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Calculating...

Also, pass auf, Leute, ich muss euch mal was erzählen. Es geht um eine total abgefahrene Sache, so richtig zum Grübeln.

Ich hab da nämlich von diesem Psychologen gelesen, Miles Shore, der war irgendwann mal Chef in so einer Klinik, und der hatte da so ein paar interessante Fälle. Einer davon war dieser Typ, Allen Hobson, ein Forscher, der total gegen Freud war, was Träume angeht. Der meinte, Träume kommen nicht aus dem Unterbewusstsein, sondern sind einfach nur Gehirnaktivität. Und das hat er irgendwie bewiesen, oder zumindest versucht.

Jedenfalls, Shore wollte den Hobson befördern, aber das Problem war, der hatte seine ganzen wichtigen Sachen mit einem Kollegen zusammen gemacht, Robert McCarley. Und Shore meinte, so im System, da zählt halt nur die Einzelleistung. "Was hat *der* Typ geleistet?" So nach dem Motto. Und dann hat er die beiden gefragt, was denn wer gemacht hat. Und die so: "Äh, keine Ahnung, wir haben alles zusammen gemacht!" Total verrückt, oder?

Das fand Shore so faszinierend, dass er angefangen hat, andere Teams zu suchen, die auch so eng zusammenarbeiten. So richtig, fünf Jahre und mehr. Und da waren echt coole Leute dabei, so ein Comedy-Duo, zwei Pianisten, die zusammen gespielt haben, weil einer von denen Lampenfieber hatte, so zwei Frauen, die zusammen Krimis geschrieben haben, und so ein paar Ernährungswissenschaftler, die so eng waren, dass sie nur ihre Nachnamen benutzt haben. Shore meinte, die waren total genervt, dass die Leute immer noch dachten, Schwarzbrot wäre gesünder als Weißbrot, obwohl die das schon längst widerlegt hatten.

Das Verrückte war, fast alle von denen fanden ihre eigene Zusammenarbeit total seltsam, aber interessant. Außer so zwei Physikern und so einem Eiskunstlaufpaar, die wollten nicht so richtig reden. Aber dann kam Shore zu Amos Tversky und Daniel Kahneman. Die beiden waren ja echt berühmt, und die haben total lange mit Shore geredet, auch einzeln.

Amos meinte, am Anfang waren sie total euphorisch, weil sie Fragen beantworten konnten, die noch nie jemand gestellt hatte. Und Shore hat sie gefragt, ob sie sich mit künstlicher Intelligenz beschäftigen, und Amos meinte: "Nö, wir beschäftigen uns mit menschlicher Dummheit!" Auch geil, oder?

Shore fand, die beiden hatten total viel gemeinsam mit anderen erfolgreichen Teams. Die haben so einen total exklusiven Club für sich gegründet, sozusagen. Und die haben sich gegenseitig total wertgeschätzt, aber nicht blind. Und das hat wohl auch zu Spannungen geführt, auch in Daniels Ehe. Und die beiden konnten auch nicht so genau sagen, wer was gemacht hat. Daniel meinte, das war total schön, diese Unwissenheit. Und er meinte, er und Amos, die waren zusammen einfach unschlagbar.

Und im Gegensatz zu anderen Teams haben die beiden auch über ihre Probleme geredet. Daniel meinte, nach seiner Heirat und dem Umzug in die USA gab es Probleme. Und er hat sich beschwert, dass die Leute immer dachten, er wäre nur Amos' Anhängsel. Und er meinte, Amos hätte vielleicht mehr von der Zusammenarbeit profitiert.

Shore hatte aber den Eindruck, dass die beiden das Schlimmste hinter sich hatten. Die konnten offen über ihre Probleme reden. Und Amos war optimistisch, dass sie weiter zusammenarbeiten würden. Und dann haben die beiden auch noch so einen Preis bekommen, was die Sache wohl etwas entspannt hat. Daniel meinte, er hatte Angst, dass Amos den Preis alleine bekommt.

Irgendwann hat Shore dann aber doch kein Buch über die besten Teams geschrieben. Und Daniel hat sich später die Aufnahmen von den Interviews angehört und gemeint, da war die Beziehung zwischen ihm und Amos schon vorbei.

Und dann ging das Drama erst richtig los. Daniel wollte nicht mehr zurück nach Israel, und dann hat Amos auch beschlossen, wegzugehen. Und die Unis haben sich um den gerissen, wie verrückt. Harvard wollte ihn, Michigan wollte ihn, Berkeley wollte ihn, aber Stanford war am schnellsten.

Der Typ von Stanford, Lee Ross, der wusste, dass die anderen Unis auch Daniels Frau und so mitnehmen würden. Aber Stanford war nicht so groß. Also hat er sich was anderes überlegt. Er hat die ganze Psychologie-Abteilung zusammengetrommelt und so eine Rede gehalten, so richtig übertrieben. So nach dem Motto: "Ich hab hier den perfekten Mann für euch, aber ihr kriegt ihn nur zur Hälfte!"

Und die haben alle gesagt: "Ja, wir nehmen ihn!" Und Stanford hat Amos sofort einen Job angeboten.

Amos war sich dann auch nicht sicher, ob er nach Harvard oder Stanford gehen sollte. In Harvard hätte er das Wetter vermisst, und in Stanford hätte er es bereut, kein Harvard-Professor zu sein. Aber er hat nie gesagt, dass er und Daniel zusammenbleiben sollten. Stanford wollte Daniel nämlich nicht.

Daniel ist dann mit seiner Frau nach Kanada gegangen, nach Vancouver. Und die beiden haben sich vorgenommen, sich alle zwei Wochen zu treffen.

Daniel war aber immer noch total begeistert von ihrer Theorie. Und er dachte, die beiden wären unzertrennlich. Aber dann hat er gemerkt, dass es doch nicht so einfach war. Seine Kinder waren weit weg, seine Kollegen, sein Labor, sein Land. Er hat sich total verändert. Und er hat immer darüber nachgedacht, wie sein Leben hätte sein können.

Und dann ist ihm sein Neffe in den Sinn gekommen, der im Krieg gestorben war. Und alle haben gesagt: "Was wäre, wenn…?" Daniel hat gemerkt, dass dieses "Was wäre, wenn…?" nicht zufällig ist. Die Leute denken nicht einfach irgendwas. Es gibt Regeln, wie wir uns alternative Realitäten vorstellen. Und die gleichen Regeln gelten wohl auch für Daniels Leben.

In Vancouver hat sich Daniel dann alle Notizen über "Bedauern" schicken lassen, die er und Amos mal gemacht hatten. Und er wollte jetzt anders darüber nachdenken. Wie verarbeiten wir Dinge, die passiert sind? Und er hat gemerkt, dass das mit ihren Entscheidungsstudien zusammenhängt. Er wollte die Emotionen in die Entscheidungsfindung einbeziehen.

Und dann hat er eine vierte Heuristik entdeckt, die "Simulationsheuristik". Wie beeinflussen unrealisierte Möglichkeiten unser Denken? Wir stellen uns immer vor, was wäre, wenn… Aber nicht alle Szenarien sind gleich einfach vorstellbar. Es gibt Regeln. Und Daniel wollte diese Regeln herausfinden.

Und dann hat er so ein Experiment gemacht, so mit zwei Typen, die ihren Flug verpasst haben. Der eine hat den Flug um eine halbe Stunde verpasst, der andere um fünf Minuten. Wer ist trauriger? Die meisten Leute haben gesagt, der, der den Flug um fünf Minuten verpasst hat. Weil der war ja kurz davor. Das heißt, unsere Emotionen hängen nicht nur von der Realität ab, sondern auch davon, wie nah wir an einer anderen Realität dran sind.

Und Daniel wollte diese Grenzen der Vorstellungskraft erforschen. Er wollte die "kontrafaktischen Emotionen" verstehen, die uns helfen, mit der Realität klarzukommen. Die stärkste davon ist "Bedauern". Und er hat das in so eine mathematische Formel gepackt. Die Stärke des Bedauerns hängt davon ab, wie sehr wir uns eine andere Realität wünschen und wie wahrscheinlich diese Realität war.

Manchmal ist es schwer, etwas zu verarbeiten. Wenn wir uns schämen, müssen wir etwas in uns selbst ändern. Aber die Regeln für die Verarbeitung sind die gleichen. Wir müssen einen Weg finden, in die andere Realität zu gelangen.

Neid ist aber anders. Da müssen wir uns nicht mal was vorstellen. Wir müssen uns nur in die andere Person hineinversetzen. Neid braucht keine Vorstellungskraft.

Und Daniel hat sich in Vancouver mit diesen komischen Gedanken rumgeschlagen. Und dann hat er Amos einen Brief geschrieben und gemeint, er hätte jetzt verschiedene Wege gefunden, mit Katastrophen umzugehen. Und er wollte herausfinden, wie wir denken, wenn wir mit schlimmen Dingen konfrontiert werden.

Und dann hat er so Beispiele genannt, so ein Ladenbesitzer, der überfallen wurde, ein Autounfall, ein Herzinfarkt. Und er hat gefragt, wie wir solche Tragödien sehen. Und er hat gemeint, unsere Vorstellungskraft ist kein freier Vogel. Sie ist ein Werkzeug, um die Welt zu vereinfachen. Und sie folgt Regeln, den Regeln der Verarbeitung.

Eine Regel ist, je mehr wir ändern müssen, um die Realität zu verarbeiten, desto schwieriger wird es. Und je weiter wir in der Zeit zurückgehen, desto leichter wird es. Vielleicht heilt die Zeit deshalb alle Wunden.

Und dann hat Daniel noch die "Fokusregel" entdeckt. Wir stellen uns immer vor, dass nur eine Person sich verändert, der "Hauptdarsteller". Wir können uns nicht vorstellen, dass die Kugel auf Kennedy von einem Windstoß abgelenkt wird. Aber wenn wir selbst der Hauptdarsteller sind, dann ist es schwer, uns zu verändern. Wir können uns nicht einfach in jemand anderen verwandeln.

Wir denken auch eher über unerwartete Ereignisse nach. So ein Banker, der immer den gleichen Weg zur Arbeit fährt. Und dann nimmt er einen anderen Weg und stirbt bei einem Unfall. Dann denken wir: "Was wäre, wenn er den normalen Weg genommen hätte!" Aber wenn er den normalen Weg genommen hätte und trotzdem gestorben wäre, dann würden wir das nicht denken.

Und wir blenden auch Wahrscheinlichkeiten aus. Wir denken nicht: "Was wäre, wenn der Banker ein paar Sekunden früher oder später gefahren wäre?" Wir denken eher: "Was wäre, wenn er den ungewöhnlichen Weg nicht genommen hätte?"

Daniel fand das alles total faszinierend. Und er hat sich gefühlt, als ob er jetzt auch ohne Amos vorankommen würde. Er hat Amos am Ende des Briefes um seine Meinung gebeten, aber der hat wohl nicht geantwortet. Amos war wohl interessiert, aber er hat sich nicht eingebracht. Daniel hat das noch nie erlebt.

Er hat vermutet, dass Amos schlecht drauf war, was aber nicht typisch für ihn war. Oder dass er Heimweh hatte. Oder dass Daniels neue Ideen zu weit von ihren alten Studien entfernt waren.

Oder dass die beiden einfach nicht mehr gleichberechtigt waren. Wenn Amos nach Vancouver kam, dann war das so ein bisschen von oben herab. Und Daniel hat sich von Amos' Erfolg einschüchtern lassen.

Aber das Schlimmste war, dass Daniel all seine neuen Ideen ohne Amos entwickeln musste. Sie hatten sich noch nie getrennt. Und jetzt fehlte ihm Amos' Input. "Ich habe so viele Ideen, aber er ist nicht da", hat Daniel mal gesagt. "Er kann sie zum Leben erwecken."

Ein paar Monate später sind die beiden dann zu so einer Konferenz gefahren. Und Daniel war überrascht, dass er auch eingeladen wurde. Amos hat über ihre alten Studien geredet, und Daniel hat seine neuen Ideen vorgestellt, die er alleine entwickelt hatte. Er hat das "Psychologie im Reich der Möglichkeiten" genannt.

Und er hat die Regeln der kontrafaktischen Denkens erklärt. Und er hat gemerkt, dass die Leute total begeistert waren. Und Amos' Berater kam zu ihm und hat gesagt: "Woher hast du all diese Ideen?" Und Amos hat geantwortet: "Daniel und ich haben nicht darüber geredet."

Und dieser Satz hat Daniel total getroffen. Er meinte später, das war das Ende ihrer Beziehung. Er hat sich alles Mögliche vorgestellt, wie es anders hätte laufen können. Aber nicht: "Was wäre, wenn Amos nicht so arrogant gewesen wäre?"

Daniel hat gemerkt, dass da was kaputt war. Aber er hat gehofft, dass es sich wieder ändern würde. Aber diesmal gab es keine Rettung. "Ich wollte, dass Amos darüber nachdenkt, aber er hat es nicht getan", meinte Daniel.

Nach der Konferenz hat Daniel Amos nicht mehr in seinen Vorträgen erwähnt. Und er hat angefangen, mit einem anderen Psychologen zusammenzuarbeiten. Und er hat dem gesagt, dass die Zusammenarbeit mit Amos vorbei ist. "Er war immer noch von Amos' Schatten überschattet", meinte der neue Kollege.

Wenn Amos die Konferenz nicht so wichtig fand, dann lag das daran, dass er solche Gelegenheiten ständig hatte. Seine Studenten haben ihn mit einem Comedian verglichen, der in der ganzen Welt auftritt. Er hat immer gedacht und geredet, auch unter der Dusche.

Ein paar Wochen vor der Konferenz war Amos in der Sowjetunion. Er war Teil einer Delegation von Psychologen, die die sowjetische Regierung davon überzeugen sollten, die mathematische Psychologie anzuerkennen.

Die Sowjets waren aber total komisch. Die haben irgendwelche Theorien über Bier und Wodka aufgestellt. Und einer hat die Bedeutung des Lebens mit einer Formel berechnet.

Amos fand das alles total absurd. Und er hat versucht, die Agenten abzuschütteln, die ihn verfolgt haben.

In seinem Hotelzimmer hat Amos aber auch an Daniels Ideen gearbeitet. Er hat alles aufgeschrieben und versucht, eine Theorie daraus zu machen. Er wollte Daniels Ideen in eine Theorie verwandeln. Und er hat das "Schatten-Theorie" genannt. Er meinte, unsere Erwartungen und Emotionen hängen davon ab, welche alternativen Szenarien wir uns vorstellen. "Was ist die Realität?", hat er geschrieben. "Die Realität ist eine Wolke voller Möglichkeiten."

Amos war also nicht desinteressiert, wie Daniel gedacht hat. Aber die beiden konnten nicht mehr so offen miteinander reden wie früher. Sie waren zu weit voneinander entfernt. Und sie wussten genau, wessen Idee was war. Amos hat mal gesagt: "Wir wissen, wessen Idee das ist, weil wir nicht zusammen sind, weil alles in Briefen steht. Früher hätten wir uns einfach angerufen. Aber jetzt steckt man so viel Zeit und Energie in eine Idee, und dann gehört sie einem alleine."

Daniel hat seine Ideen also nicht mehr von Amos verändern lassen. Und die beiden haben sich zwar noch getroffen, aber es war nicht mehr dasselbe. Amos wollte die Zusammenarbeit retten, aber Daniel wollte einen Schlussstrich ziehen. Er wollte nicht mehr im Schatten von Amos stehen.

Das ist ja wirklich eine krasse Geschichte, oder? Was denkt ihr denn so darüber? Irgendwie echt traurig, wie so eine enge Freundschaft kaputtgehen kann. Und wie wichtig es ist, dass man sich gegenseitig wertschätzt und respektiert. Aber ich find's auch total spannend, wie unser Gehirn so tickt, wie wir uns alternative Realitäten vorstellen und wie das unsere Emotionen beeinflusst. Da kann man ja echt mal drüber nachdenken, was wäre, wenn… Naja, bis zum nächsten Mal, Leute!

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