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Calculating...

Also, pass auf, es geht jetzt um das Kapitel 21, ja? Also, äh, das Ding heißt, sinngemäß, irgendwie "Das Blei loswerden". Stell dir vor, in den späten 40ern, da war so ein Typ an der Uni Chicago, Claire Patterson. Klingt ja erstmal englisch, aber der war eigentlich so ein Bauernjunge aus Iowa, echt witzig. Der wollte das genaue Alter der Erde bestimmen, mit so 'ner neuen Blei-Isotopen-Methode. Und was passiert? Alle seine Proben waren verseucht, und zwar total! Die hatten irgendwie 200 Mal mehr Blei als normal, krass, oder?

Jahre später, erst da hat Patterson dann gecheckt, dass das Problem von so einem Typen kam, Thomas Midgley Jr. Der war eigentlich Ingenieur, und, ehrlich gesagt, wäre die Welt besser dran gewesen, wenn er's geblieben wäre. Aber, naja, er hat sich dann für die industrielle Nutzung von Chemie interessiert. Und 1921, bei General Motors in Ohio, da hat er dann Tetramethylblei entdeckt. Das konnte das Motorklopfen voll krass reduzieren.

Schau mal, jeder wusste ja eigentlich schon so Anfang des 20. Jahrhunderts, dass Blei gefährlich ist. Aber trotzdem war das überall drin. Konserven wurden mit Bleilot verschlossen, Wasser wurde in Bleirohren gelagert, Bleiarsenat war als Insektizid auf Obst, und selbst Zahnpastatuben waren aus Blei. Also, echt, fast jedes Produkt hat dem Körper noch ein bisschen mehr Blei reingedrückt, weißt du? Aber am meisten Blei haben die Leute durch das Benzin abbekommen, weil das ja auch noch mit Blei versetzt war.

Blei ist ja so ein Nervengift, ne? Zu viel davon im Körper und dein Gehirn und dein Nervensystem sind hin, für immer. Das kann echt üble Sachen verursachen: Blindheit, Schlaflosigkeit, Nierenversagen, Taubheit, Krebs, Lähmung, Krämpfe. Und im schlimmsten Fall kriegst du krasse Halluzinationen, die total beängstigend sind für dich und alle um dich rum, und dann fällst du ins Koma oder stirbst. Keiner will das, klar, oder?

Aber Blei ist halt auch leicht abzubauen und zu verarbeiten, und die Massenproduktion war super profitabel, und, wie gesagt, Tetramethylblei hat das Motorklopfen verhindert. Also haben 1923 die drei größten amerikanischen Firmen – General Motors, DuPont und Standard Oil of New Jersey – so ein Joint Venture gegründet, die Ethyl Gasoline Corporation. Später hieß die einfach nur Ethyl Corporation. Und die haben so viel Tetramethylblei produziert, wie die Welt nur wollte. Und, ja, die Welt wollte verdammt viel. Sie haben die Firma "Ethyl" genannt, weil das besser klang als "Blei", irgendwie weniger giftig, keine Ahnung.

Am 1. Februar 1923 haben sie dann das Ding auf den Markt gebracht, und zwar so richtig, mit allem was dazugehört. Die Arbeiter in den Fabriken, die hatten sofort die typischen Vergiftungserscheinungen, so Gangunsicherheit und Verwirrung. Aber die Ethyl Corporation hat einfach alles runtergespielt und geleugnet, und das über Jahrzehnte. Sharon Bertsch McGrayne hat das mal in ihrem Buch gesagt: Wenn irgendwelche Arbeiter in den Fabriken unheilbare Halluzinationen hatten, dann hat die Firma frech den Reportern erzählt, dass die Leute wahrscheinlich einfach zu hart gearbeitet hätten. Echt dreist, oder? In den ersten Jahren der Produktion von verbleitem Benzin sind mindestens 15 Arbeiter gestorben und unzählige krank geworden, oft schwer krank. Die genauen Zahlen kennt keiner, weil die Firma fast immer alles vertuschen konnte, Lecks, Unfälle, Vergiftungen, alles geheim gehalten. Aber manchmal ging das halt nicht mehr, besonders 1924, als innerhalb weniger Tage fünf Arbeiter in 'ner schlecht belüfteten Halle gestorben sind und 35 für immer behindert wurden.

Weil dann Gerüchte aufgekommen sind, dass das neue Produkt total gefährlich ist, hat Thomas Midgley Jr., der Erfinder, beschlossen, vor Reportern so eine Art Live-Show abzuziehen. Er hat erzählt, wie sicher alles ist, hat sich verbleites Benzin über die Hände gegossen und eine Tasse voll davon 60 Sekunden lang unter die Nase gehalten. Er hat gesagt, er könnte das jeden Tag machen, ohne dass ihm was passiert. Dabei wusste der ganz genau, wie gefährlich Blei ist. Der war nämlich selber ein paar Monate vorher schwer krank geworden, weil er zu viel davon abbekommen hatte, und danach hat er das Zeug nur noch vor Reportern angefasst, wenn's unbedingt sein musste.

Verbleites Benzin war ein Erfolg, und Midgley hat sich dann dem nächsten technischen Problem zugewandt. In den 20ern waren Kühlschränke total gefährlich, weil die giftige Gase benutzt haben, die oft ausgelaufen sind. 1929 sind in Cleveland, Ohio, über 100 Leute in einem Krankenhaus gestorben, weil so ein Kühlschrank ausgelaufen war. Also hat Midgley angefangen, nach einem Gas zu suchen, das stabil, nicht brennbar, nicht korrosiv und ungefährlich zum Einatmen ist. Und, ja, er hat dann Fluorchlorkohlenwasserstoffe, FCKW, erfunden.

Kaum ein Industrieprodukt wurde so schnell und so katastrophal akzeptiert. In den frühen 30ern wurden FCKW produziert und für tausend Sachen benutzt, von Klimaanlagen bis zu Deosprays. Erst ein halbes Jahrhundert später hat man dann rausgefunden, dass das Zeug die Ozonschicht auffrisst. Und das ist keine gute Sache, klar, oder?

Ozon ist ja so eine Form von Sauerstoff, mit drei Atomen pro Molekül statt den üblichen zwei. Das ist chemisch irgendwie komisch: Am Boden ist das schädlich, aber in der Stratosphäre ist das total wichtig, weil es die gefährliche UV-Strahlung absorbiert. Aber es gibt nicht viel davon. Selbst wenn man das gleichmäßig verteilen würde, wäre die Ozonschicht nur so zwei Millimeter dick. Deswegen ist die so empfindlich.

Und FCKW gibt's auch nicht viel, nur so ein paar Milliardstel der Atmosphäre. Aber das Zeug ist super schädlich. Ein Kilo FCKW kann 70.000 Kilo Ozon einfangen und zerstören. Und FCKW bleibt lange in der Luft, so ein Jahrhundert im Schnitt, und macht die ganze Zeit Schaden. Außerdem absorbiert das viel Wärme. Ein FCKW-Molekül verstärkt den Treibhauseffekt 10.000 Mal stärker als ein Kohlendioxidmolekül, und Kohlendioxid ist ja schon schlimm genug. Unterm Strich könnte sich FCKW als eine der schlimmsten Erfindungen des 20. Jahrhunderts herausstellen.

Midgley hat das aber nie erfahren. Er ist gestorben, bevor man gecheckt hat, wie schädlich FCKW ist. Und sein Tod war auch irgendwie komisch. Er hatte Polio und war gelähmt, und dann hat er so eine Art Maschine erfunden, mit der er sich im Bett aufsetzen und drehen konnte. Und 1944 hat er sich dann in den Seilen verheddert und ist erstickt.

Also, wenn du dich für das Alter von Sachen interessierst, dann war die Uni Chicago in den 40ern echt der richtige Ort. Willard Libby war kurz davor, die Radiokarbonmethode zu erfinden, mit der man das genaue Alter von Knochen und anderen organischen Überresten bestimmen konnte. Das ging vorher nicht. Vorher konnte man das nur bis zur ersten ägyptischen Dynastie zurückverfolgen, so 3000 vor Christus. Keiner wusste genau, wann die letzte Eiszeit aufgehört hat oder wann die Cro-Magnon-Menschen die Lascaux-Höhle bemalt haben.

Libbys Methode war total nützlich, und dafür hat er dann 1960 den Nobelpreis gekriegt. Die basiert darauf, dass alle Lebewesen so ein Kohlenstoffisotop in sich haben, Kohlenstoff-14. Wenn das Lebewesen stirbt, dann zerfällt das Isotop mit einer messbaren Geschwindigkeit. Kohlenstoff-14 hat so eine Halbwertszeit von 5600 Jahren, also die Zeit, in der die Hälfte von einer Probe verschwunden ist. Und wenn man misst, wie viel von einer bestimmten Kohlenstoffprobe schon zerfallen ist, dann kann man das Alter bestimmen, ungefähr. Nach achteinhalb Halbwertszeiten sind nur noch 0,39 % des ursprünglichen Kohlenstoff-14 übrig. Das ist zu wenig, um das genau zu messen. Deswegen kann man mit der Kohlenstoff-14-Methode nur Sachen datieren, die nicht älter als 40.000 Jahre sind.

Aber mit der Zeit hat man dann gemerkt, dass die Methode auch Fehler hat. Erstens hat man rausgefunden, dass so eine Zerfallskonstante in Libbys Formel um 3 % falsch ist. Und bis dahin hatte man schon tausende Berechnungen gemacht. Aber anstatt alle Ergebnisse zu korrigieren, haben die Wissenschaftler beschlossen, die falsche Konstante einfach so zu lassen. Tim Flannery hat mal gesagt: "Dann muss man halt jedes Radiokarbondatum, das man sieht, um ungefähr 3 % reduzieren." Das war aber nicht das einzige Problem. Man hat dann auch schnell gemerkt, dass Kohlenstoff-14-Proben leicht von woanders her verunreinigt werden können, zum Beispiel von so einem kleinen Pflanzenrest, der unbemerkt mit der Probe eingesammelt wurde. Bei jüngeren Proben ist das nicht so schlimm, aber bei älteren Proben kann das ein großes Problem sein, weil es da ja eh schon so wenig Atome gibt. Flannery hat das mal so erklärt: Im ersten Fall ist das so, als wenn in 1000 Dollar ein Dollar fehlt, und im zweiten Fall, als wenn in 2 Dollar ein Dollar fehlt.

Und Libbys Methode basiert ja auf der Annahme, dass die Menge an Kohlenstoff-14 in der Atmosphäre und die Geschwindigkeit, mit der Lebewesen das aufnehmen, immer gleich war. Aber das stimmt halt nicht. Wir wissen jetzt, dass sich die Menge an Kohlenstoff-14 in der Atmosphäre verändert, je nachdem, wie gut das Erdmagnetfeld die kosmische Strahlung ablenkt. Und das kann sich im Laufe der Zeit stark verändern. Das heißt, manche Kohlenstoff-14-Datierungen sind ungenauer als andere. Besonders ungenau sind die Daten aus der Zeit, als die ersten Menschen nach Amerika gekommen sind. Und deswegen streiten sich die Leute da auch immer so.

Und, was vielleicht überraschend ist, die Ergebnisse können auch durch ganz andere Sachen beeinflusst werden, zum Beispiel durch das, was Tiere gefressen haben. Da gab's letztens so einen Fall mit Syphilis. Da haben Archäologen in Hull in einem Kloster so Mönche gefunden, die Syphilis hatten. Und erst dachten sie, die Mönche hatten Syphilis schon vor Kolumbus. Aber dann haben sie rausgefunden, dass die total viel Fisch gegessen haben, und dadurch sehen die Knochen älter aus als sie sind. Die Mönche hatten vielleicht Syphilis, aber wann und wie, das ist immer noch nicht klar.

Weil die Kohlenstoff-14-Methode so viele Fehler hat, haben die Wissenschaftler andere Methoden entwickelt, um alte Sachen zu datieren, zum Beispiel die Thermolumineszenzdatierung und die Elektronenspinresonanzdatierung. Bei der Thermolumineszenzdatierung misst man die Anzahl der Elektronen, die im Boden eingeschlossen sind, und bei der Elektronenspinresonanzdatierung bestrahlt man die Probe mit elektromagnetischen Wellen und misst die Schwingungen der Elektronen. Aber selbst mit den besten Methoden kann man nur Sachen datieren, die nicht älter als 200.000 Jahre sind, und man kann damit keine anorganischen Sachen wie Steine datieren. Aber das ist ja wichtig, wenn man das Alter der Erde bestimmen will.

Das Problem mit der Datierung von Steinen war lange Zeit hoffnungslos. Aber dann kam so ein englischer Professor, Arthur Holmes, der total entschlossen war. Holmes war echt ein Held, sowohl was die Überwindung von Schwierigkeiten als auch was seine Leistungen angeht. In den 20ern, als er eigentlich auf dem Höhepunkt seiner Karriere war, war Geologie nicht mehr so angesagt. Physik war die Wissenschaft der Zeit, und es gab kaum Geld, besonders in England, wo die Geologie ja eigentlich herkommt. Jahrelang war er der einzige Mitarbeiter in der Geologieabteilung der Universität Durham. Und um Gesteine zu datieren, musste er sich oft irgendwelche Geräte leihen oder zusammenbasteln. Einmal hat es ein Jahr gedauert, bis die Uni ihm so eine einfache Addiermaschine besorgt hat. Manchmal musste er seine akademische Arbeit ganz aufgeben, um seine Familie zu ernähren. Er hatte mal so einen Antiquitätenladen in Newcastle, und manchmal konnte er nicht mal die 5 Pfund Jahresbeitrag für die Geologische Gesellschaft bezahlen.

Die Methode, die Holmes benutzt hat, war eigentlich nicht so kompliziert. Die basierte direkt auf der Entdeckung von Ernest Rutherford aus dem Jahr 1904, dass manche Atome mit einer vorhersagbaren Geschwindigkeit von einem Element in ein anderes zerfallen. Und das kann man als Uhr benutzen. Wenn man weiß, wie lange Kalium-40 braucht, um zu Argon-40 zu werden, und man misst die Menge von beiden Elementen in einer Probe, dann kann man das Alter bestimmen. Holmes hat das dann so gemacht, dass er das Verhältnis von Uran zu Blei gemessen hat, um das Alter von Gesteinen zu bestimmen, und damit, so hoffte er, das Alter der Erde.

Aber da gab's viele technische Schwierigkeiten. Holmes brauchte, oder hätte zumindest gerne, so ein modernes Gerät, mit dem man winzige Proben genau messen kann. Aber er hatte ja nur diese Addiermaschine. Trotzdem hat er 1946 ziemlich sicher gesagt, dass die Erde mindestens 3 Milliarden Jahre alt ist, wahrscheinlich sogar noch älter. Das war schon eine krasse Leistung. Aber dann gab's wieder so ein Problem: Seine Kollegen waren total konservativ und haben seine Leistung nicht anerkannt. Viele haben seine Methode zwar gut gefunden, aber sie haben gesagt, dass er damit nicht das Alter der Erde, sondern nur das Alter des Materials bestimmt hat, aus dem die Erde besteht.

Und genau da hat dann Harrison Brown von der Uni Chicago so eine neue Methode entwickelt, um Blei-Isotope in magmatischen Gesteinen, also Gesteinen, die durch Hitze entstanden sind, zu messen. Das war total viel Arbeit, und deswegen hat er das seinem jungen Studenten Claire Patterson als Dissertationsprojekt gegeben. Er hat ihm versprochen, dass es "kinderleicht" wäre, mit seiner Methode das Alter der Erde zu bestimmen. Aber das hat dann doch ein paar Jahre gedauert.

1948 hat Patterson mit dem Projekt angefangen. Und im Vergleich zu Thomas Midgleys bunten und geschichtsträchtigen Beiträgen war Pattersons Arbeit eher so still und leise. Sieben Jahre lang, erst an der Uni Chicago und dann am California Institute of Technology, hat er in keimfreien Laboren gearbeitet, alte Gesteinsproben ausgesucht und das Verhältnis von Blei zu Uran gemessen.

Das Problem beim Bestimmen des Erd-Alters ist, dass man super alte Gesteine braucht, mit Kristallen, die Blei und Uran enthalten, und die fast so alt sind wie die Erde selbst. Wenn die Gesteine jünger sind, dann kriegt man ja ein falsches Ergebnis. Und solche alten Gesteine gibt's kaum auf der Erde. In den 40ern wusste keiner, warum. Erst mit dem Raumfahrtzeitalter hat man dann eine Erklärung gefunden, warum es keine alten Gesteine auf der Erde gibt. Das liegt an der Plattentektonik, aber dazu kommen wir noch. Patterson musste das alles mit sehr wenig Material hinkriegen. Und dann hatte er die Idee, dass er ja Gesteine von außerhalb der Erde benutzen kann. Er hat sich Meteoriten angeschaut.

Er hatte die Vermutung, und die war richtig, dass viele Meteoriten so eine Art Baumaterial aus der frühen Zeit des Sonnensystems sind. Die haben noch die ursprüngliche chemische Zusammensetzung. Und wenn man das Alter von diesen Steinen misst, dann hat man ungefähr das Alter der Erde.

Aber das ist leichter gesagt als getan. Es gibt nicht viele Meteoriten, und es ist nicht so einfach, an Proben zu kommen. Und Browns Messmethode war auch nicht perfekt, die musste man noch verbessern. Das größte Problem war, dass Pattersons Proben, sobald die mit Luft in Berührung gekommen sind, total stark mit Blei aus der Atmosphäre verunreinigt wurden. Deswegen hat er dann so ein keimfreies Labor gebaut, das erste der Welt, zumindest laut einer Quelle.

Patterson hat sieben Jahre lang gearbeitet, bis er genug Proben für die endgültigen Tests hatte. Im Frühjahr 1953 hat er die Proben ins Argonne National Laboratory in Illinois gebracht. Da gab's so ein neues Massenspektrometer, mit dem man die winzigen Mengen an Uran und Blei in den Kristallen messen konnte. Und dann hatte Patterson endlich seine Ergebnisse. Er war so aufgeregt, dass er direkt nach Iowa zu seiner Mutter gefahren ist, die ihn dann ins Krankenhaus gebracht hat, weil er dachte, er hätte einen Herzinfarkt.

Kurz danach hat Patterson auf einer Konferenz in Wisconsin verkündet, dass die Erde 4,55 Milliarden Jahre alt ist, mit einer Abweichung von 70 Millionen Jahren. McGrayne hat gesagt: "Diese Zahl hat 50 Jahre gehalten." Nach 200 Jahren hatte die Erde endlich ein Alter.

Patterson hat sich dann sofort dem Problem mit dem Blei in der Atmosphäre zugewandt. Er war total überrascht, dass das wenige, was man über die Auswirkungen von Blei auf den Körper wusste, fast alles falsch oder irreführend war. Aber das war ja auch kein Wunder, weil die Studien über die Auswirkungen von Blei alle von den Herstellern von Bleizusätzen finanziert wurden.

In einer dieser Studien hat so ein Arzt, der keine Ahnung von chemischer Pathologie hatte, ein Fünfjahresprojekt übernommen. Er hat Freiwillige immer mehr Blei einatmen oder schlucken lassen und dann deren Kot und Urin untersucht. Aber der Arzt wusste wohl nicht, dass Blei nicht einfach ausgeschieden wird, sondern sich in Knochen und Blut anreichert. Und genau deswegen ist Blei ja so gefährlich. Er hat weder die Knochen noch das Blut untersucht. Und deswegen hat er gesagt, dass Blei keine Auswirkungen auf die Gesundheit hat.

Patterson hat dann schnell festgestellt, dass es in der Atmosphäre viel zu viel Blei gibt, und immer noch gibt, weil das Blei ja nicht einfach verschwindet. Ungefähr 90 % davon kam aus den Auspuffrohren von Autos. Aber er konnte das nicht beweisen. Er brauchte eine Möglichkeit, die Bleikonzentration in der heutigen Atmosphäre mit der Konzentration vor 1923 zu vergleichen, als die Ethyl Corporation angefangen hat, das Zeug zu verkaufen. Und dann hatte er die Idee, dass Eiskernproben die Antwort sein könnten.

Man weiß ja, dass es in Grönland jedes Jahr so Schichten von Schnee gibt, weil sich die Farben von Winter zu Sommer leicht unterscheiden. Wenn man diese Schichten zählt und den Bleigehalt in jeder Schicht misst, dann kann man die Bleikonzentration in der Atmosphäre für jedes Jahr der letzten Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende berechnen. Und das ist die Grundlage der Eiskernforschung. Viele moderne Klimastudien basieren darauf.

Patterson hat dann rausgefunden, dass es vor 1923 kaum Blei in der Atmosphäre gab. Und danach ist die Konzentration gefährlich angestiegen. Und dann hat er sich zum Ziel gesetzt, das Blei aus dem Benzin zu verbannen. Dafür hat er die Bleiindustrie und ihre Lobbyisten immer wieder kritisiert, und zwar ziemlich heftig.

Und das war ein harter Kampf. Die Ethyl Corporation war eine total mächtige Firma, mit vielen Freunden. Einer von denen war Lewis Powell, so ein Richter vom obersten Gerichtshof, und Gilbert Grosvenor von der National Geographic Society. Patterson hat dann gemerkt, dass seine Forschungsgelder entweder gestrichen oder schwer zu bekommen waren. Das American Petroleum Institute hat so einen Vertrag mit ihm gekündigt, und das US Public Health Service auch, obwohl das ja eigentlich so eine neutrale Behörde ist.

Patterson wurde für seine Uni immer mehr zum Problem. Leute von der Bleiindustrie haben immer wieder Druck auf die Mitglieder des Kuratoriums vom Caltech ausgeübt, dass sie ihn entweder zum Schweigen bringen oder feuern sollen. Jamie Lincoln Kitman hat 2000 in der Zeitschrift "The Nation" geschrieben, dass die Ethyl Corporation dem Caltech so einen Lehrstuhl anbieten wollte, "wenn Patterson dafür gefeuert wird". Und dann wurde so eine Kommission vom National Research Council eingesetzt, um die Gefahren von Bleivergiftung in der Atmosphäre zu untersuchen. Und Patterson wurde da einfach nicht eingeladen, obwohl er ja eigentlich der Experte für das Thema war.

Aber Patterson hat sich nie entmutigen lassen. Und wegen seiner Arbeit wurde dann 1970 der Clean Air Act verabschiedet, und 1986 wurde in den USA der Verkauf von verbleitem Benzin verboten. Die Bleikonzentration im Blut der Amerikaner ist fast sofort um 80 % gesunken. Aber weil Blei so schwer abzubauen ist, hat jeder Amerikaner heute immer noch ungefähr 625 Mal mehr Blei im Blut als die Leute vor 100 Jahren. Und die Bleimenge in der Atmosphäre steigt immer noch um ungefähr 100.000 Tonnen pro Jahr, legal, hauptsächlich durch Bergbau, Hüttenwesen und Industrie. Und die USA haben Blei in Haushaltsfarben erst viel später als die meisten europäischen Länder verboten, so 44 Jahre später, laut McGrayne. Und es ist echt unglaublich, dass die USA erst 1993 aufgehört haben, Bleilot für Konservendosen zu benutzen, wenn man bedenkt, wie giftig Blei ist.

Die Ethyl Corporation gibt's immer noch, obwohl General Motors, Standard Oil und DuPont keine Anteile mehr an der Firma haben. Die haben ihre Anteile 1962 an die Albemarle Paper Manufacturing Company verkauft. Laut McGrayne hat die Ethyl Corporation bis Februar 2001 immer noch behauptet, dass "Studien gezeigt haben, dass verbleites Benzin weder für die Gesundheit noch für die Umwelt eine Gefahr darstellt". In ihrer Firmengeschichte auf der Website steht nichts über Blei oder Thomas Midgley, nur dass ihre ursprünglichen Produkte "irgendeine chemische Mischung" enthalten haben.

Die Ethyl Corporation produziert kein verbleites Benzin mehr, aber laut ihrem Bericht von 2001 hat sie im Jahr 2000 immer noch 25,1 Millionen Dollar mit Tetramethylblei verdient, von insgesamt 795 Millionen Dollar. Das war etwas mehr als 1999 mit 24,1 Millionen Dollar, aber weniger als 1998 mit 117 Millionen Dollar. Die Firma hat in ihrem Bericht gesagt, dass sie "die Einnahmen aus Tetramethylblei maximieren will, obwohl die weltweite Nutzung sinkt". Die Ethyl Corporation verkauft Tetramethylblei weltweit durch so eine Vereinbarung mit der British Octel Corporation.

Und was das andere Problem angeht, das Thomas Midgley uns hinterlassen hat, die FCKW, die wurden in den USA schon 1974 verboten. Aber das Zeug ist hartnäckig. Das, was man früher in die Atmosphäre gepustet hat, zum Beispiel durch Deos oder Haarsprays, ist fast sicher immer noch da und frisst Ozon, auch wenn wir schon lange tot sind. Und noch schlimmer ist, dass wir immer noch jedes Jahr jede Menge FCKW in die Atmosphäre pusten. Laut Wayne Biddle werden immer noch über 27 Millionen Kilo von dem Zeug verkauft, für 1,5 Milliarden Dollar. Und wer produziert das? Wir, also viele große Firmen, produzieren das immer noch in ihren Fabriken im Ausland. Und in den Entwicklungsländern ist das erst ab 2010 verboten.

Claire Patterson ist 1995 gestorben. Er hat für seine Arbeit keinen Nobelpreis bekommen. Geologen kriegen das ja nie. Und obwohl er sich so lange und selbstlos eingesetzt hat, hat er nicht viel Anerkennung bekommen. Er war wahrscheinlich der einflussreichste Geologe des 20. Jahrhunderts. Aber wer hat schon mal von Claire Patterson gehört? Die meisten Geologiebücher erwähnen ihn gar nicht. Und in zwei Bestsellern über die Geschichte der Altersbestimmung der Erde wurde sein Name falsch geschrieben. Anfang 2001 gab's in der Zeitschrift "Nature" so eine Buchbesprechung über eins dieser Bücher, und da stand dann, Patterson wäre eine Frau gewesen.

Aber, egal, dank Claire Pattersons Arbeit hat die Erde seit 1953 endlich ein Alter, mit dem alle leben können. Das einzige Problem ist jetzt, dass sie älter ist als alles um sie rum.

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