen, 80-prozentige Wahrscheinlichkeit, nichts zu gewinnen. 2. 25-prozentige Wahrscheinlichkeit, 30.000 Dollar zu gewinnen, 75-prozentige Wahrscheinlichkeit, nichts zu gewinnen. Hier wählen die meisten Leute die erste Option. Das heißt, sie nehmen ein geringeres Risiko in Kauf, um einen höheren Gewinn zu erzielen. Aber das bedeutet, dass der Nutzen eines Gewinns von 45.000 Dollar mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent höher ist als der Nutzen eines Gewinns von 30.000 Dollar mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent. Und damit haben Daniel und Amos das Allais-Paradoxon wieder aufgelöst. Es geht nicht darum, dass die Leute in der ersten Situation Bedauern vorhersehen und in der zweiten nicht. Es geht nur darum, dass sie die 50-prozentige Wahrscheinlichkeit überschätzen und den Unterschied zwischen 25 Prozent und 20 Prozent unterschätzen.

Und gleichzeitig haben Daniel und Amos erkannt, dass ihre Theorie nicht nur all das erklärt, was die Erwartungswerttheorie nicht erklären kann, sondern auch etwas vorhersagt, was die Erwartungswerttheorie noch nie vorhergesagt hat: Es ist genauso einfach, Menschen dazu zu bringen, Risiken einzugehen, wie sie dazu zu bringen, Risiken zu vermeiden. Man muss ihnen nur Optionen mit Verlusten anbieten. Seit Bernoulli vor über 200 Jahren diese Diskussion angestoßen hat, haben Intellektuelle das Eingehen von Risiken für unvernünftig gehalten. Wenn aber das Eingehen von Risiken ein Teil der menschlichen Natur ist, wie die Theorie von Daniel und Amos andeutet, warum hat das dann vorher niemand bemerkt?

Daniel und Amos meinten, dass der Grund dafür darin liegt, dass sich die Experten, die menschliche Entscheidungen untersuchen, auf die falschen Dinge konzentriert haben. Die meisten von ihnen sind Ökonomen, und ihr Fokus liegt immer auf der Art und Weise, wie Menschen mit wirtschaftlichen Gewinnen umgehen. Amos und Daniel schrieben: "Die meisten Entscheidungen im Wirtschaftsbereich (mit Ausnahme von Versicherungen) betreffen hauptsächlich positive Aussichten, das ist eine ökologische Tatsache." Wirtschaftswissenschaftler untersuchen Risikobereitschaft hauptsächlich im Hinblick auf Gewinne, wie z. B. Sparen und Investieren. Und bei Gewinnen vermeiden die Menschen tatsächlich Risiken. Sie wählen einen sicheren Gewinn und wollen nicht zocken. Daniel und Amos glaubten, dass, wenn sich Ökonomen weniger um wirtschaftliche Fragen und mehr um Politik, Krieg oder Ehe kümmern würden, sie vielleicht zu ganz anderen Schlussfolgerungen über die menschliche Natur kommen würden. Politische Probleme und Kriegsprobleme sind wie krisengeschüttelte zwischenmenschliche Probleme, bei denen die Beteiligten oft zwischen zwei ungünstigen Optionen wählen müssen. "Wenn Entscheidungen in Bereichen wie privaten, politischen oder strategischen Problemen so klar gemessen werden könnten wie wirtschaftliche Gewinne oder Verluste, würde sich die Forschung über menschliche Entscheidungen vielleicht grundlegend verändern", schrieben sie.

Und so haben die beiden im Laufe der Zeit diese Theorie weiter verfeinert. Sie merkten, dass im Grunde die Art und Weise, wie man etwas formuliert, unsere Entscheidungen beeinflusst. Sie haben das den "Framing-Effekt" genannt. Durch eine bestimmte Formulierung kann man quasi unsere Einstellung zum Risiko verändern.

Sie haben auch ein berühmtes Beispiel dafür gefunden, das sogenannte "Asia-Krankheitsproblem". Stell dir vor, die USA bereiten sich auf den Ausbruch einer asiatischen Krankheit vor, die voraussichtlich 600 Menschenleben fordern wird. Es werden zwei Maßnahmen vorgeschlagen, aber jede von ihnen hat unterschiedliche Konsequenzen. Also:

Annahme: Maßnahme A wird ergriffen, dann werden 200 Menschen gerettet. Annahme: Maßnahme B wird ergriffen, dann besteht eine Wahrscheinlichkeit von einem Drittel, dass alle 600 Menschen gerettet werden, und eine Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln, dass niemand gerettet wird. Welche Maßnahme würdest du wählen?

Die meisten Leute wählten Option A, also die sichere Rettung von 200 Menschen. Jetzt das gleiche Szenario, nur anders formuliert:

Annahme: Maßnahme C wird ergriffen, dann werden 400 Menschen sterben. Annahme: Maßnahme D wird ergriffen, dann besteht eine Wahrscheinlichkeit von einem Drittel, dass niemand stirbt, und eine Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln, dass alle 600 Menschen sterben. Bei dieser Formulierung wählen die meisten Leute Option D. Obwohl es eigentlich die gleiche Situation ist, nur anders dargestellt.

Das zeigt, dass wir nicht einfach nur Dinge auswählen, sondern die Art und Weise, wie uns diese Dinge präsentiert werden.

Ja und das war im Wesentlichen der Isolationseffekt und der Framing-Effekt. Ich fand es total spannend, wie diese beiden Typen, Amos und Daniel, die ganze Sache aufgerollt haben. Also vielleicht habt ihr jetzt auch ein bisschen was gelernt und könnt eure Entscheidungen in Zukunft etwas bewusster treffen. So viel dazu!

Go Back Print Chapter