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Calculating...

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Ja, hallo erstmal, ähm, also, Kapitel 12, ne? Geht's ums Geschichtenerzählen, genauer gesagt, um Geschichten, die von persönlichem Wachstum handeln. Da war doch dieser Ethan, genau. Der is' von Brooklyn, mitten in der Stadt, raus aufs Land zu seinen Eltern gezogen, wegen der Pandemie, ne? War ja 'n richtiger Exodus aus New York, damals. Der war so lange allein in seiner Wohnung, hat kaum noch Sonne gesehen. Tagsüber rausgehen war ihm zu riskant, also isser abends, wenn's ruhiger war, spazieren gegangen. Hat ein bisschen geholfen, aber irgendwie auch nich' so richtig. Er hat sich total allein gefühlt, schlimmer als je zuvor. Sein Job in der Medienbranche, bei so 'ner britischen Firma, der hat ihm plötzlich nix mehr bedeutet. Alle waren irgendwie lustlos, und die Arbeit, die er vorher so wichtig fand, war plötzlich total unwichtig angesichts der ganzen Weltlage. Fast alle seine Freunde waren schon weggezogen aus der Stadt, aber er hatte so lange wie möglich durchgehalten. Er war immer so stolz auf seine Unabhängigkeit, aber jetzt hat sich das irgendwie nicht mehr gelohnt. Also hat er 'n paar Klamotten gepackt und is' ab nach Norden.

Tja, und Ethan war ja 'n waschechter Stadtmensch, ne? Hatte keinen Führerschein, kein Auto, natürlich nicht. Pflanzen in der Wohnung, das war ihm zu viel Verpflichtung, und vom Gärtnern hatte er so überhaupt keine Ahnung, außer mal so 'n paar Pilze im Badezimmer. Aber kaum war er bei seinen Eltern, hat seine Mutter angefangen, den Garten für den Sommer vorzubereiten. Und was soll ich sagen, erstaunlicherweise hat ihn ihre Begeisterung für Rosen, Schmuckkörbchen, Akeleien und Taglilien irgendwie angesteckt.

Und jetzt, ein paar Jahre später, sind beide total verrückt nach dem Garten. Ethan is' jetzt der unbezahlte Gärtner der Familie, und er hat irgendwie fünfunddreißig verschiedene Sorten Taglilien im Garten, plus 'n paar Hybriden, mit denen er rumexperimentiert.

Und das ist ja das Ding, ne? Wenn man was Neues lernt, was man sich selbst aussucht, in seiner eigenen Zeit, aus seinen eigenen Gründen, dann ist das 'n super Mittel gegen dieses Gefühl von innerer Leere. Man denkt ja immer, Bildung hat nur mit Schule zu tun, und wenn man arbeitet, ist das Thema durch. Aber es macht total Spaß, auch im Alter noch neue Sachen zu lernen. Und selbst wenn man was lernen muss, was man eigentlich nich' will, kann man da 'n Sinn drin finden, wenn man 'n Bezug zu seinem Leben oder seinen Interessen herstellen kann. Und noch besser is', wenn man dann auch noch stolz auf seine persönliche Entwicklung sein kann.

Man muss ja nich' gleich 'n teures Segelboot kaufen oder stundenlang Golf spielen lernen. Man kann einfach mal "Taglilien" googeln und gucken, wo einen die Neugierde hintreibt. Stricken wird erst teuer, wenn man schottische Wolle will, und man kann ja auch während 'ner langweiligen Videokonferenz stricken. Man kann sich aussuchen, wie viel Zeit, Geld und Aufwand man in sein neues Hobby steckt. Aber was Neues auszuprobieren, das können wir doch alle, jetzt, sofort. Aber eins is' wichtig: Man sollte es aus den richtigen Gründen tun.

Also es gibt ja den äußeren Weg, ne? Da lernt man was, um 'n Skill zu erwerben, um anzugeben, um besser zu sein als andere. Und dann gibt's den inneren Weg: Da lernt man was Neues, um sich zu verändern, um 'n anderes Bild von sich selbst zu bekommen, um zu sehen, was man alles kann.

Ich find's wichtig, dass man sich verbessern kann, und dass man weiß, dass man das kann. Das nenn ich Selbstoptimierung, und das is' 'n wichtiger Teil von 'nem positiven Selbstbild, also 'n Weg zum Aufblühen. Ethan hat das ja auch gemerkt, als er wieder nach Brooklyn gezogen is', und statt Netflix zu gucken, hat er sich informiert, wie man Rosenbüsche im Winter schützt. Er war jetzt Gärtner, ob er wollte oder nicht. Aber dadurch, dass er aus freien Stücken was Neues gelernt hat, hat er sich verändert, zum Positiven.

Ich stell mir das Selbst vor wie 'n System, wie die Heizung oder die Klimaanlage im Haus. Die misst die Temperatur, vergleicht die mit den Einstellungen, und heizt oder kühlt dann das Haus.

So ähnlich sammelt unser Selbst Informationen über unsere Stärken und Schwächen, wie wir uns in verschiedenen Situationen verhalten, wie wir wahrgenommen werden, und vergleicht das mit dem Bild, das wir von uns selbst haben.

Der Psychologe Dan McAdams sagt, dass wir in der Jugend anfangen, "Historiker unseres Selbst" zu werden, und unsere Erfahrungen in Geschichten verpacken, die uns 'n Sinn geben. Diese Geschichten können sich ändern, aber sie werden oft sehr wichtig, und wir treffen Entscheidungen aufgrund dieser Geschichten. Zum Beispiel, dass man nicht wie seine Mutter werden will, oder dass man denkt, dass einem alles gelingt, oder dass man immer zu spät kommt und sein Leben nich' auf die Reihe kriegt, oder dass man 'ne bestimmte Fähigkeit hat: Ich kenn mich aus mit Blumen im Nordosten, oder: Ich bin 'n Taglilien-Experte. McAdams meint:

Lebensgeschichten sind wie 'n Werkzeug. Wir benutzen sie, um Entscheidungen zu treffen und voranzukommen. Das is' super, wenn diese Geschichten positiv sind, wenn sie Hoffnung geben, wenn sie uns sagen, dass wir gute Menschen sind, wenn sie unsere Erfolge feiern und uns helfen, Leid zu überwinden. Aber die Geschichte muss auch zu unseren Erfahrungen passen. Wenn man gerade 'ne echt schlimme Zeit hat, dann bringt's nix, sich 'ne total rosarote Geschichte zusammenzuspinnen. Das wär nich' ehrlich.

Obwohl schwierige Ereignisse unsere Selbstbilder negativ beeinflussen können, wollen wir eigentlich zwei Dinge: Erstens, dass alles stimmig is'. Wenn wir Feedback bekommen, das nich' zu unserem Selbstbild passt, dann versuchen wir sofort, das zu ändern. Wenn wir uns für ehrlich halten und jemand uns des Lügens verdächtigt, dann versuchen wir, unsere Ehrlichkeit zu beweisen.

Und zweitens wollen wir 'n positives Bild von uns selbst haben, also suchen wir nach positiven Informationen über uns. Wir versuchen, Erfolge uns selbst zuzuschreiben und Misserfolge dem Pech, und wir wollen uns am liebsten alle für überdurchschnittlich halten. Das nennt man "illusorische Überlegenheit", aber das is' vor allem in Nordamerika verbreitet. Studien haben gezeigt, dass die meisten Amerikaner sich für überdurchschnittlich halten, egal ob's um Kreativität, Intelligenz, Verlässlichkeit, Sportlichkeit, Ehrlichkeit, Freundlichkeit oder Autofahren geht.

Tja, und was machen wir jetzt mit diesen ganzen Informationen? Wir vergleichen uns mit anderen, gucken, wo wir stehen. Wir probieren verschiedene Selbstbilder in unseren Beziehungen mit Freunden, Eltern, Lehrern und Kollegen aus. Und wir vergleichen uns mit unserem früheren Ich, gucken, wie wir uns verändert haben.

Und wie die Klimaanlage, die heizt oder kühlt, hat auch unser Selbst System Reaktionen. Forscher nennen das emotionale System oft die Heizung und das kognitive System die Kühlung. Aber anders als die Klimaanlage kann das Selbst beides gleichzeitig aktivieren.

Wenn etwas eindeutig gut oder schlecht is', dann passen unsere Gefühle und Gedanken dazu. Aber wenn etwas gemischt is', dann können Gefühle und Gedanken auseinandergehen. Man kann sich so fühlen, aber anders denken.

Stellt euch vor, ihr habt monatelang für 'ne wichtige Prüfung gelernt, die eure Karriere entscheiden soll. Und dann kommt kurz vor der Prüfung 'n alter Freund zu Besuch und hat 'ne Karte für das Konzert eurer Lieblingsband. Ihr lasst alles stehen und liegen und geht hin. Das is' 'n unvergessliches Erlebnis. In dem Moment fühlt sich das super an, aber am nächsten Morgen seid ihr müde, habt 'n Kater und schlechtes Gewissen.

Ihr denkt, ihr hättet euch 'ne Auszeit verdient, aber ihr seid auch enttäuscht von euch selbst, weil ihr nicht in Topform für die Prüfung seid. Was, wenn ihr die Prüfung vergeigt, nur weil ihr euch den Abend gegönnt habt? Auch wenn's 'ne einmalige Gelegenheit war?

Man kann sich schlecht fühlen und positive Gedanken haben, und umgekehrt. Vielleicht hättet ihr mehr lernen sollen. Aber vielleicht war der Abend mit eurem Freund ja wichtiger?

Jeden Tag gehen Schüler und Studenten in die Schule, um was Neues zu lernen. Wenn das an sich schon gut wär', dann müssten junge Leute ja die glücklichsten Menschen sein. Aber das is' ja nich' so. Gerade wenn sie mit der Schule fertig sind, studieren oder ins Berufsleben einsteigen, fühlen sie sich oft leer.

Damit Lernen zum psychischen Wohlbefinden beiträgt, muss es 'ne freie Entscheidung sein, etwas zu verstehen, das persönlich wichtig is'. Erwachsene stehen ständig vor neuen Herausforderungen, wie Familie, Gesundheit, Finanzen oder Karriere. Da muss man sich oft neues Wissen aneignen.

Die Weisheit, die wir im Laufe des Lebens sammeln, hört nie auf zu wachsen. Nur weil man nich' Jura studiert hat, heißt das nich', dass man nach der Schule aufgehört hat zu lernen. Man sollte sich selbst dafür loben! Lernen is' 'ne Entscheidung, und man kann sich immer wieder dafür entscheiden. Aber man muss dem Wissen auch 'n Wert geben, damit es zum positiven Selbstbild beiträgt. Und dieses Wissen kann man überall finden, wo man es am wenigsten erwartet.

Ich kenn da so 'ne Frau, die letztes Jahr angefangen hat, Geige zu spielen. Die Sheila, die is' 55, und ihr jüngstes Kind geht bald studieren. Ihr Mann hat 'nen anstrengenden Job und muss viel reisen. Und Sheila hatte 'ne schwere Autoimmunerkrankung, und das hat sie sehr frustriert. Jetzt geht's ihr wieder gut, und sie hat 'n erfülltes Leben, aber sie hat immer noch so 'n Gefühl von Leere. Vielleicht wegen der Krankheit, vielleicht weil sich bald was ändert, wenn das Kind auszieht. Jedenfalls hat sie sich gedacht, sie muss mal wieder was für sich tun. Ihre Kinder haben ja alle ihre Hobbys aufgegeben, also lagen da 'ne Menge Instrumente rum. Und sie hat sich gefragt, ob sie Geige lernen könnte.

Jetzt spielt sie schon über 'n Jahr, und sie sagt, das Sprichwort stimmt: "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr." Als Erwachsener was Neues zu lernen, is' echt schwer! Und bald hat sie ihr erstes großes Konzert. Die meisten anderen sind Teenager. Und die Eltern der anderen Kinder bewundern sie dafür, wie "mutig" sie ist, dass sie sich immer wieder blamiert und Woche für Woche was Neues probiert.

Und ich hab sie gefragt, ob sie das ärgert, wenn die sie mutig nennen.

Und sie hat gelacht und gesagt: "Ja, ich bin mutig!"

Sheila hat mir erzählt, dass sie sich oft ausgegrenzt fühlt, weil sie 'ne farbige Frau in 'ner kleinen Stadt is'. Sie will 'ne Stimme haben, 'ne Meinung, die zählt, 'ne Identität außerhalb von Ehefrau, Mutter oder Elternbeirat. Und als sie ihren Job aufgegeben hat, um Kinder großzuziehen, wollte sie eigentlich nich' ihre Stimme verlieren.

Die Geige hat ihr ihre Stimme wiedergegeben, sagt sie. Sie fühlt sich jünger, lebendiger, unabhängiger, weniger dem Schicksal ausgeliefert und mehr selbstbestimmt. Sie lernt und wächst, und das begeistert sie jedes Mal, wenn sie ihren Bogen in die Hand nimmt.

Und jetzt kommt 'n kleiner Plan:

Wenn ich nicht arbeiten müsste, wie würde ich meinen Tag verbringen?

Wen bewundere ich, und warum?

Wie kann ich mehr Menschen treffen, die ich bewundere?

Wer fordert mich am meisten heraus, und warum?

Wie kann ich mehr Menschen treffen, die mich herausfordern?

Welche Möglichkeiten und Zukunftsaussichten machen mir Angst, und warum?

Wie kann ich mein Leben verändern, ohne Schuldgefühle zu haben?

Wie kann ich Herausforderungen suchen, anstatt vor ihnen wegzulaufen?

Wie kann ich aus der Vergangenheit lernen, ohne in ihr zu leben?

Wie kann ich mich selbst mehr oder anders wertschätzen als bisher?

Ich bin ja Professor, und ich sehe jeden Tag, wie Lernen funktioniert. Meine Studenten kommen in meine Kurse, um zu lernen, und ich lerne immer noch, wie ich 'n besserer Lehrer sein kann.

Mir is' aufgefallen, dass sich das Studentenleben sehr verändert hat. Als ich studiert hab', war es mein größter Erfolg, überhaupt 'n Abschluss zu machen. Der Druck, gut zu sein, kam von mir selbst. Ich hab meine Studienfächer und Kurse ganz allein ausgesucht, ohne jemanden zu fragen.

Heutzutage is' das anders. Viele Studenten haben das Gefühl, sie hätten versagt, wenn sie nicht in dem Fach gut sind, das ihre Eltern stolz machen würde. Selbst wenn sie 'n guten Notenschnitt haben, aber 'n Fach gewählt haben, mit dem sie nicht so gut sind wie ihre Eltern, dann denken sie, ihre Eltern wären enttäuscht.

Der amerikanische Traum vom sozialen Aufstieg, besser zu sein als die Eltern, is' irgendwie zum Alptraum geworden. Dieser Erfolgsdruck stresst viele meiner Studenten total. Und das nimmt ihnen meiner Meinung nach die Freude am Lernen, die Neugierde, die neuen Leidenschaften. Hat das Lernen in unserem modernen Bildungssystem, an den besten Unis der Welt, seine Fähigkeit verloren, uns zum Aufblühen zu bringen?

Meine Studenten haben so 'ne Angst vor 'ner schlechteren Note als 'ner Zwei, dass ich, als Professor für 'n Glücks-Kurs, viele Möglichkeiten finden musste, ihnen Aufgaben zu geben, bei denen sie sich erfolgreich fühlen können. Aber wie soll Lernen oder Lehren da Spaß machen?

Ich musste was ändern, um mehr Spaß und Leidenschaft in die Sache zu bringen, aber ich wusste lange nich', was. Dann hab ich gemerkt, dass ich selbst vergessen hatte, wie man lernt! Und dadurch hatte ich auch die Freude am Unterrichten verloren. Hat mein Kurs über Glück meine Studenten vielleicht nur noch unglücklicher gemacht?

Ich musste meine Art zu unterrichten ändern. Ich musste den Stoff so relevant wie möglich für das Leben meiner Studenten machen. Also hab ich jeden Kurs komplett überarbeitet. Ich hab jedes Thema aus der Perspektive betrachtet, wie meine Studenten den Stoff jetzt oder in Zukunft nutzen können. Ich hab die Menge an Lesestoff auf maximal zwei Artikel pro Woche reduziert, und oft waren das Artikel aus Mainstream-Magazinen wie Scientific American, The Economist, Vanity Fair und Rolling Stone.

Ich hab YouTube-Videos gezeigt und TED Talks zugewiesen, aber selbst die hab ich sorgfältig ausgewählt, damit sie auch emotional ansprechend sind. Und dann gab's in jedem Semester Momente im Unterricht, in denen die Studenten wegen des Stoffs weinen mussten. Es gab sehr berührende Momente, als wir über Sterben, Versagensängste oder Lebensmüdigkeit gesprochen haben.

Meine Studenten haben natürlich zugehört und mitgeschrieben, aber sie haben diese Momente auch in ihrem eigenen Leben erlebt. Sie hatten Angst, ihre Eltern zu enttäuschen, sie trauerten um ihre verstorbenen Großeltern, sie hatten Angst, nie Liebe zu finden. Sogar 'n einfacher Dankesbrief konnte den Unterricht zum Stillstand bringen.

Ich hatte endlich rausgefunden, wie ich meine Lektionen für das Leben meiner Studenten relevant machen konnte, nicht nur für die Leute im Lehrbuch. Und das hat auch mir wieder Spaß am Unterrichten gemacht. Meine Kurse waren innerhalb von fünf Minuten voll. Und meine Studenten haben geschrieben, dass sie in meinem Kurs Sachen gelernt haben, die sie in ihrem Leben anwenden können.

Die Veränderungen, die ich vorgenommen hatte, haben mich verändert, das is' sicher. Und ich hatte den Eindruck, dass es auch das Leben meiner Studenten verändern würde. Zumindest haben sie mir das noch Monate und Jahre später erzählt. Für viele Studenten war meine neue Art zu unterrichten 'ne Möglichkeit, darüber nachzudenken, wie sich ihre täglichen Entscheidungen auf sie auswirken.

Ich hab aufgehört zu unterrichten, als ob sie mein Fach lernen müssten, und angefangen zu unterrichten, als ob sie was über sich selbst lernen müssten.

Ich war mal bei 'ner Verhaltenstherapeutin, und die hat gesagt, dass sie höchstens 20 Prozent zu meiner Verbesserung beitragen kann. Den Rest, 80 Prozent, muss ich selbst machen. Sie kann mich anleiten, aber die Arbeit kann sie mir nicht abnehmen. Um meine negativen Gedanken zu stoppen, muss ich selbst üben, üben, üben, bis ich sie stoppen und durch positive Gedanken ersetzen kann.

Wenn ich durch unerwartete Situationen oder Leute getriggert wurde, hab ich gelernt, meine negativen Gedanken zu überwinden. Aber ich musste auch unangenehme Tatsachen akzeptieren. Manchmal musste ich zugeben, dass es schwierige Erfahrungen aus meiner Vergangenheit waren, die meine Gefühle verstärkt haben, nicht die Person, mit der ich gerade wütend war. Ich musste akzeptieren, dass ich nicht kontrollieren kann, wie sich andere verhalten, aber ich kann wählen, wie ich reagiere, welche Bedeutung ich einem Ereignis gebe und welche Grenzen ich setze.

Ich will das Leid der Menschen nicht herunterspielen. Viele Menschen haben Ungerechtigkeit und Schmerz erlebt. Aber viele unserer Probleme, unsere Reaktionen auf Schwierigkeiten, sind Gewohnheiten. Sie existieren in uns, und wir sind die Einzigen, die sie verändern können.

Ich musste auch 'ne wichtige Lektion von 'nem Zen-Buddhisten lernen, der gesagt hat: "Corey, was dir auch immer gerade passiert, es ist das Beste, was dir passieren kann." Zuerst dachte ich: "Ja, klar, wenn alles gut läuft. Aber wie soll das stimmen, wenn alles schiefgeht? Wie soll das für Leute gelten, die Missbrauch, Vernachlässigung, Trauma oder Tod erlebt haben? Wie soll das jemals das Beste sein, was mir passieren kann?" Was für 'n Quatsch, hab ich gedacht.

Aber er hat seine Worte gemildert, um mir seinen Standpunkt zu erklären. Die buddhistische Philosophie sagt, dass wir mit allem, was uns passiert, mit vollem Bewusstsein sitzen und versuchen sollten, es zu akzeptieren, ohne zu urteilen. Und dieses Bewusstsein wird langsam zu der Erkenntnis, dass wir durch das Leid mit der ganzen Welt verbunden sind.

Wie ich schon gesagt hab', gibt uns der Aufbau von Toleranz gegenüber negativen Emotionen mehr Kontrolle darüber, wie wir reagieren. Ich glaube immer noch nicht, dass Menschen, die Traumata erleben, "das Beste" passiert, aber ich kann mich damit anfreunden, dass es gut is', sich des Schmerzes bewusst zu sein. Vielleicht wär "Was dir auch immer gerade passiert, ist das Einzige, was dir passieren konnte" genauer. Wenn's passiert is', is' es passiert.

In ihrem Buch "Wenn alles zusammenbricht" schreibt die buddhistische Nonne Pema Chödrön, dass wir "Neuland betreten und uns mit der Haltlosigkeit unserer Situation entspannen können... indem wir die dualistische Spannung zwischen uns und ihnen, dies und das, gut und schlecht auflösen, indem wir das einladen, was wir normalerweise vermeiden."

Chödröns Lehrer nannte das "sich auf die scharfen Punkte zubewegen". Mein Zen-Buddhistischer Freund stimmte dem zu; er sagte, dass ich, wenn 'ne Katastrophe passiert, wenn etwas schiefgeht, wenn ich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werde, ich aus den negativen und tragischen Erfahrungen lernen muss, anstatt vor ihnen davonzulaufen. Ich muss die Einstellung annehmen, dass das das Einzige is', was ich jetzt in meinem Leben hab', egal wie sehr ich es mir anders wünschen würde. Ich muss mich dem stellen und bessere Entscheidungen treffen. Zuerst hab ich geübt, Reaktionen zu wählen, die die Sache nicht schlimmer machen. Mit mehr Übung konnte ich so handeln, dass es mir und der Situation besser ging, auch wenn meine negativen Gefühle mich in die entgegengesetzte Richtung ziehen wollten.

Aber so sehr ich auch an die Vorzüge dieser Überzeugung glaubte, dass ich mit dem Schmerz arbeiten musste, brauchte ich Beispiele von tugendhaften Menschen, die so etwas schaffen. Ich wollte Mentoren, oder zumindest Leute, die ich bewundern und die mich inspirieren konnten.

Wir alle kennen Menschen, die wir bewundern, weil sie viel durchgemacht haben, aber gut geblieben oder sogar besser geworden sind. Jemanden zu bewundern bedeutet zu wissen, dass seine guten Eigenschaften echt sind und dass er das Lob verdient, das er bekommt. Aber was passiert, wenn wir anfangen, uns mit diesen Menschen zu vergleichen, anstatt sie einfach nur zu bewundern?

Was viele von uns daran hindert, uns zu verbessern, is' die Entmutigung, die durch den sozialen Vergleich entsteht. Es sind nicht nur die Selfies auf Instagram, auch LinkedIn is' voll von Leuten, die auf Konferenzen gehen, Vorträge halten, ihren Abschluss machen. TikTok besteht aus Leuten, die nach Anerkennung suchen, für ihre Tanzkünste, ihre süßen Haustiere, ihre Kochkünste und vieles Schlimmeres. Früher haben nur Familie und Freunde an unserer Freude teilgenommen. Jetzt posten wir darüber, wir werfen es in die Welt, wie Konfetti, ohne Kontrolle darüber, wo es landet.

Vergleich kann uns in negativen Gefühlen gefangen halten. Minderwertigkeitsgefühle oder Erschöpfung: Wie sollen wir jemals die Zeit oder das Geld für 'nen Kochkurs finden? Wut: Wir denken heimlich, dass unser Kollege die Beförderung nicht verdient hat. Neid: Wir sehen Erfolg als Nullsummenspiel, als hyperkompetitive Kultur, die uns daran erinnert, dass das Glück anderer zwangsläufig unser eigenes Scheitern bedeutet. Sokrates glaubte, dass Neid das Geschwür der Seele is'. Ständige Gedanken darüber, dass wir nicht mithalten können, dass wir nicht gut genug sind und es nie sein werden, stoppen das persönliche Wachstum.

Bewunderung funktioniert anders. Sie lenkt unsere Aufmerksamkeit nach innen, weil andere uns dazu inspiriert haben, 'n besserer Mensch zu werden. Mehr Bewunderung für andere is' mit zwei Elementen des Aufblühens verbunden: mehr Sinn im Leben und mehr persönliches Wachstum.

Forscher haben festgestellt, dass Neid negativ mit allen möglichen Maßen des Wohlbefindens zusammenhängt. Leute mit weniger Neid haben bessere Beziehungen, mehr Sinn im Leben und mehr persönliches Wachstum; sie akzeptieren sich selbst besser, übernehmen mehr Verantwortung für ihr Leben und sind selbstbewusster. Wenn wir den Neid leiser und die Bewunderung lauter drehen, dann wachsen wir persönlich.

Für die meisten Menschen erfordert das Überwinden des Dahinsiechens 'ne stärkere Konzentration darauf, besser im Leben zu funktionieren, Veränderungen vorzunehmen, die uns das Gefühl geben, dass wir uns verbessert haben. Wir denken, dass die Ergebnisse dieser Veränderung an sich schon lohnend sind.

Aber vielleicht auch nich'. Vor ein paar Jahren hab ich versucht, zu messen, wie viel Spaß den Leuten Selbstverbesserung macht. Und ich war überrascht, dass die meisten Leute lieber so bleiben, wie sie sind, egal wie gut sie sich gerade fühlen. Deshalb können so viele Menschen den alten Mustern nicht entkommen. Andere reißen sich zwar raus, fallen aber schnell wieder zurück.

Noch seltsamer war, dass unsere Forschung ergeben hat, dass mehr Verbesserungen in der Ehe, im Beruf oder als Elternteil mehr negative Gefühle erzeugen. Außerdem führten mehr Verbesserungen zu weniger positiven Emotionen. Gleichzeitig berichteten Leute, die mehr Verbesserungen sahen, von mehr persönlichem Wachstum. Verbesserungen zu machen is' vielleicht nich' angenehm, aber es bedeutet, dass man merkt, dass man 'n besserer Mensch wird.

Warum soll positive Veränderung so unangenehm sein? Bedeuten diese Ergebnisse, dass wir uns nie verbessern sollten? Dass das Streben nach 'nem besseren Partner, Freund, Elternteil und Mitarbeiter nur zu Negativität führen wird?

Die Forschung deutet darauf hin, dass unser Wunsch nach Selbstkonsistenz uns zurückhält. Viele Leute machen nur so viele Verbesserungen, wie sie unbedingt müssen, aber fast nie so viele, wie sie sich wünschen oder wie nötig wären. Aber man kann sich 'n besseres Selbst in der Zukunft vorstellen. Man kann sich sogar sagen, dass der Weg nach vorn 'ne absolute Notwendigkeit is'. In manchen Fällen geht es um Leben und Tod.

Jeder, der versucht, 'n besserer Mensch zu werden, wird versucht sein, die Schwierigkeiten des Wachstums so schnell wie möglich zu überwinden. Wir mögen keinen Schmerz; wir wollen ihn betäuben, vor ihm weglaufen, ihn so schnell wie möglich überwinden. Aber oft stellen wir fest, dass wir zu so viel mehr fähig sind, als wir uns vorgestellt haben.

Wir alle haben begrenzte mentale und emotionale Ressourcen, und manchmal bleibt nicht genug Energie, um die Veränderungen zu schaffen, die wir uns wünschen. Wenn man mit 'ner psychischen Erkrankung, Barrieren oder Unterdrückung zu kämpfen hat, is' es vielleicht nich' so einfach, sich einfach "anzustrengen".

Wie die Therapeutin K. C. Davis in "Wie man ein Haus in Ordnung hält, während man ertrinkt" geschrieben hat:

Viele Selbsthilfegurus schreiben ihren Erfolg ihrer eigenen harten Arbeit zu, ohne auf ihre Privilegien zu achten. Man sieht das, wenn 'n zwanzigjähriger Fitness-Influencer zu 'ner alleinerziehenden Mutter sagt: "Wir haben alle die gleichen 24 Stunden!" Der Fitness-Influencer musste sich nur anstrengen, um Veränderungen in seiner Gesundheit zu sehen, und geht davon aus, dass das alles is', was anderen fehlt. Die alleinerziehende Mutter hat aber ganz andere Anforderungen und Einschränkungen. Sie braucht nicht nur Anstrengung, sondern auch Kinderbetreuung, Geld für Sportkurse und zusätzliche Zeit und Energie am Ende des Tages, wenn sie neun Stunden gearbeitet und dann fünf Stunden für Kinder und Haushalt aufgewendet hat.

Davis fügte hinzu, dass "verschiedene Leute anders kämpfen, und Privilegien sind nicht der einzige Unterschied". 'N Lifehack, der für jemanden auf einem Teil des Neurodiversitätsspektrums funktioniert, kann jemanden, dessen Gehirn anders funktioniert, nur frustrieren. Unsere individuellen Stärken, Interessen und Persönlichkeiten bedeuten, dass persönliches Wachstum nicht für alle gleich funktioniert. Seien wir ehrlich: Viele von uns haben wahrscheinlich das Gefühl, dass wir einfach zu beschäftigt sind, um Veränderungen in unserem Leben vorzunehmen. Meistens schaffen wir es ja kaum durch den Tag, geschweige denn, dass wir noch was auf unsere To-Do-Liste schreiben: 18:00–21:00 Uhr: An der Selbstverbesserung arbeiten. Reicht doch, oder?

Wenn man sich Ziele für das persönliche Wachstum setzt, sollte man sich daran erinnern, dass es okay is', im eigenen Tempo vorzugehen.

Jeden Tag kann man versuchen, eine Sache anders zu machen als am Vortag. Vielleicht klappt's, vielleicht nich'. Niemand beurteilt die kleinen Erfolge und Neuanfänge außer einem selbst. Und man sollte sich daran erinnern, dass man am nächsten Tag 'ne neue Chance hat, es wieder zu versuchen, und dass man sich auf das konzentrieren kann, was einem am leichtesten fällt und am meisten motiviert.

Man kann sich kleine Ziele setzen, wie jeden Monat ein Buch über 'n Thema zu lesen, das einen interessiert. Und man kann seine Vorgehensweise an die eigenen Bedürfnisse, das Temperament und die Persönlichkeit anpassen. Vielleicht funktioniert es nich', vor dem Schlafengehen neben 'ner Kerze zu lesen. Was, wenn man sich das Buch mit Kopfhörern anhört, während man seine täglichen Aufgaben erledigt?

Es scheint, dass Menschen von den Dingen abgehalten werden können, die sie eigentlich wollen, wenn sie nicht gefordert werden. Wir Soziologen haben da so 'n Wort für: Stressoren. Stress is' 'ne physiologische Reaktion in unserem Körper, die Ressourcen mobilisiert, um Gefahren oder Widrigkeiten zu bewältigen. Ein Stressor is' 'ne echte Widrigkeit, 'n Ereignis oder 'ne Situation, die Veränderungen im Leben oder in den Umständen darstellt, und die verlangt, dass man sich an die Veränderung anpasst.

Es gibt 'n Begriff in der Stress- und Altersforschung, der hier relevant is': "Bewältigbare Schwierigkeiten". Wenn Stressoren eintreffen, die "genau richtig" sind, dann glauben wir, dass die Veränderungen und Herausforderungen bewältigt werden können, auch wenn sie unsere Fähigkeiten übersteigen, aber bewältigbar erscheinen. Wir müssen das Gefühl haben, dass die Dinge in Reichweite sind, auch wenn sie es nich' sind. Eine Freundin von mir nennt das "Stretch Assignments", Aufgaben, die erreichbar, aber nich' unbedingt einfach sind. So sieht gutes Wachstum für sie aus.

Heiraten is' für die meisten Menschen 'n positives Ereignis, auf das man sich freut, aber wenn es passiert, is' es 'n Stressor. Da is' zum einen die Hochzeit, die man organisieren muss. Und dann muss man sich mit dem Verheiratetsein auseinandersetzen, 'ner echten Veränderung, die Anpassungen von beiden Seiten erfordert. Viele positive Veränderungen erfordern, dass wir unser Leben anpassen, und das kann Stressreaktionen auslösen.

Eine große Hochzeit zu feiern, is' eine Sache, aber was is' mit Ereignissen, die 'n weniger positives, aber immer noch bewältigbares Maß an Widrigkeiten schaffen, wie das Nichtbestehen 'ner Prüfung, 'n Umzug in 'ne neue Stadt oder die Ablehnung 'nes neuen Projekts? All diese leicht negativen, aber auf jeden Fall überlebbaren Ereignisse haben das Potenzial, zu persönlichem Wachstum zu führen, wenn man es zulässt. Anstatt sich auf die sehr negative Vergangenheit zu konzentrieren, sollte man sich auf das Potenzial für Wachstum konzentrieren, das sich daraus ergibt. Das geht zurück auf die buddhistische Lehre: Gegen den Strom zu schwimmen is' schwierig, wenn nicht sogar gefährlich, aber mit dem Strom des Flusses kann man manchmal in ruhigere Gewässer gelangen.

Die schädlichsten Stressoren sind negativ oder unerwartet; je länger oder chronischer sie sind, desto schlimmer können sie sein. Eine Studie hat untersucht, ob solcher Stress immer negative Folgen hat.

Die Studie fragte, ob die Teilnehmer oder 'n Angehöriger in ihrem Leben 'n schweren Stressor erlebt hatten, wie Krankheit oder Verletzung, verschiedene Formen von Gewalt (z. B. Angriff, Vergewaltigung, körperliche oder verbale Aggression), Tod und Trauer, wirtschaftliche oder psychosoziale Ereignisse (z. B. Verlust des Arbeitsplatzes, Leben in gefährlichen Wohnverhältnissen), Beziehungsstress (z. B. Scheidung) und Katastrophen (z. B. Brand, Überschwemmung, Erdbeben oder andere Katastrophen). Dann wurde die Gesamtmenge der erlebten Widrigkeiten jedes Teilnehmers erfasst. Und dann wurde die Lebenszufriedenheit gemessen, die 'n Bestandteil des emotionalen Wohlbefindens is'.

Die Studie ergab, dass die Lebenszufriedenheit am höchsten war bei Teilnehmern, die etwas über oder unter der durchschnittlichen Anzahl von Stressoren erlebt hatten. Im Vergleich dazu waren Teilnehmer, die die höchste oder niedrigste Anzahl von Stressoren erlebt hatten, weniger zufrieden mit ihrem Leben.

Mit anderen Worten, die Studie zeigt, dass es 'ne "Goldlöckchen-Beziehung" zwischen Widrigkeiten und Lebenszufriedenheit gibt. Sowohl zu viele als auch zu wenige Widrigkeiten führen zu 'ner geringeren Lebenszufriedenheit; die "genau richtige Menge" an Widrigkeiten führt zu 'ner höheren Lebenszufriedenheit.

Die Studie maß auch die globale Belastung, wobei höhere Werte bedeuteten, dass sich jemand körperlich unwohl fühlte, mehr Depressionen und mehr Angstzustände hatte. Teilnehmer mit niedrigen oder keinen Widrigkeiten und solche mit sehr hohen Widrigkeiten hatten viel höhere Werte als diejenigen mit 'ner moderaten Anzahl.

Ich werde jetzt nich' poetisch über das Anhäufen von Widrigkeiten sprechen; zu viel Schmerz bringt gar nix. Studien zeigen ja, dass hohe Mengen an Widrigkeiten die inneren Organe belasten, was zu Krankheiten und vorzeitigem Tod führt. Aber man sollte sich daran erinnern, dass die Widrigkeiten, die den Körper schädigen, unsere psychologischen und emotionalen Systeme nicht unbedingt gleich schädigen müssen.

Widrigkeiten zu erleben und zu überwinden bedeutet, dass man sich nicht mehr vor dem Unbekannten fürchten muss. Wir haben Angst vor dem, was wir nicht kennen, und wenn Widrigkeiten in unser Leben kommen, lernen wir mehr über uns selbst und unser Leben. Wir lernen über unsere eigene Stärke und Ausdauer, und wir lernen über die Menschen und Dinge, auf die wir uns verlassen können.

Ohne Erfahrung mit Widrigkeiten können sich die ersten Rückschläge im Leben überwältigend anfühlen. Mit Erfahrung scheinen neue Widrigkeiten leichter zu bewältigen zu sein. Unsere Einstellung zu Widrigkeiten spielt 'ne Rolle, ebenso wie unsere Einstellung dazu, was Stress mit uns macht.

Vor einigen Jahren hatte ich 'ne wunderbare Studentin, Nicole. Sie hatte jahrelang versucht, in meinen Kurs zu kommen, und schließlich konnte ich sie von der Warteliste nehmen. Sie erinnerte mich daran, dass sie, bevor wir uns kennengelernt hatten, im zweiten Studienjahr sehr krank geworden war. Meningitis, Enzephalitis – es ging ihr wirklich schlecht. Schließlich hatte sie sich erholt, aber es war ein sehr langsamer Prozess. Vorher hatte sie für das Tanzen gelebt, und sie hatte sich darauf gefreut, es während ihres Studiums und vielleicht auch darüber hinaus weiterzuverfolgen. Aber ihre Ärzte sagten ihr, dass Tanzen keine Option mehr für sie sei – ihr Körper würde es einfach nich' verkraften. Sie brauchte Ruhe, um sich zu erholen. Sie war am Boden zerstört.

Nicole war ratlos. Alles, was sie zu wissen glaubte und liebte, schien wie im Nu verschwunden zu sein. Sie wusste nicht, worauf sie ihre Aufmerksamkeit, ihre Energie, ihre Leidenschaft richten sollte. Nicht weit von ihrem Wohnheim in Emory gab es 'ne juristische Bibliothek, in die sie anfing zu gehen, hauptsächlich weil es dort ruhig war. Eines Abends bemerkte sie 'n Aushang, der 'n Treffen des Projekts "Feminismus und Rechtstheorie" ankündigte. Neugierig und mit etwas Zeit, die sie zum ersten Mal seit Langem hatte, recherchierte sie darüber und war fasziniert von dem, was sie las. Sie kontaktierte den Professor, der das Projekt leitete, und fragte, ob sie irgendwie mitwirken könnte.

Diese zufällige Begegnung begann 'ne informelle Mentoring-Beziehung, die für Nicole an diesem kritischen Punkt in ihrem Leben von entscheidender Bedeutung sein sollte. Wenn Tanzen keine Option mehr war, vielleicht dann Jura? Die juristische Fakultät schien plötzlich 'n lohnenswerter Weg zu sein. Ob sie es in diesem Moment erkannte oder nicht, sie war gezwungen, ihre vorgefassten Erwartungen darüber loszulassen, wie ihr Leben verlaufen sollte. Wenn sie monatelang in der Enttäuschung darüber geschwelgt hätte, dass sie nicht tanzen konnte, was hätte sie dann verpasst? Ihre neue Leidenschaft hätte sich nie entzündet.

Von diesem Moment an verlor sie nie die Begeisterung. Nach ihrem Abschluss ging sie an die Duke Law School, zog nach New York City, um in 'ner großen Anwaltskanzlei zu arbeiten, und hatte kurz zuvor, als wir sprachen, 'ne Gastprofessur an 'ner juristischen Fakultät in North Carolina angenommen. Sie sagte mir, dass das die Karriere is', an der sie für den Rest ihres Lebens beteiligt sein will: Jura zu lehren.

Was zweifellos 'ne Zeit des Verlusts und der Isolation war – krank zu werden, von zu Hause weg zu sein, ihre Liebe zum Tanzen aufzugeben – wurde für sie zu 'ner Zeit des Wachstums und des Lernens. Sie erlebte Widrigkeiten – wahrscheinlich mehr als zu jedem anderen Zeitpunkt in ihrem Leben bis dahin – und sie fand es unangenehm, sogar schmerzhaft. Aber anstatt dem Stress zu erliegen, ließ sie zu, dass er ihr Leben veränderte.

Und noch 'n kleiner Plan: Lass deine Neugierde über deine Enttäuschung triumphieren. Und lass dich nicht von der Angst vor dem Unbekannten abschrecken, etwas Neues zu erforschen. Wenn du das nächste Mal in der Bibliothek bist und 'n Aushang für 'ne neue Gruppe siehst, melde dich vielleicht an, anstatt in dein Wohnheim zurückzugehen. Nimm die Geige in die Hand, die dein Kind vor Jahren

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