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Also, wo fange ich denn da am besten an? Ach ja, genau, also es gab da diesen britischen Wissenschaftler, C.T.R. Wilson, der ist, glaub ich, so um 1911 immer auf den Berg Ben Nevis hochgekraxelt, um Wolken zu studieren. Der Berg liegt in Schottland, und, naja, da ist es halt echt feucht. Irgendwann hat er sich gedacht, es muss doch irgendwie einfacher gehen. Zurück im Cavendish-Labor in Cambridge hat er dann so eine Art künstliche Nebelkammer gebaut – so'n simples Ding, in dem er Luft abkühlen und befeuchten konnte. Damit konnte er dann so'n halbwegs brauchbares Wolkenmodell im Labor erzeugen, unter den dortigen Bedingungen.
Das Ding hat super funktioniert und hatte sogar noch so 'nen total unerwarteten Vorteil. Als Wilson dann so ein Alpha-Teilchen durch die Nebelkammer gejagt hat, um so künstliche Wolken zu erzeugen, hat das 'ne total klare Spur hinterlassen, so ähnlich wie 'ne Kondensstreifen von 'nem Flugzeug. Er hat damit quasi so'n Teilchendetektor erfunden und damit echt überzeugende Beweise dafür geliefert, dass es subatomare Teilchen überhaupt gibt.
Später haben dann noch zwei andere Wissenschaftler im Cavendish-Labor stärkere Protonenbeschleuniger gebaut. Und Ernest Lawrence hat in Kalifornien an der Uni Berkeley das berühmte Zyklotron entwickelt, oder, wie man's damals so genannt hat, den Atomzertrümmerer. Deren Prinzip war eigentlich immer gleich, also im Prinzip wie auch heute noch. Man beschleunigt ein Proton oder irgendein anderes geladenes Teilchen auf einer Bahn, manchmal kreisförmig, manchmal linear, auf 'ne mega Geschwindigkeit und lässt es dann gegen ein anderes Teilchen knallen. Und dann guckt man, was so alles wegfliegt. Deswegen eben Atomzertrümmerer. Streng genommen ist das jetzt keine Raketenwissenschaft, aber, generell, hat's funktioniert.
Und als die Physiker dann immer größere und ambitioniertere Maschinen gebaut haben, haben sie dann immer mehr Teilchen entdeckt oder eben vermutet, unzählige Teilchen oder Teilchenfamilien: Pionen, Myonen, Hyperonen, Mesonen, K-Mesonen, Higgs-Bosonen, intermediäre Vektorbosonen, Baryonen, Tachyonen. Irgendwann wurde das sogar den Physikern zu viel. So nach dem Motto: "Junger Mann," hat Enrico Fermi mal gesagt, als ihn 'n Student nach dem Namen von irgendeinem Teilchen gefragt hat, "wenn ich mir die ganzen Teilchen merken könnte, wäre ich Botaniker geworden."
Heute klingen die Namen von den Beschleunigern eher so nach Waffen aus so'm Flash Gordon Film: Super-Protonen-Synchrotron, Large Electron-Positron Collider, Large Hadron Collider, Relativistic Heavy Ion Collider. Die benutzen so viel Energie, manche dürfen die nur nachts laufen lassen, damit die Leute in den Nachbarstädten nicht merken, wenn das Licht flackert. Die beschleunigen Teilchen dann so mega schnell, dass so ein Elektron in weniger als einer Sekunde 47.000 Runden in so'nem 7 Kilometer langen Tunnel dreht. Manche hatten Angst, dass die Wissenschaftler aus Versehen 'n schwarzes Loch erzeugen, oder sogenannte "Strangelets". Das sind theoretische Teilchen, die mit anderen subatomaren Teilchen reagieren und dann 'ne unkontrollierbare Kettenreaktion auslösen könnten. Aber, naja, wenn du das hier gerade hörst, ist das ja nicht passiert.
Die Suche nach Teilchen ist 'ne echt konzentrierte Angelegenheit. Die sind nicht nur winzig und schnell, sondern auch mega kurzlebig. Teilchen können in, Achtung, 0,000 000 000 000 000 000 000 001 Sekunden entstehen und wieder verschwinden. Selbst die instabilsten Teilchen leben nicht länger als 0,000 000 1 Sekunden.
Und manche Teilchen sind fast unmöglich einzufangen. Jede Sekunde erreichen 1 Billion Billionen Neutrinos die Erde, die meisten kommen von den thermonuklearen Reaktionen in der Sonne, und die fliegen einfach durch den Planeten und alles drauf durch, inklusive dir und mir, als ob die Erde gar nicht existieren würde. Um überhaupt ein paar von denen einzufangen, müssen Wissenschaftler in unterirdischen Laboren, meistens in alten Bergwerken, Behälter mit bis zu 57.000 Kubikmetern Schwerwasser aufstellen, weil da die Strahlung von anderen Quellen nicht so stört.
Und dann, in ganz seltenen Fällen, kracht so ein Neutrino mit 'nem Atomkern im Wasser zusammen und erzeugt 'n bisschen Energie. Und die Wissenschaftler, die zählen dann, wie viele von diesen bisschen Energien da entstehen, um dann die grundlegenden Eigenschaften des Universums zu verstehen. 1998 haben japanische Forscher dann berichtet, dass Neutrinos doch 'ne Masse haben, aber nicht viel, ungefähr ein Zehntelmillionstel der Masse eines Elektrons.
Heutzutage kostet die Teilchensuche vor allem Geld, und zwar richtig viel. In der modernen Physik ist die Größe von dem, was man sucht, oft umgekehrt proportional zur Größe der Geräte, die man dafür braucht. Das CERN, das Europäische Kernforschungszentrum, ist fast schon 'ne Kleinstadt. Das liegt an der Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz, hat 3.000 Angestellte und erstreckt sich über mehrere Quadratkilometer. Das CERN hat 'ne ganze Reihe von Magneten, die schwerer sind als der Eiffelturm, und die liegen in so'nem 26 Kilometer langen Tunnel unter der Erde.
Atomkerne zu spalten, das ist relativ einfach, das geht schon, wenn man 'ne Leuchtstoffröhre einschaltet, aber um Atomkerne wirklich zu zertrümmern, braucht man schon 'ne Menge Geld und Strom. Und um Teilchen in Quarks zu zerlegen, also die Teilchen, aus denen die Teilchen bestehen, braucht man noch mehr Strom und noch mehr Geld: Billionen von Watt und das Budget von 'nem kleinen mittelamerikanischen Land. Der Large Hadron Collider, also der große Hadronen-Speicherring, der sollte so um 2005 in Betrieb gehen und 14 Billionen Watt erzeugen. Die Baukosten lagen bei über 1,5 Milliarden Dollar. Übrigens, diese teuren Projekte haben auch praktische Nebenprodukte. Das World Wide Web, also das Internet, ist zum Beispiel 'ne Erfindung vom CERN, von Tim Berners-Lee, aus dem Jahr 1989.
Aber die Zahlen sind gar nichts im Vergleich zu dem, was der Superconducting Super Collider hätte leisten und kosten sollen. In den 80ern hat man in Texas mit dem Bau von so'nem Superconducting Super Collider angefangen, aber der hat sich dann mit dem US-Kongress angelegt, und der ist dann leider nie fertig geworden. Der Collider sollte den Wissenschaftlern ermöglichen, die Bedingungen im Universum kurz nach dem Urknall zu simulieren, um die "ultimative Natur der Materie" zu erforschen, wie es immer so schön heißt. Die Teilchen sollten in so'nem 84 Kilometer langen Tunnel auf unglaubliche 99 Billionen Watt beschleunigt werden. Das war 'n gigantisches Projekt, aber die Baukosten lagen bei 8 Milliarden Dollar, am Ende sogar 10 Milliarden, und der Betrieb hätte jedes Jahr mehrere Hundert Millionen Dollar gekostet.
Das war wahrscheinlich das beste Beispiel dafür, wie man Geld in den Sand setzen kann. Der US-Kongress hat 2,2 Milliarden Dollar ausgegeben und dann den Bau nach 22 Kilometern Tunnel gestoppt. Jetzt können die Texaner stolz auf das teuerste Loch der Welt sein. Ein Freund von mir, Jeff Guinn, der Autor von "Fort Worth: A Biographical Portrait", hat mal gesagt: "Das ist eigentlich nur 'ne große leere Fläche, umgeben von 'ner Reihe enttäuschter Kleinstädte."
Nach dem Scheitern des Super Colliders haben die Teilchenphysiker ihre Erwartungen etwas runtergeschraubt. Aber selbst die kleineren Projekte können ziemlich teuer sein. Jemand hat vorgeschlagen, in so'nem alten Bergwerk in South Dakota, der Homestake Mine, 'n Neutrino-Observatorium zu bauen. Das hätte 500 Millionen Dollar gekostet, plus die jährlichen Betriebskosten. Und dann noch 281 Millionen Dollar für "allgemeine Umbauten". Gleichzeitig hat das Fermilab in Illinois 260 Millionen Dollar für neue Materialien ausgegeben.
Kurz gesagt, Teilchenphysik ist 'n teures Hobby, aber auch ein lohnendes. Mittlerweile gibt's über 150 verschiedene Teilchen, und es werden noch mal so 100 vermutet. Aber leider, um es mit Richard Feynman zu sagen: "Es ist schwer, den Sinn all dieser Teilchen zu verstehen, was die Natur damit will und wie sie zusammenhängen." Jedes Mal, wenn man 'ne Kiste öffnet, findet man 'ne neue, verschlossene Kiste drin. Manche glauben, es gibt Tachyonen, die sich schneller als Licht bewegen. Manche wollen das Graviton finden, das Teilchen, das die Gravitation vermittelt. Wie tief wir schon gegraben haben, ist schwer zu sagen. Carl Sagan hat mal gesagt, wenn man in ein Elektron reinbohren würde, würde man feststellen, dass es selbst ein Universum ist, das an die Science-Fiction-Geschichten aus den 50ern erinnert. "Darin bilden viel kleinere Teilchen Galaxien und kleinere Strukturen, die selbst wieder Universen sind, und so weiter, immer weiter, Universum im Universum, ohne Ende, und das auch nach oben."
Für die meisten von uns ist das 'ne unvorstellbare Welt. Heutzutage muss man selbst für 'ne Einführung in die Teilchenphysik erst mal 'ne Sprachbarriere überwinden. Zum Beispiel: "Geladene Pionen und Anti-Pionen zerfallen in ein Myon plus ein Anti-Neutrino bzw. ein Anti-Myon plus ein Neutrino mit einer durchschnittlichen Lebensdauer von 2,603 × 10^-8 Sekunden; neutrale Pionen zerfallen in 2 Photonen mit einer durchschnittlichen Lebensdauer von ca. 0,8 × 10^-16 Sekunden; Myonen und Anti-Myonen zerfallen in..." Und das ist noch aus 'nem Buch von Steven Weinberg, der eigentlich versucht, das Ganze für 'n breiteres Publikum zu erklären.
In den 60ern hat der Physiker Murray Gell-Mann versucht, das Ganze zu vereinfachen und 'ne neue Teilchenklassifikation erfunden. Das hat, wie Steven Weinberg sagt, "die riesige Anzahl der Hadronen ein Stück weit übersichtlicher gemacht". Hadronen ist 'n Sammelbegriff für Protonen, Neutronen und andere Teilchen, die der starken Kernkraft unterliegen. Gell-Manns Theorie besagt, dass alle Hadronen aus noch kleineren, noch fundamentaleren Teilchen bestehen. Richard Feynman wollte diese neuen Teilchen eigentlich Partonen nennen, aber das hat sich nicht durchgesetzt. Am Ende wurden sie Quarks genannt.
Gell-Mann hat den Namen aus 'nem Satz aus James Joyce's Roman "Finnegans Wake": "Three quarks for Muster Mark!". Physiker haben das dann auf "storks" oder "larks" gereimt, obwohl Joyce wahrscheinlich eher an die zweite Aussprache gedacht hat. Diese grundlegende Einfachheit der Quarks hat aber nicht lange angehalten. Je mehr man über Quarks wusste, desto feiner musste man sie klassifizieren. Obwohl Quarks zu klein sind, um 'ne Farbe, 'n Geschmack oder irgendeine andere chemische Eigenschaft zu haben, wurden sie in sechs Sorten unterteilt: Up, Down, Strange, Charm, Top und Bottom. Physiker nennen das komischerweise ihre "Flavors", also Geschmacksrichtungen. Und dann wurden sie noch in die Farben Rot, Grün und Blau unterteilt. Wahrscheinlich sind diese Namen in den psychedelischen 60ern in Kalifornien entstanden. Das ist kein Zufall.
Am Ende entstand dann das sogenannte Standardmodell. Das ist quasi 'n Baukasten für die subatomare Welt. Das Standardmodell besteht aus 6 Quarks, 6 Leptonen, 5 bekannten Bosonen und einem hypothetischen Boson, dem Higgs-Boson, benannt nach dem schottischen Wissenschaftler Peter Higgs, plus 3 der 4 physikalischen Kräfte: die starke Kernkraft, die schwache Kernkraft und die elektromagnetische Kraft.
Das heißt, die grundlegenden Bausteine der Materie sind Quarks. Quarks werden von Teilchen namens Gluonen zusammengehalten. Quarks und Gluonen bilden zusammen die Materie im Atomkern, also Protonen und Neutronen. Leptonen sind die Quelle von Elektronen und Neutrinos. Quarks und Leptonen werden zusammen als Fermionen bezeichnet. Bosonen, benannt nach dem indischen Physiker Satyendra Nath Bose, sind die Teilchen, die Kräfte erzeugen und übertragen, darunter Photonen und Gluonen. Und das Higgs-Boson, das gibt's vielleicht, vielleicht auch nicht. Das wurde erfunden, um Teilchen Masse zu verleihen.
Das Modell ist schon etwas unhandlich, aber es ist das einfachste Modell, mit dem man die gesamte Teilchenwelt erklären kann. Die meisten Teilchenphysiker finden das Standardmodell, wie Leon Lederman in 'ner Doku gesagt hat, nicht besonders elegant oder einfach. "Es ist zu komplex, es hat zu viele willkürliche Parameter," sagte Lederman. "Wir verstehen eigentlich nicht, warum der Schöpfer 20 Knöpfe drehen musste, um 20 Parameter einzustellen, um das Universum zu erschaffen, das wir kennen." Physik hat ja eigentlich das Ziel, die ultimative Einfachheit zu finden, aber bisher ist alles nur 'n wunderschönes Durcheinander, oder, wie Lederman sagte: "Wir haben das tiefe Gefühl, dass dieses Bild nicht schön ist."
Das Standardmodell ist nicht nur unhandlich, sondern auch unvollständig. Zum einen erwähnt es die Gravitation überhaupt nicht. Man findet im ganzen Standardmodell keine Erklärung dafür, warum ein Hut nicht von alleine von 'nem Tisch zur Decke fliegt. Um Teilchen Masse zu verleihen, muss man das hypothetische Higgs-Boson einführen. Ob das wirklich existiert, wird das 21. Jahrhundert zeigen. Wie Feynman schon sagte: "Wir stecken mit dieser Theorie in der Zwickmühle, wir wissen nicht, ob sie richtig oder falsch ist, aber wir wissen, dass sie irgendwie falsch ist, oder zumindest unvollständig."
Physiker haben versucht, alles zusammenzubringen, und haben die sogenannte Superstringtheorie entwickelt. Diese Theorie besagt, dass Quarks und Leptonen, die wir bisher für Teilchen gehalten haben, eigentlich "Strings" sind, also vibrierende Energiefäden, die in 11 Dimensionen schwingen. 3 Dimensionen kennen wir, die Raumdimensionen, plus die Zeit, und 7 weitere Dimensionen, die wir, naja, noch nicht kennen. Diese Strings sind so winzig, dass wir sie als Punktteilchen wahrnehmen.
Durch die Einführung zusätzlicher Dimensionen kann die Superstringtheorie die Quantengesetze und die Gravitationsgesetze relativ gut vereinen. Das bedeutet aber auch, dass jede Erklärung dieser Theorie irgendwie beunruhigend klingt, so wie wenn dir 'n Fremder auf 'ner Parkbank irgendwas erzählt und du langsam weggehst. Zum Beispiel erklärt der Physiker Michio Kaku die Struktur des Universums aus Sicht der Superstringtheorie so: "Heterotische Strings bestehen aus 'nem geschlossenen String mit zwei Schwingungsmodi, einem im Uhrzeigersinn und einem gegen den Uhrzeigersinn, die unterschiedlich behandelt werden müssen. Die Schwingung im Uhrzeigersinn existiert in einem 10-dimensionalen Raum. Die Schwingung gegen den Uhrzeigersinn existiert in einem 26-dimensionalen Raum, von denen 16 komprimiert wurden. Wir wissen, dass im ursprünglichen 5-dimensionalen Raum von Kaluza die 5. Dimension zu 'nem Kreis aufgerollt und komprimiert wurde."
Und so weiter, auf 350 Seiten.
Die Stringtheorie hat dann zur sogenannten M-Theorie geführt. Diese Theorie hat die sogenannten "Branen", also Flächen, in die Seele der physikalischen Welt aufgenommen. Hier sind wir wahrscheinlich an dem Punkt angelangt, an dem die meisten Leute aussteigen. Die New York Times hat das mal so einfach wie möglich erklärt:
"In ferner, ferner Vergangenheit begann ein magmatischer Prozess mit einem Paar flacher, leerer Membranen; sie lagen parallel zueinander in einem aufgerollten 5-dimensionalen Raum... Die beiden Membranen bildeten die Wände der 5. Dimension und entstanden wahrscheinlich in noch fernerer Vergangenheit als Quantenfluktuation aus dem Nichts, um dann wieder zu verschwinden."
Da kann man nichts gegen sagen, und man kann es auch nicht verstehen. Übrigens, "magmatisch" kommt aus dem Griechischen und bedeutet "brennend".
Mittlerweile ist die Physik an dem Punkt angelangt, an dem, wie Paul Davies in "Nature" gesagt hat, "es für Nicht-Physiker fast unmöglich ist, zwischen 'nem normalen Spinner und 'nem totalen Verrückten zu unterscheiden". Interessanterweise kam es im Herbst 2002 zu 'nem kritischen Moment. Zwei französische Physiker, die Zwillingsbrüder Igor und Grichka Bogdanov, haben 'ne Theorie über extrem hohe Dichten aufgestellt, mit Konzepten wie "imaginärer Zeit" und "Cooper-Schwinger-Martin-Bedingungen", um das Nichts zu beschreiben, also das Universum vor dem Urknall. Diese Zeit galt eigentlich als unerforschlich, weil sie vor der Entstehung physikalischer Phänomene und ihrer Eigenschaften lag.
Die Bogdanov-Theorie hat fast sofort 'ne Kontroverse ausgelöst: War das jetzt Unsinn, 'ne geniale Leistung oder 'n Betrug? "Aus wissenschaftlicher Sicht ist das ziemlich offensichtlich Unsinn," sagte der Physiker Peter Woit von der Columbia University gegenüber der New York Times, "aber in letzter Zeit unterscheidet es sich nicht so sehr von vielen anderen Veröffentlichungen."
Karl Popper, von Steven Weinberg als "der Gigant der modernen Wissenschaftsphilosophen" bezeichnet, hat mal gesagt, dass es in der Physik wahrscheinlich keine endgültige Theorie gibt, dass jede Erklärung 'ne weitere Erklärung braucht, in einer "endlosen Kette immer grundlegenderer Prinzipien". Die gegenteilige Möglichkeit ist, dass dieses Wissen für uns einfach unbegreiflich ist. "Zum Glück," schrieb Weinberg in "Dreams of a Final Theory", "scheinen unsere intellektuellen Ressourcen noch nicht erschöpft zu sein."
Es wird fast sicher weitere Erkenntnisse in diesem Bereich geben, und es ist fast genauso sicher, dass diese Erkenntnisse für die meisten von uns unverständlich sein werden.
Während die Physiker Mitte des 20. Jahrhunderts verwirrt die kleine Welt beobachteten, stellten die Astronomen fest, dass auch das Verständnis des großen Universums unvollständig war.
Wir hatten ja schon gesagt, dass Edwin Hubble festgestellt hat, dass sich fast alle Galaxien, die wir sehen können, von uns wegbewegen, und dass diese Geschwindigkeit proportional zur Entfernung ist: Je weiter die Galaxie entfernt ist, desto schneller bewegt sie sich. Hubble hat festgestellt, dass man das mit 'ner einfachen Formel ausdrücken kann: Ho=v/d (Ho ist 'ne Konstante, v ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Galaxie entfernt, d ist ihre Entfernung zu uns).
Ho wird seitdem als Hubble-Konstante bezeichnet, und die ganze Formel als Hubble-Gesetz. Hubble hat mit seiner Formel das Alter des Universums auf ca. 2 Milliarden Jahre berechnet. Die Zahl war etwas komisch, weil schon in den 20ern klar wurde, dass viele Dinge im Universum, wahrscheinlich auch die Erde selbst, älter sein mussten. Die Zahl zu verbessern war das Ziel der Kosmologen.
Das Einzige, was sich an der Hubble-Konstanten nie geändert hat, ist, dass die Meinungen darüber auseinandergingen. 1956 haben die Astronomen entdeckt, dass die Cepheiden, das sind spezielle Sterne, variabler sind als gedacht. Sie lassen sich in zwei Klassen einteilen, nicht nur in eine. Also haben sie neu gerechnet und kamen auf 'n neues Alter des Universums von ca. 7 bis 20 Milliarden Jahren. Das war nicht besonders genau, aber zumindest alt genug, um die Entstehung der Erde zu erklären.
In den folgenden Jahren gab es 'ne lange Auseinandersetzung zwischen Allan Sandage, dem Nachfolger von Hubble am Mount Wilson Observatorium, und dem französischstämmigen Astronomen Gerard de Vaucouleurs von der University of Texas. Sandage hat nach jahrelangen Berechnungen gesagt, dass die Hubble-Konstante 50 ist und das Universum 20 Milliarden Jahre alt ist. Vaucouleurs war genauso überzeugt, dass die Hubble-Konstante 100 ist. Das heißt, das Universum wäre nur halb so groß und alt wie Sandage dachte, also 10 Milliarden Jahre. 1994 wurde die Sache dann noch unsicherer. Ein Team vom Carnegie Observatories in Kalifornien hat mit Messungen des Hubble-Weltraumteleskops gesagt, dass das Universum nur 8 Milliarden Jahre alt ist. Das war, wie sie selbst zugaben, jünger als manche Sterne im Universum. Im Februar 2003 hat dann 'n Team von der NASA und dem Goddard Space Flight Center in Maryland mit dem Wilkinson Microwave Anisotropy Probe, 'nem neuen Satelliten, selbstbewusst verkündet, dass das Universum 13,7 Milliarden Jahre alt ist, plusminus 100 Millionen Jahre. Damit war die Sache erst mal erledigt, zumindest für 'ne Weile.
Eine endgültige Antwort zu finden ist schwer, weil es oft viel Interpretationsspielraum gibt. Stell dir vor, du stehst nachts auf 'ner leeren Fläche und willst die Entfernung zwischen zwei Lichtern in der Ferne bestimmen. Mit einfachen astronomischen Hilfsmitteln kann man leicht feststellen, dass die beiden Lampen gleich hell sind und dass die eine Lampe 50 % weiter entfernt ist als die andere. Aber man kann nicht genau sagen, ob die näher gelegene Lampe 'ne 58-Watt-Lampe in 37 Metern Entfernung ist, oder 'ne 61-Watt-Lampe in 36,5 Metern Entfernung. Außerdem muss man Verzerrungen berücksichtigen, die durch die Erdatmosphäre, interstellaren Staub, Hintergrundsterne und viele andere Faktoren entstehen. Also basieren die Berechnungen auf einer Reihe von Annahmen, die alle strittig sein können. Und es ist immer teuer, Teleskope zu benutzen. In der Vergangenheit war das Messen der Rotverschiebung zeitaufwendig und teuer. Man brauchte oft 'ne ganze Nacht, um 'ne Aufnahme zu machen. Das Ergebnis war, dass Astronomen oft auf der Grundlage von wenig Evidenz Schlussfolgerungen gezogen haben. In der Kosmologie bauen wir, wie der Journalist Jeffrey Carr sagte, "Berge von Theorien auf Maulwurfshügeln von Beweisen". Oder wie Martin Rees sagte: "Unsere momentane Zufriedenheit mit unserem Erkenntnisstand spiegelt vielleicht den Mangel an Daten wider, nicht die Qualität der Theorie."
Diese Unsicherheit gilt übrigens nicht nur für das ferne Universum, sondern auch für Dinge in unserer Nähe. Wenn Astronomen sagen, dass die Galaxie M87 60 Millionen Lichtjahre entfernt ist, dann sagen sie eigentlich, dass sie zwischen 40 und 90 Millionen Lichtjahre entfernt ist, was nicht ganz dasselbe ist. Das Ganze wird natürlich im großen Universum noch verstärkt. Deswegen sind unsere besten Schätzungen für das Alter des Universums im Moment ca. 12 bis 13,5 Milliarden Jahre, aber es gibt noch lange keine Einigkeit.
In letzter Zeit gibt es 'ne interessante Theorie, dass das Universum gar nicht so groß ist, wie wir dachten. Manche Galaxien, die wir in der Ferne sehen, sind vielleicht nur Spiegelbilder, die durch reflektiertes Licht erzeugt werden.
Es gibt noch viel, was wir nicht wissen, selbst auf grundlegender Ebene, zumindest wissen wir nicht, wie das Universum aufgebaut ist. Wenn Wissenschaftler berechnen, wie viel Materie benötigt wird, um Dinge zusammenzuhalten, stellen sie immer fest, dass es nicht genug ist. Mindestens 90 %, vielleicht sogar 99 % des Universums besteht aus "dunkler Materie", wie Fritz Zwicky das genannt hat, also irgendwas, das wir nicht sehen können. Wir leben in 'nem Universum, das wir größtenteils nicht sehen können, und wir können nichts dagegen tun. Das ist schon etwas frustrierend. Es gibt mindestens zwei Hauptverdächtige: Entweder sind das "WIMPs" ("Weakly Interacting Massive Particles"), also unsichtbare, winzige Teilchen, die vom Urknall übrig geblieben sind, oder "MACHOs" ("Massive Astrophysical Compact Halo Objects"), also einfach nur schwarze Löcher, braune Zwerge und andere Sterne, die wenig Licht aussenden.
Teilchenphysiker tendieren zu Teilchen, also WIMPs, und Astrophysiker zu Sternen, also MACHOs. MACHOs waren mal im Vorteil, aber man hat nicht genug von denen gefunden, also hat sich der Wind wieder in Richtung WIMPs gedreht. Das Problem ist, dass WIMPs noch nie gefunden wurden. Weil ihre Wechselwirkungen so schwach sind, sind sie schwer zu identifizieren, selbst wenn es sie gäbe. Kosmische Strahlung stört zu sehr. Also müssen die Wissenschaftler tief unter die Erde. In einem Kilometer Tiefe ist die kosmische Strahlung nur noch ein Millionstel so stark wie an der Oberfläche. Aber selbst wenn man das alles berücksichtigt, sagt ein Kommentator: "Das Universum stimmt in der Bilanz um zwei Drittel nicht überein." Nennen wir das Ganze einfach mal "DUNNOS" ("Dark Unknown Non-Reflective Obscure Objects").
In letzter Zeit gibt es Anzeichen dafür, dass sich die Galaxien nicht nur von uns wegbewegen, sondern dass sie sich immer schneller wegbewegen. Das widerspricht den Erwartungen. Es scheint, dass das Universum nicht nur mit dunkler Materie gefüllt ist, sondern auch mit dunkler Energie. Wissenschaftler nennen das manchmal Vakuumenergie oder Quintessenz. Wie auch immer, das Universum scheint sich immer weiter auszudehnen, und keiner weiß, warum. Eine Theorie besagt, dass der leere Raum gar nicht leer ist, dass ständig Teilchen und Antiteilchen entstehen und wieder verschwinden, und dass die das Universum immer schneller auseinander treiben. Unglaublicherweise ist die Lösung für all das vielleicht Einsteins kosmologische Konstante, die er in die allgemeine Relativitätstheorie eingeführt hat, um die Vorstellung eines sich ausdehnenden Universums zu widerlegen, und die er selbst als "die größte Eselei meines Lebens" bezeichnet hat. Jetzt scheint es, als ob er doch Recht hatte.
Letztendlich leben wir in 'nem Universum, dessen Alter wir nicht genau kennen. Um uns herum sind Sterne, deren Entfernung zu uns und zueinander wir nicht genau kennen. Das Universum ist voll mit Materie, die wir nicht identifizieren können. Und das Universum funktioniert nach physikalischen Gesetzen, deren Natur wir nicht wirklich verstehen.
Mit so einer unsicheren Ausgangslage kehren wir zurück zur Erde und betrachten mal das, was wir wirklich verstehen. Obwohl, wenn du das bis hierher gehört hast, bist du wahrscheinlich nicht überrascht, wenn ich sage, dass wir es doch nicht ganz verstehen. Und wir sprechen darüber, was wir lange nicht verstanden haben, aber jetzt verstehen.