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Calculating...

Also, absolut, ich würd' sagen, es gibt da so 'n Kipppunkt in meiner Erfahrung.

Palo Alto, ne, ist ja so das Herz vom Silicon Valley, mit der Stanford University und der Sand Hill Road, wo die ganzen Venture-Capital-Firmen sitzen, die das Computerzeitalter so richtig angeschoben haben. Gibt da echt schöne Ecken, ne? Also, wo die Straßen und Häuser so richtig edel sind. Aber dann gibt's halt auch das andere Palo Alto, östlich und nördlich, wo's aussieht wie in den 50ern. Und wenn du da von der Embarcadero rechts abbiegst auf die Greer, dann vorbei am Oregon Expressway und der Amarillo Avenue, dann landest du an so 'nem kleinen Stück vergessener Geschichte: Lawrence Lane. Oder, wie's in den paar Jahren, als es berühmt war, hieß: Lawrence Tract.

Lawrence Lane ist so 'ne Sackgasse. Da gibt's so insgesamt 25 Grundstücke mit Häusern, die so einstöckig sind, mit zwei oder drei Zimmern, so 100 bis 150 Quadratmeter, mit Carports und kleinen Gärten. Halt so die Art von bezahlbarem Wohnraum, die's im Nachkriegs-Kalifornien wie Sand am Meer gab.

Aber von Anfang an war Lawrence Lane anders. Da gab's Regeln.

In den 50ern hatten viele große Städte in den USA ein Problem. Immer mehr Afroamerikaner sind aus dem Süden weggezogen, weil sie da mit der Wirtschaft und der Diskriminierung nicht klarkamen. Aber in den Städten, in die sie dann gezogen sind, wollten die Weißen nix mit denen zu tun haben. Manchmal gab's Einschüchterungen und Gewalt, manchmal sind die Weißen einfach weggezogen, sobald 'ne schwarze Familie in die Nachbarschaft kam. Das nannten sie "White Flight".

Jede Stadt hatte da ihre eigene Geschichte. In Philadelphia zum Beispiel, da wollte 'ne Frau ihr Haus verkaufen und hat dann das höchste Angebot von 'ner schwarzen Familie bekommen. Die hat dann gesagt, sie müsste sich entscheiden, ob sie ihre Freunde oder ihr Geld verliert. Und dann hat sie sich halt fürs Geld entschieden.

Die Nachbarn waren natürlich nicht begeistert und haben gesagt, sie ziehen weg, weil sie ihre Kinder dem nicht aussetzen wollen, und dass ja eh nicht die beste Sorte Farbiger da einzieht und dass die Häuser viel zu nah aneinander stehen. Und dass die Preise eh nur noch runtergehen.

In 'ner anderen Gegend, da war 'ne Nachbarschaft erst komplett weiß, dann gemischt und dann plötzlich komplett schwarz. In Atlanta sind in den 60ern und 70ern hunderttausende Weiße weggezogen. Die hatten da so 'nen Spruch: "The City Too Busy to Hate" – die Stadt, die zu beschäftigt ist, um zu hassen. Aber dann haben sie gesagt: "The City Too Busy Moving to Hate" – die Stadt, die zu beschäftigt ist mit Umziehen, um zu hassen.

Das gleiche ist in St. Louis und New York und Cleveland und Denver und Kansas City passiert. Wenn die US Civil Rights Commission dann nach Chicago kam, um das zu untersuchen, hat ein Gemeindevertreter gesagt: "Lasst euch nicht täuschen: Keine weiße Gemeinde in Chicago will Neger."

So eine plötzliche Veränderung hatte's in der amerikanischen Geschichte noch nie gegeben. Die Politiker waren alarmiert und die Wissenschaftler haben angefangen, das zu untersuchen. Und die haben rausgefunden, dass jede Stadt so das gleiche Muster hatte. Der politische Wissenschaftler Morton Grodzins hat dann geschrieben, dass die Schwarzen sich so Block für Block und Nachbarschaft für Nachbarschaft ausbreiten. Und sobald 'ne Nachbarschaft anfängt, von weiß auf farbig zu wechseln, hält das keiner mehr auf.

Laut Grodzins ging das erst langsam, dann schneller und dann – an so 'nem kritischen Punkt – ist es explodiert. Und er hat das dann so genannt, und das ist dann auch so 'n geflügeltes Wort geworden: "Tipping Point", also so 'n Kipppunkt. Und sobald der überschritten ist, wollen die Weißen nicht mehr neben Schwarzen wohnen.

Grodzins hat das von Immobilienmaklern gehört, die die weißen Hausbesitzer aus den Stadtvierteln rausbringen wollten. Für 'ne Zeit lang wusste jeder, was gemeint war, wenn man das Wort benutzt hat. Der Kipppunkt war so 'ne Schwelle, wo sich was Unverrückbares, was seit Generationen so war, plötzlich über Nacht verändert hat.

Kipppunkte können zufällig erreicht werden, so wie bei Epidemien. Aber man kann Kipppunkte auch absichtlich herbeiführen. Menschen verhalten sich in 'ner Gruppe oberhalb von so 'nem kritischen Punkt anders als in 'ner Gruppe knapp unterhalb davon. Und was, wenn man genau wüsste, wo dieser magische Punkt ist? Oder – noch besser – wenn man die Größe einer Gruppe so manipulieren könnte, dass sie entweder knapp unter oder knapp über dem Kipppunkt liegt? Es gibt Orte, die unbeabsichtigt die Tür zu 'ner Epidemie geöffnet haben. Und ich rede hier davon, das Ganze noch einen Schritt weiter zu treiben: das ansteckende Verhalten absichtlich zu inszenieren. Das klingt jetzt dramatisch, aber viele Leute machen das so.

Die Pionierin beim Nachdenken über Kipppunkte war eine Soziologin namens Rosabeth Moss Kanter. In den 70ern hat Kanter 'ne große Firma in New York beraten. Die Firma hatte 300 Verkäufer, alles Männer. Aber zum ersten Mal haben sie ein paar Frauen eingestellt, und die haben sich gewundert, dass die Frauen nicht so gut waren.

Kanter hat dann angefangen, die Frauen zu interviewen. Und das Problem war nicht, dass die Frauen nicht gut genug waren. Es lag einfach daran, dass die Gruppe nicht richtig zusammengesetzt war.

Die Verkäufer waren im ganzen Land verteilt. In 'nem typischen Büro saßen zehn bis zwölf Verkäufer, und da es nur so um die zwanzig Frauen in der ganzen Firma gab, war da meistens nur eine Frau dabei. Und Kanter hat dann rausgefunden, dass es echt hart ist, die einzige Frau in 'nem Büro mit zehn Männern zu sein. Die Frauen haben sich beobachtet gefühlt, aber gleichzeitig auch nicht gesehen. Die Männer haben sie so als Karikatur gesehen. Sie konnten nur Frauen mit großem F sein – Repräsentantinnen von jedem Klischee, das ihre männlichen Kollegen über das andere Geschlecht hatten.

"Die hatten keine Peer Group", erinnert sich Kanter. "Die wurden zu Symbolen gemacht. Sie mussten für ihre ganze Kategorie stehen, anstatt einfach sie selbst zu sein." Wenn man Teil einer kleinen Minderheit ist, ist man so 'n Token. Und das ist nicht einfach.

Kanter hat ihre Ergebnisse dann in 'nem Aufsatz veröffentlicht. Das Wichtige war nicht, ob 'ne Gruppe integriert war, sondern wie stark sie integriert war. Kanter war überzeugt, dass Gruppen mit so einem Ungleichgewicht irgendwie schädlich sind.

Kanter hat sich dann gefragt, wie wir wissen, dass die beobachteten Unterschiede wirklich an den Geschlechtern liegen, und nicht daran, dass die Gruppen so ungerecht zusammengesetzt waren.

Kanter hat mal eine bemerkenswerte Frau namens Ursula Burns interviewt. Die ist in den 60ern in New York aufgewachsen, in so 'nem Armenviertel. Ihre Mutter war Einwanderin aus Panama. Ihr Vater war nicht da. Burns und ihre Geschwister sind in 'ner kleinen Wohnung im neunten Stock von 'nem heruntergekommenen Gebäude aufgewachsen.

Burns ist dann auf 'ne katholische Mädchenschule gegangen. Und da hat sie dann Leute getroffen, die von Urlaubsreisen erzählt haben. Und sie hatte noch nie jemanden getroffen, der so in den Urlaub gefahren ist.

Burns ist dann aufs College gegangen, hat 'nen Ingenieurabschluss gemacht, hat 'nen Job bei Xerox bekommen und ist dann 2009 CEO geworden – als erste afroamerikanische Frau, die 'ne Fortune-500-Firma leitet.

Am Anfang ihrer Karriere war sie oft die Einzige ihrer Art. Auf dem College gab's kaum andere Frauen in ihrem Ingenieurstudium, geschweige denn andere schwarze Frauen. Und bei Xerox hatte sie 'nen riesigen Afro und 'nen starken New Yorker Akzent. Und da haben die Leute dann zu ihr gesagt: "Du bist ja spektakulär. Du bist ja wirklich erstaunlich."

Und am Anfang hat ihr das gefallen. Aber nach 'ner Weile hat sie gemerkt, dass da was nicht stimmt. Die mussten sie irgendwie besonders darstellen, weil sie ja da war – und sie eigentlich nicht da sein sollte.

Indem sie sie als außergewöhnlich bezeichnet haben, mussten ihre Kollegen ihre Vorstellungen davon, was Frauen – und besonders schwarze Frauen – können, nicht ändern. Sie konnten an ihren Überzeugungen festhalten.

Nicht lange nachdem ich Burns getroffen hatte, habe ich die Memoiren von 'ner Frau namens Indra Nooyi gelesen. Nooyi kam 1978 aus Indien nach Amerika. In ihren Dreißigern hat sie 'nen Job bei Pepsi bekommen. Und da waren die Top-Positionen alle mit weißen Männern besetzt. Und 2006 wurde Nooyi dann CEO – als erste Frau indischer Abstammung, die 'ne Fortune-500-Firma leitet.

Die Ankündigung war so 'n kulturelles Ereignis. Sie wurde in der Presse als exotische Frau und indische Einwanderin gefeiert, aber das hat für sie keinen Sinn gemacht.

Die haben sie dann im Sari dargestellt, obwohl sie schon seit 25 Jahren keinen mehr getragen hat.

"Wie viele von 'ner Kategorie sind genug, um den Status einer Person vom Token zum vollwertigen Gruppenmitglied zu verändern?", hat Kanter geschrieben.

In den späten 50ern hat der Community Organizer Saul Alinksy vor der US Civil Rights Commission ausgesagt. Und seine Rede hat sich ganz um die Frage gedreht, wie man den Kipppunkt für den Wegzug von Weißen herausfinden kann.

Jeder, der ernsthaft darüber nachgedacht hat, weiß, dass es da so 'ne Art Formel geben muss. Sie reden von 'ner rassischen oder ethnischen Balance, oder einfach von 'ner "Stabilisierung" der Gemeinde, oder von Verhältnissen.

"Während 'ner Rassenunruhe vor ein paar Jahren", erzählte er, "hatte ich die Gelegenheit, mit einigen weißen Anführern zu sprechen."

Alinsky hat in 'ner Gegend in Chicago gearbeitet, die von Osteuropäern dominiert wurde.

Er hat die gefragt, ob sie es akzeptieren würden, wenn 5 Prozent der Bevölkerung schwarz wären, solange das so bleibt. Und die haben gesagt, das wäre ja der Himmel auf Erden!

Also, 5 Prozent waren in Ordnung. Das war sicher unter dem Kipppunkt. Geht's auch höher?

"Manche weiße Eltern akzeptieren widerwillig 'ne Integration bis zu 10 bis 15 Prozent", schrieb 'n Reporter der New York Times 1959. Bei 'ner Anhörung hat der Chef von 'ner Immobilienfirma gesagt, dass 'n Wohnhaus, das zu dreiviertel weiß und zu einem Viertel schwarz war, problemlos funktioniert. Also, 25 Prozent waren vielleicht noch unter dem Kipppunkt.

Aber 30 Prozent? Der Chef vom Washington, DC Schulsystem hat gesagt, dass 'ne Schule zu 99 Prozent schwarz wird, wenn sie erstmal 30 Prozent erreicht hat. Und der Chef der Chicago Housing Authority war der gleichen Meinung.

Am Ende waren sich fast alle einig: Irgendwas Dramatisches passiert, wenn 'ne kleine Gruppe von Außenseitern zwischen ein Viertel und ein Drittel der Bevölkerung ausmacht.

Nennen wir das mal die magische Drittel-Regel.

Die magische Drittel-Regel findet man überall. Zum Beispiel in Aufsichtsräten von Unternehmen. Die sind historisch gesehen ja immer nur mit Männern besetzt gewesen. Aber langsam haben sich die Türen für Frauen geöffnet, und es gibt Studien, die zeigen, dass Aufsichtsräte anders sind, wenn Frauen dabei sind. Die Forschung deutet darauf hin, dass Frauen in Aufsichtsräten eher schwierige Fragen stellen. Sie legen mehr Wert auf Zusammenarbeit und sind bessere Zuhörer. Aber wie viele Frauen braucht man in 'nem Aufsichtsrat, damit dieser "Frauen-Effekt" eintritt?

Eine reicht nicht:

"[Ich war] die einzige Frau in 'nem Raum voller Männer. Ich bin nicht schüchtern, aber es ist nicht einfach, sich am Tisch Gehör zu verschaffen."

Das stammt aus 'ner Studie, in der fünfzig weibliche Führungskräfte großer Unternehmen über ihre Erfahrungen interviewt wurden.

Wenn die Frauen was sagen, wiederholen die Männer das und werden dafür gelobt.

Eine Frau erinnert sich daran, wie ein paar externe Wirtschaftsprüfer in den Aufsichtsrat gekommen sind und jedem die Hand gegeben haben, außer ihr.

Wenn 'ne Frau ganz alleine ist, fällt sie als Frau auf, aber als Mensch wird sie unsichtbar.

"Eine zweite Frau hilft schon", heißt es in der Studie. Aber das reicht noch nicht:

"Der Zauber scheint zu wirken, wenn drei oder mehr Frauen zusammen in einem Aufsichtsrat sitzen."

Drei von neun Leuten. Die magische Drittel-Regel!

Ich muss gestehen, dass ich das am Anfang schwer zu akzeptieren fand. Macht das wirklich so 'n großen Unterschied, ob da zwei oder drei Außenseiter in 'ner Gruppe sind? Aber als ich dann angefangen hab, mit Frauen zu reden, die in großen Aufsichtsräten sitzen, hab ich genau das gleiche gehört. Die Unternehmerin Sukhinder Singh Cassidy hat 'ne Gruppe namens theBoardlist gegründet, um mehr Frauen in Aufsichtsräte zu bringen.

"Also, sind drei die richtige Zahl?", hat sie gesagt. "Ich bin mir nicht sicher, aber ich weiß, dass es 'ne Zahl gibt, wo die Person nicht mehr wegen ihrer Unterschiede auffällt, wo so viele von ihnen im Raum sind, dass man gar nicht mehr darüber nachdenkt."

Eine Person fühlt sich einsam, hat sie gesagt. Zwei fühlen sich wie 'ne Freundschaft an. Aber drei sind ein Team.

Oder Katie Mitic, die auch schon in mehreren Aufsichtsräten saß, hat gesagt:

"Ich würd' sagen, absolut, es gibt da so 'n Kipppunkt in meiner Erfahrung."

Sie hat schon in Aufsichtsräten mit einer, zwei, drei oder mehr als drei Frauen gesessen. Und drei haben den größten Unterschied gemacht.

Wenn man jetzt 'nen Aufsichtsrat mit sieben Männern und zwei Frauen sieht, würde das von außen nicht so anders aussehen als 'n Aufsichtsrat mit sechs Männern und drei Frauen, oder? Aber das tut es. Mitic und Singh sagen, dass es da so 'n Punkt gibt, wo sich die Kultur des Aufsichtsrats plötzlich verändert.

Ich denke, wir können noch einen Schritt weitergehen. Ich denke, wir können die magische Drittel-Regel als universelles Gesetz bezeichnen.

Damon Centola von der University of Pennsylvania hat da 'n cooles Experiment gemacht, um rauszufinden, wo genau der kritische Punkt in der Gruppendynamik liegt. Er hat ein Online-Spiel entworfen, das er unzählige Male durchgespielt hat. Da wird 'ne Gruppe von Leuten in Paare aufgeteilt. Jedes Paar bekommt 'n Foto gezeigt und soll 'nen Namen für die Person auf dem Bild eingeben.

Wenn du und ich das spielen, dann geb ich den Namen "Jeff" ein. Und du gibst "Alan" ein. Und weil wir unsere Antworten gleichzeitig eingeben, wissen wir nicht, was der andere eingegeben hat. Direkt danach sehen wir, ob wir richtig oder falsch lagen, und werden dann zufällig mit jemand Neuem zusammengebracht.

Die Chancen, dass wir direkt übereinstimmen, sind ja minimal. Aber so nach 15 Runden entsteht dann ein Konsens über den Namen.

Warum geht das so schnell? Weil Menschen echt gut darin sind, Normen herauszufinden – sich darauf zu einigen, wie sie über etwas denken sollen.

Wenn ich "Jeff" eingebe und du "Alan", dann weiß ich, dass ich "Jeff" in dein Gedächtnis gepflanzt habe, und du weißt, dass du "Alan" in meins gepflanzt hast, und wir beide werden eher einen von diesen beiden Namen beim nächsten Mal benutzen. Und das gilt auch für alle anderen, mit denen wir zusammen waren. Jeff und Alan sind jetzt im Äther. Und wenn wir dann endlich mal 'nen Treffer landen – wenn du "Jeff" eingibst und dein Partner auch "Jeff" eingibt – dann ändern wir das nie wieder.

Centola hat dann noch 'ne Gruppe Studenten in das Spiel eingeschleust, die so 'ne Art Dissidenten spielen sollten. Wenn sich die Gruppe auf 'nen Namen geeinigt hat und alle "Jeff, Jeff, Jeff" eingetippt haben, sollten die Dissidenten aus der Reihe tanzen. Die sollten dann 'nen anderen Namen benutzen, immer und immer wieder. Sagen wir mal, "Pedro". Und Centola wollte dann wissen, wie viele Dissidenten es braucht, die immer wieder "Pedro" eintippen, damit die ganze Gruppe von "Jeff" auf "Pedro" umsteigt.

Er hat dann 'n paar "Pedro"-Dissidenten in die Gruppe gesteckt. Hat das was gebracht? Nee. Dann hat er's mit mehr versucht – 18 Prozent der Gruppe. Keine Wirkung. 19 Prozent? Nix. Aber als der Anteil der Dissidenten ein Viertel erreicht hat – Bingo! – ist was Magisches passiert: Ohne Ausnahme sind alle auf "Pedro" umgestiegen.

Centola hat das Spiel immer und immer wieder gespielt, und hat immer das gleiche Ergebnis bekommen. Die Mehrheitsmeinung ist zusammengebrochen, als die Zahl der Außenseiter 25 Prozent erreicht hat. Er hat das magische Viertel gefunden!

Die Idee, dass es da so 'n magischen Moment irgendwo zwischen 'nem Viertel und 'nem Drittel gibt, ist schon verlockend.

Ich geb dir mal 'n Beispiel. Seit Jahren gibt's ja so 'n Unterschied zwischen den Testergebnissen von weißen und afroamerikanischen Schülern. Es gibt Daten, die zeigen, dass die schwarzen Kinder schon am Ende des Kindergartens sechs Punkte hinterherhinken. Und bis zur fünften Klasse ist die Lücke dann riesig: zwanzig Punkte von hundert. Aber was passiert, wenn die schwarzen Kinder über dem Kipppunkt liegen? Macht es 'nen Unterschied, wenn es mehr sind?

Und siehe da: Wenn der Anteil der Schüler mehr als 25 Prozent beträgt, verschwindet der Unterschied komplett. Die weißen Schüler schneiden genauso gut ab wie immer. Aber die schwarzen Schüler haben jetzt aufgeholt.

Ich finde es wichtig, die Ergebnisse nicht zu überbewerten. Aber da ist doch irgendwas, oder?

Denk mal an Ursula Burns und Indra Nooyi. Xerox und Pepsi brauchten keine kulturelle Revolution. Sie brauchten einfach mehr Frauen wie Burns und Nooyi in Führungspositionen, bis sie 'nen kritischen Punkt erreicht hatten.

Sind wir mit schwarzen Frauen schon so weit? Nee. Aber mit Südasiaten ist so 'n Kipppunkt erreicht.

In den späten 40ern hat sich das Palo Alto Fair Play Committee Sorgen um die Wohnsituation in ihrer Stadt gemacht. Immer mehr Afroamerikaner sind in die Gegend gezogen. Die Mitglieder des Fair Play Committee wollten, dass Palo Alto anders ist als andere Städte.

Ein Mitglied des Fair Play Committee hat dann 'n Stück Land in der Nähe von 'ner Molkerei am Stadtrand gefunden. Den haben sie dann in 24 Grundstücke und 'nen Park aufgeteilt, und dann haben sie Regeln aufgestellt.

Die Grundstücke sollten zu gleichen Teilen an Weiße, Schwarze und Asiaten verkauft werden. Ein schwarzer Eigentümer durfte nur an 'nen schwarzen Käufer verkaufen, ein weißer Eigentümer nur an 'nen weißen Käufer, und so weiter. Schwarze sollten nie mehr als ein Drittel der Bewohner von Lawrence Tract ausmachen.

An der Straße entlang wurden kleine Bungalows gebaut. Die ersten Leute, die eingezogen sind, waren schwarz. Die zweite Familie war weiß. Die dritte Familie war asiatisch. Damit die verschiedenen Rassen möglichst viel Kontakt haben, durften nicht zwei Familien der gleichen Rasse nebeneinander wohnen.

Die Familien haben sich einmal im Monat getroffen. Sie haben gesellschaftliche Veranstaltungen geplant. Die Männer sind zusammen jagen gegangen.

Das war in den 50ern: In manchen Teilen der USA haben weiße Rassisten die Häuser von Schwarzen angezündet, die es gewagt haben, in ihrer Nähe zu wohnen. Lawrence Tract war der Versuch, der Welt zu zeigen, dass verschiedene Rassen harmonisch zusammenleben können.

Aber war das Experiment nachhaltig? Die Nachbarn von Lawrence Lane dachten nicht so. Die Bewohner von Lawrence Tract versuchten, ihre Nachbarn zu beruhigen. Das sollte nicht so enden wie in Detroit und Chicago und Atlanta, wo immer, wenn Schwarze einzogen, Weiße wegzogen. Sie hatten ja Regeln.

Ein Bewohner von Lawrence Tract hat gesagt, dass er das Ganze zwar auch als Segregation gesehen hat, aber als eine, die nützlich ist.

Das sieht so aus, wenn man Kipppunkte ernst nimmt. Wenn es wirklich 'ne dramatische Verschlechterung gibt, wenn 'ne bestimmte Zahl erreicht ist, dann muss man sicherstellen, dass man diese Zahl nie erreicht.

Die Mitglieder von Lawrence Tract wurden nicht lange nach Beginn ihres Experiments auf die Probe gestellt. Einer der Eigentümer wollte eins der leeren Grundstücke verkaufen.

Und dann haben die gehört, dass eine ihrer eigenen Leute – 'ne schwarze Familie – sich an den Makler gewandt hatte, weil sie das Grundstück für 'nen Verwandten kaufen wollten. Es war fast unmöglich für Schwarze, in Palo Alto 'ne Wohnung zu finden.

Und dann haben die 'ne Dringlichkeitssitzung einberufen.

Der Verkauf würde ihre Verhältnisse durcheinanderbringen. Er würde ihren afroamerikanischen Anteil über die magische Drittel-Regel hinausschieben.

Also, die haben dann so entschieden, dass das Gemeinwohl vor geht. Dann haben die alle zusammengelegt, um das Grundstück vom Makler zurückzukaufen.

"Die Sitzung wird noch lange in Erinnerung bleiben", stand da in 'nem Aufsatz. Aber es gab auch "Trauer- und Schuldgefühle".

Der Mann, der bei 'ner Bewerbung übergangen wird, weil die Anzahl der Frauen in der Firma noch nicht den Kipppunkt erreicht hat, wird sich wahrscheinlich nicht mit dieser Erklärung zufrieden geben. Das liegt daran, dass die Lösungen nicht so einfach sind. Das haben die Mitglieder von Lawrence Tract gelernt. Sie haben sich umgesehen – in all den Gemeinden, in denen Weiße in die Vororte gezogen sind – und haben beschlossen, dass sie nicht zulassen können, dass ihre Straße den gleichen Weg geht. Aber um die Harmonie zu bewahren, mussten sie den Leuten schaden, denen sie eigentlich helfen wollten.

Das Grundstück blieb jahrelang leer, wie 'ne offene Wunde, die keiner anfassen wollte.

Es ist kein Wunder, dass die meisten Leute versuchen, heimlich mit Kipppunkten zu spielen.

Frag einfach mal die Ivy League.

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