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Calculating...

Also, ich erzähl euch heute mal was, und zwar geht's um, ähm, ja, so'n Kapitel über so Leute, die Steine klopfen. Klingt erstmal komisch, ne? Aber warte mal ab.

Also, während der Henry Cavendish, der war in London am Experimentieren, so richtig am werkeln, ne? Tja, da ist ungefähr 650 Kilometer weiter weg in Edinburgh, da stand ein anderer wichtiger Moment an, nämlich der Tod vom James Hutton. Ist natürlich blöd für den Hutton selbst, klar, aber für die Wissenschaft war das eigentlich ganz gut. Weil's dann den Weg frei gemacht hat für 'nen gewissen John Playfair, der dann das Werk vom Hutton neu aufgeschrieben hat, so dass es auch irgendwie Sinn ergibt.

Der Hutton, das war ja so'n richtig scharfsinniger Typ, total gesprächig, ein angenehmer Zeitgenosse, sozusagen. Der hatte echt Ahnung von der Entstehung der Erde, also von diesem ganzen langsamen, mysteriösen Prozess. Aber das Problem war, er konnte das einfach nicht verständlich aufschreiben. Irgendwie hat er's nicht hinbekommen, sich klar auszudrücken. Ein Biograph hat sogar mal gesagt, der Hutton, der hatte "fast gar keine Ahnung, wie man Sprache benutzt". Also, der ist fast jedes Mal beim Schreiben eingeschlafen.

Zum Beispiel in seinem, ich sag mal, "Meisterwerk" von 1795, "Theorie der Erde mit Beweisen und Erläuterungen", da diskutiert er... hach je, ein gewisses Problem, und zwar so:

"Die Welt, in der wir leben, ist nicht aus der Substanz aufgebaut, die den direkten Vorgänger der damaligen Erde bildete, sondern von heute aus zurückverfolgt aus der Substanz der Erde, die wir für die dritte Generation halten, die vor dem Auftauchen des Landes aus dem Meer entstand, während unser heutiges Land noch unter dem Meerwasser lag." Ja, prost Mahlzeit, wer soll das denn verstehen?

Trotzdem, und das ist ja das krasse, hat der Hutton fast im Alleingang die Geologie begründet. Also, ohne ihn, wüssten wir heute viel weniger über die Erde. Der wurde 1726 in 'ner reichen schottischen Familie geboren, hatte's also ganz gut, und konnte sich entspannt seinen Studien widmen. Eigentlich hat er Medizin studiert, aber das fand er doof, also hat er auf Landwirtschaft umgesattelt. Dann hat er auf seinem Bauernhof in Berwickshire ganz entspannt, aber wissenschaftlich, Landwirtschaft betrieben. Und 1768, hatte er keinen Bock mehr auf Land und Schafe, also ist er nach Edinburgh gezogen.

Da hat er 'ne richtig erfolgreiche Firma aufgebaut, die hat Ammoniumchlorid aus Kohlenrauch hergestellt. Und gleichzeitig hat er sich mit allen möglichen wissenschaftlichen Sachen beschäftigt. Damals war Edinburgh so'n richtiges Zentrum für Intellektuelle, da hat sich der Hutton natürlich pudelwohl gefühlt. Er war dann auch Mitglied in so 'nem Club, der hieß Oyster Club, und da hat er viele Abende mit anderen Leuten verbracht, zum Beispiel mit dem Wirtschaftswissenschaftler Adam Smith, dem Chemiker Joseph Black und dem Philosophen David Hume, und manchmal kamen auch Benjamin Franklin und James Watt vorbei.

Der Hutton, der hat sich für fast alles interessiert, also von Mineralogie bis Metaphysik. Er hat mit Chemikalien experimentiert, Bergbau- und Kanalbautechniken untersucht, Salzbergwerke begutachtet, über Vererbung spekuliert, Fossilien gesammelt und Theorien über Regen, Luftzusammensetzung und Bewegungsgesetze aufgestellt. Aber am meisten hat er sich für Geologie interessiert.

Und in dieser Zeit, wo die Leute so richtig am Forschen waren, da gab es ein Problem, das die Leute schon lange beschäftigt hat: Warum findet man auf Berggipfeln so oft alte Muschelschalen und andere Meeresfossilien? Wie kommen die denn da hoch?

Viele dachten, sie hätten die Antwort. Da gab es zwei Gruppen, die sich gestritten haben. Die Neptunisten, die haben gesagt, alles auf der Erde, auch die Muscheln in den Bergen, kann man mit dem Steigen und Sinken des Meeresspiegels erklären. Die haben geglaubt, Berge und Hügel sind genauso alt wie die Erde selbst und haben sich nur durch die globale Flut verändert.

Die andere Gruppe, die Plutonisten, die haben gesagt, nee, da gibt es ganz andere Kräfte, Vulkane und Erdbeben, die die Erdoberfläche verändern. Und das hat nix mit dem Meer zu tun. Die Plutonisten haben dann aber auch gefragt: Wo ist denn das ganze Wasser hin, wenn's keine Flut gab? Und wenn es mal so viel Wasser gab, dass die Alpen überschwemmt waren, wo ist das jetzt hin? Die haben gedacht, die Erde wird von Kräften im Inneren und an der Oberfläche beeinflusst. Aber die konnten auch nicht erklären, wie die Muscheln auf die Berge kommen.

Und beim Nachdenken über diese Fragen hat der Hutton dann so ein paar ziemlich krasse Ideen gehabt. Er hat sich seine Felder angeschaut und gesehen, wie Felsen zu Erde werden und wie die Erdteilchen von Bächen und Flüssen weggetragen und woanders abgelagert werden. Dann ist ihm klar geworden, wenn das immer so weitergeht, dann wird die Erde irgendwann ganz glatt sein. Aber um ihn rum waren überall Hügel. Also muss es noch was anderes geben, irgendwas, was die Erde erneuert, was neue Hügel und Berge erschafft. Und das immer wieder.

Er hat dann gesagt, die Meeresfossilien auf den Bergen sind nicht während 'ner Flut abgelagert worden, sondern sind mit den Bergen selbst hochgekommen. Und das Erdinnere, die Erdwärme, hat neue Felsen und Kontinente geschaffen und die Berge hochgedrückt. Und das hat die Geologen erstmal überfordert, das haben die erst 200 Jahre später so richtig verstanden. Da haben die dann die Plattentektonik akzeptiert. Die Theorie vom Hutton hat gezeigt, dass die Erde viel älter sein muss, als alle gedacht haben. Das war schon 'ne ziemliche Revolution, muss man sagen.

1785 hat der Hutton seine Ideen in 'ner langen Arbeit aufgeschrieben und in Edinburgh vorgestellt. Aber das hat kaum jemand beachtet. Und das lag auch daran, dass er das so vorgelesen hat:

"In einem Fall wirken die Kräfte im Inneren des selbständigen Objekts. Denn nachdem dieses durch Wärme aktiviert wurde, bildet es durch die Reaktion der spezifischen Substanz des Objekts die Risse, die die Adern bilden. In einem anderen Fall ist der Grund immer noch, relativ zu dem Objekt, in dem die Adern entstehen, äußerlich. Es sind die heftigsten Brüche und Risse entstanden, aber der Grund arbeitet noch; er erscheint nicht in den Adern, weil er nicht in jeder Spalte und jedem Bruch innerhalb des festen Objekts unserer Erde zu finden ist – dort, wo die spezifische Substanz der Mineralien oder Adern zu finden ist."

Ja, also, wer da noch zugehört hat, keine Ahnung. Seine Freunde haben ihn dann ermutigt, seine Theorie noch mal ausführlicher zu erklären, in der Hoffnung, dass er es dann vielleicht verständlicher macht. Der Hutton hat dann zehn Jahre an seinem Buch gearbeitet und es 1795 in zwei Bänden veröffentlicht.

Die Bücher waren fast 1000 Seiten dick und noch schlechter geschrieben, als seine Freunde befürchtet hatten. Und fast die Hälfte des Inhalts war auf Französisch. Der dritte Band war so uninteressant, dass er erst 1899 veröffentlicht wurde, über 100 Jahre nach dem Tod des Hutton. Und der vierte Band, der ist gar nicht erschienen. Also, das Buch vom Hutton, das ist wahrscheinlich eins der am wenigsten gelesenen, aber trotzdem wichtigen wissenschaftlichen Werke. Selbst Charles Lyell, einer der größten Geologen des 19. Jahrhunderts, der eigentlich alles gelesen hat, hat gesagt, er konnte das Buch einfach nicht lesen.

Zum Glück hatte der Hutton aber einen Freund, den John Playfair. Der war Mathematikprofessor in Edinburgh und hat nicht nur gut schreiben können, sondern hat auch meistens verstanden, was der Hutton eigentlich sagen wollte. 1802, fünf Jahre nach dem Tod des Hutton, hat Playfair dann 'ne Kurzfassung von den Theorien des Hutton rausgebracht, die hieß "Erläuterungen zur Huttonschen Theorie der Erde". Und das Buch kam gut an bei den Leuten, die sich für Geologie interessiert haben. Das waren 1802 noch nicht so viele, aber das sollte sich bald ändern.

Und wie hat sich das geändert?

1807 haben sich 13 Leute in London getroffen, im Freemasons Tavern, um einen Essensclub zu gründen, der dann später Geological Society hieß. Die haben sich einmal im Monat getroffen, Wein getrunken, gegessen und über Geologie geredet. Das Essen war absichtlich teuer, damit die ganzen Spinner nicht kommen. Aber schnell war klar, die brauchen 'ne richtige Organisation mit 'nem Büro, wo man neue Entdeckungen teilen und diskutieren kann. Innerhalb von zehn Jahren hatten die dann schon 400 Mitglieder, natürlich alles Gentlemen, und die Geological Society war bald wichtiger als die Royal Society.

Von November bis Juni haben sich die Mitglieder zweimal im Monat getroffen, weil dann alle draußen unterwegs waren, um nach Mineralien zu suchen. Aber die haben das nicht gemacht, um Geld zu verdienen, oder weil sie Wissenschaftler waren. Das war einfach nur ein Hobby für reiche Leute, die Zeit hatten. 1830 hatten die dann schon 745 Mitglieder, das gab's noch nie.

Heutzutage kann man sich das kaum vorstellen, aber die Geologie hat die Leute im 19. Jahrhundert total begeistert. Das hat keine andere Wissenschaft vorher oder nachher geschafft. 1839 hat Roderick Murchison "The Silurian System" veröffentlicht, ein dickes Buch über 'ne bestimmte Art von Gestein. Und das wurde sofort ein Bestseller, obwohl es fast unlesbar war, wie beim Hutton.

Sogar die Fans vom Murchison haben gesagt, das Buch hat "keinen literarischen Reiz". Und als der Charles Lyell 1841 in die USA gereist ist, um 'ne Reihe von Vorträgen zu halten, da kamen jedes Mal 3000 Leute in die Lowell Institution, um ihm zuzuhören, wie er über Meereszeolithe und Erdbeben in Kampanien redet.

Überall in der modernen Welt, besonders in England, sind die gebildeten Leute aufs Land gefahren, um das zu machen, was sie "Steineklopfen" genannt haben. Und die haben das richtig ernst genommen. Die haben sich oft richtig schick angezogen, mit Zylinder und schwarzem Anzug. Nur der Reverend William Buckland von der Universität Oxford, der ist immer im Talar rumgelaufen.

Viele berühmte Leute haben das gemacht, besonders der Murchison, der fast 30 Jahre lang Füchse gejagt und Vögel abgeschossen hat. Der hat sich eigentlich nur für die Times und für Kartenspiele interessiert. Aber dann hat er sich für Steine interessiert und ist plötzlich einer der wichtigsten Geologen geworden.

Dann gab's noch den Dr. James Parkinson, der war auch noch Sozialist und hat viele Flugschriften geschrieben, wie "Die unblutige Revolution". 1794 gab's dann so 'ne verrückte Verschwörung, den "Popgun Plot", wo jemand König Georg III. mit vergifteten Pfeilen hätte töten sollen. Parkinson war da irgendwie mit drin, wurde verhört und wäre fast nach Australien geschickt worden. Aber die Anklage wurde dann fallen gelassen. Er wurde dann ruhiger und hat sich für Geologie interessiert, hat die Geological Society gegründet und ein wichtiges geologisches Werk geschrieben, "Organic Remains of a Former World". Das Buch wurde über 50 Jahre lang gedruckt. Er hat dann keine Probleme mehr gemacht. Aber heute kennen wir ihn vor allem wegen seiner Forschung über 'ne Krankheit, die damals "Schüttellähmung" genannt wurde, aber heute Parkinson-Krankheit heißt.

(Parkinson war übrigens auch mal kurz berühmt, weil er 1785 in 'ner Lotterie ein Naturkundemuseum gewonnen hat. Das Museum stand in London und gehörte eigentlich Ashton Lever, der aber so viele Sachen gesammelt hat, dass er pleite gegangen ist. Parkinson hat das Museum dann bis 1805 behalten und dann die Sammlung verkauft.)

Einer, der nicht so auffällig war wie Parkinson, aber trotzdem wichtiger war als alle anderen Geologen zusammen, war Charles Lyell. Lyell wurde im selben Jahr wie der Tod vom Hutton geboren, nur 113 Kilometer entfernt. Seine Eltern waren Schotten, aber er ist in England aufgewachsen, weil seine Mutter Schotten faul und trinkfreudig fand. Er war so ein typischer Gentleman-Wissenschaftler aus dem 19. Jahrhundert, aus 'ner reichen und gebildeten Familie. Sein Vater hieß auch Charles und war Experte für den Dichter Dante und für Moose. Lyell hat von seinem Vater das Interesse an Naturgeschichte geerbt, aber erst an der Universität Oxford, durch William Buckland, hat er sich der Geologie verschrieben.

Buckland war so ein bisschen verrückt. Er hat zwar echt was geleistet, aber die Leute erinnern sich vor allem an seine Eigenheiten. Er hatte zum Beispiel 'ne ganze Sammlung von wilden Tieren, manche groß, manche gefährlich. Und er hat angeblich jedes Tier gegessen, das es jemals gab. Er hat seine Gäste mit gebratenen Meerschweinchen, frittierten Mäusen, gerösteten Igeln oder gekochten Seegurken bewirtet, je nachdem, was er gerade da hatte. Er fand das alles lecker, nur Maulwürfe aus dem Garten nicht, die fand er eklig. Er war natürlich auch Experte für fossile Exkremente und hatte 'nen Tisch, der fast nur aus solchen Proben bestand.

Auch wenn er ernsthafte wissenschaftliche Arbeit gemacht hat, war er meistens komisch. Einmal hat er seine Frau mitten in der Nacht geweckt und gerufen: "Mein Gott, ich glaube, die Fußabdrücke auf den Fossilien sind von Schildkröten!" Die beiden sind dann im Schlafanzug in die Küche gerannt. Mrs. Buckland hat dann Teig gemacht und auf den Tisch gelegt, und Reverend Buckland hat die Schildkröte geholt. Die haben die Schildkröte dann über den Teig laufen lassen und festgestellt, dass die Abdrücke genau wie die auf den Fossilien waren. Charles Darwin fand Buckland 'nen Clown, aber Lyell fand ihn inspirierend und mochte ihn. 1824 sind die beiden dann zusammen nach Schottland gereist. Und nach dieser Reise hat Lyell beschlossen, seinen Job als Anwalt aufzugeben und sich ganz der Geologie zu widmen.

Lyell war stark kurzsichtig und hat fast sein ganzes Leben lang die Augen zusammengekniffen, was ihm so einen grimmigen Ausdruck verliehen hat. Er hatte auch die Angewohnheit, sich in unmöglichen Positionen auf Möbel zu legen, wenn er nachgedacht hat. Entweder quer über zwei Stühle, oder (wie sein Freund Darwin sagte) "mit dem Kopf auf der Stuhllehne und dem Körper kerzengerade". Wenn er dann so am Nachdenken war, ist er oft langsam vom Stuhl gerutscht, bis sein Hintern fast auf dem Boden war. Lyells einziger Job war von 1831 bis 1833 als Geologieprofessor am King's College in London. Und in dieser Zeit hat er "Principles of Geology" geschrieben und in drei Bänden veröffentlicht. Das Buch hat die Ideen, die Hutton schon früher hatte, gefestigt und erklärt.

Zwischen der Zeit vom Hutton und der Zeit vom Lyell gab's dann 'nen neuen Streit in der Geologie. Der hat den alten Streit zwischen Neptunisten und Plutonisten abgelöst, oder sich damit vermischt. Der neue Streit war zwischen Katastrophismus und Aktualismus. Klingt erstmal nicht so spannend, aber das war 'ne wichtige und lange Auseinandersetzung. Die Katastrophisten, die haben geglaubt, die Erde ist durch plötzliche, katastrophale Ereignisse entstanden, vor allem durch Fluten. Deswegen hat man die oft mit den Neptunisten verwechselt. Die Katastrophisten, die konnten dann auch die Sintflut aus der Bibel in ihre wissenschaftlichen Diskussionen einbeziehen. Die Aktualisten, die haben geglaubt, die Veränderungen auf der Erde sind langsam entstanden und fast alle geologischen Prozesse dauern lange. Diese Idee hatte eigentlich schon Hutton, aber die meisten Leute haben Lyells Bücher gelesen, deswegen gilt er als der Vater der modernen Geologie.

Lyell hat geglaubt, die Veränderungen auf der Erde sind gleichmäßig und langsam, und alles, was früher passiert ist, kann man mit dem erklären, was heute noch passiert. Lyell und seine Anhänger haben die Katastrophisten nicht nur verachtet, sondern gehasst. Die Katastrophisten haben geglaubt, das Aussterben ist Teil von 'nem Prozess, wo Tiere immer wieder aussterben und durch neue ersetzt werden. Und T.H. Huxley hat das mal so ausgedrückt: "Eine Reihe von Whist-Spielen, bei denen die Spieler am Ende den Tisch umwerfen und 'n neues Blatt fordern." Lyell fand das zu einfach: "Es gibt keine Lehre, die so sehr zur Faulheit und zur Unterdrückung der Neugier einlädt", hat er gesagt.

Lyell hat sich auch geirrt. Er konnte nicht erklären, wie Berge entstehen und hat nicht gesehen, dass Eis 'ne wichtige Rolle spielt. Er wollte Agassiz' Idee von der Eiszeit nicht akzeptieren und hat geglaubt, dass es in den ältesten Fossillagerstätten Säugetiere geben wird. Er wollte auch nicht akzeptieren, dass Tiere und Pflanzen plötzlich aussterben und hat geglaubt, dass alle wichtigen Tiergruppen schon immer gleichzeitig existiert haben. In all diesen Punkten hat er sich geirrt.

Trotzdem war der Einfluss vom Lyell riesig. "Principles of Geology" wurde zu seinen Lebzeiten zwölfmal aufgelegt und einige seiner Ideen galten bis ins 20. Jahrhundert. Darwin hatte "Principles of Geology" auf seiner Reise mit der Beagle dabei und hat später geschrieben: "Das größte Verdienst der 'Principles' ist, dass sie den ganzen Zustand des Denkens verändern; wenn man also etwas sieht, was Lyell noch nie gesehen hat, sieht man es in gewissem Maße mit seinen Augen." Also, der hat Lyell fast schon verehrt, wie viele andere auch. Als die Geologen dann in den 1980er Jahren einige seiner Theorien aufgeben mussten, weil die EinschlagsTheorie über das Aussterben kam, hat das echt wehgetan. Das zeigt, wie groß der Einfluss vom Lyell war. Aber das ist 'ne andere Geschichte.

Währenddessen gab's in der Geologie aber erstmal viel zu sortieren. Und das war nicht immer einfach. Die Geologen wollten die Gesteine nach ihrer Entstehungszeit einteilen, aber da gab's oft Streit, wie man die Zeit einteilen soll. Das war dann der "Devon-Streit". Adam Sedgwick von der Universität Cambridge hat behauptet, 'ne Gesteinsschicht ist kambrisch, und Roderick Murchison hat gesagt, die ist silurisch. Und der Streit hat jahrelang gedauert und wurde immer heftiger. "Basche ist 'n widerlicher Kerl", hat Murchison in 'nem Brief geschrieben.

Martin J.S. Rudwick hat diesen Streit in seinem Buch "The Great Devonian Controversy" sehr gut und auch ein bisschen frustriert beschrieben. Schon die Kapitelüberschriften zeigen, wie heftig das war. Am Anfang waren die Überschriften noch harmlos, wie "Die Bühne für die Debatte der Gentlemen" und "Das Rätsel des Old Red Sandstone", aber dann kamen "Verteidigung und Angriff", "Tadel und Widerlegung", "Bösartige Gerüchte", "Weaver widerruft seine Ketzerei", "Nieder mit den Hinterwäldlern!" (falls noch Zweifel bestanden, dass es sich nicht um einen Krieg handelte) und "Murchison startet die Rheinland-Kampagne". Der Streit wurde dann 1879 gelöst, indem man einfach 'ne neue Periode zwischen Kambrium und Silur eingefügt hat: das Ordovizium.

In der Frühzeit der Geologie waren die Briten am aktivsten, deswegen gibt's so viele britische Namen in der Geologie. Das Devon hat seinen Namen natürlich von Devonshire in England. Das Kambrium kommt von der römischen Bezeichnung für Wales, und das Ordovizium und das Silur erinnern an die alten walisischen Stämme, die Ordovices und die Silures. Aber als die Geologie dann auch woanders wichtiger wurde, kamen auch Namen aus anderen Teilen der Welt dazu. Der Jura hängt mit dem Juragebirge an der Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz zusammen. Das Perm erinnert an die russische Stadt Perm im Uralgebirge, und die Kreidezeit wurde von 'nem belgischen Geologen benannt, der selbst 'nen schönen Namen hatte: J.J. d'Omalius d'Halloy.

Am Anfang wurde die Erdgeschichte in vier Zeitalter eingeteilt: Primär, Sekundär, Tertiär und Quartär. Das war aber zu einfach, deswegen haben die Geologen das schnell wieder geändert. Das Primär und Sekundär benutzt man gar nicht mehr, das Quartär benutzen manche noch, manche nicht mehr. Nur das Tertiär ist noch weit verbreitet, obwohl es eigentlich nichts mehr bedeutet.

Lyell hat in seinen "Principles" dann neue Einheiten benutzt, die heißen "Epoche" oder "Stufe", um die Zeit nach den Dinosauriern zu beschreiben. Da gibt's dann das Pleistozän ("jüngst"), das Pliozän ("jünger"), das Miozän ("weniger jung") und das etwas seltsame Oligozän ("etwas jung").

Heutzutage teilt man die Erdgeschichte in vier große Abschnitte ein, die heißen "Ära": Präkambrium, Paläozoikum ("altes Leben"), Mesozoikum ("mittleres Leben") und Känozoikum ("neues Leben"). Diese vier Ären werden dann in 12 bis 20 Abschnitte unterteilt, die meistens "Periode" oder "System" genannt werden. Davon kennen die meisten die Kreide, den Jura, die Trias, das Silur und so weiter.

Dann kommen die "Epochen", die Lyell benutzt hat, also das Pleistozän, Miozän und so weiter. Diese Namen benutzt man nur für die letzten 65 Millionen Jahre. Und dann gibt's noch 'ne Menge feinere Unterteilungen, die "Alter" oder "Subepoche" genannt werden. Die meisten haben 'nen Ortsnamen und sind fast immer schwer auszusprechen: Illinoisan, Desmoinesian, Croixian, Kimmeridgian und so weiter. Es gibt angeblich "Hunderte" davon. Zum Glück hört man die aber wahrscheinlich nie wieder, es sei denn, man studiert Geologie.

Und was das Ganze noch komplizierter macht, die "Alter" oder "Subepochen" in Nordamerika sind anders als in Europa und überschneiden sich zeitlich oft nur ungefähr. Das nordamerikanische Cincinnatian entspricht also größtenteils dem europäischen Ashgill, plus ein bisschen vom älteren Caradoc.

Und alles wird in verschiedenen Lehrbüchern und von verschiedenen Leuten anders genannt. Manche Experten schlagen sieben Ären vor, andere begnügen sich mit vier. In manchen Büchern findet man auch nicht das Tertiär und Quartär, sondern verschiedene System-Reihen, die man dann Unteres und Oberes Tertiär nennt. Manche teilen das Präkambrium auch in zwei Ären ein, das sehr alte Archaikum und das jüngere Proterozoikum. Und manchmal sieht man auch das Wort "Phanerozoikum", das dann das Känozoikum, Mesozoikum und Paläozoikum umfasst.

Und das alles sind nur Zeiteinheiten. Für die Gesteine gibt's dann noch mal eigene Einheiten, die heißen System, Serie und Stufe. Und dann gibt's noch früh und spät (für die Zeit) und oben und unten (für die Gesteinsschichten). Für Nicht-Experten ist das alles total verwirrend, aber für Geologen kann das sehr emotional sein. "Ich habe gesehen, wie sich Erwachsene wegen einer Millisekunde in der Lebensgeschichte rot im Gesicht gestritten haben", hat der Brite Richard Fortey über den Streit um die Grenze zwischen Kambrium und Ordovizium im 20. Jahrhundert geschrieben.

Heutzutage können wir wenigstens ein paar fortschrittliche Techniken benutzen, um das Alter zu bestimmen. Im 19. Jahrhundert konnten die Geologen nur raten. Sie konnten die Gesteine und Fossilien zwar nach ihrer Zeit ordnen, aber sie wussten nicht, wie lange die Zeiten gedauert haben. Und das war frustrierend. Als Buckland das Alter von 'nem Ichthyosaurier-Skelett schätzen sollte, konnte er nur sagen, dass es vor "10000 oder 10000 mal 10000" Jahren gelebt hat.

Obwohl es keine zuverlässigen Methoden gab, gab's genug Leute, die es trotzdem versucht haben. Der irische Erzbischof James Ussher hat 1650 den berühmtesten Versuch gemacht. Er hat die Bibel und andere historische Quellen genau studiert und ist in seinem Buch "Annales Veteris Testamenti" zu dem Schluss gekommen, dass die Erde am 23. Oktober 4004 v. Chr. um Mittag erschaffen wurde. Und das wurde dann lange von Historikern und Lehrbuchautoren als Witz benutzt.

Übrigens gibt's da so 'ne alte Legende, dass Ussher's Meinung die Wissenschaft bis ins 19. Jahrhundert beherrscht hat. Aber das stimmt nicht. Wie Martin J.S. Rudwick gesagt hat, "kein Geologe in irgendeinem Land hätte behauptet, die Zeitskala auf die buchstäbliche Auslegung der Genesis zu beschränken, wenn seine Arbeit von anderen Geologen ernst genommen werden sollte".

Selbst der Reverend Buckland, der sehr gläubig war, hat gesagt, die Bibel sagt nicht, dass Gott den Himmel und die Erde am ersten Tag erschaffen hat, sondern nur "am Anfang". Und dieser Anfang, der kann auch "Hunderttausende von Jahren" gedauert haben.

Alle waren sich einig, dass die Erde alt ist. Die Frage war nur: Wie alt?

Ein etwas vernünftigerer Ansatz zur Bestimmung des Alters der Erde kam von Edmund Halley. 1715 hat er vorgeschlagen, wenn man die Gesamtmenge an Salz in den Weltmeeren durch die jährlich hinzugefügte Menge teilt, dann erhält man das Alter der Meere und damit ungefähr das Alter der Erde. Das klang gut, aber leider wusste niemand, wie viel Salz in den Meeren ist und wie viel jährlich hinzugefügt wird.

Der erste halbwegs wissenschaftliche Versuch wurde vom französischen Grafen George-Louis Leclerc de Buffon gemacht, in den 1770er Jahren. Man wusste schon lange, dass die Erde Wärme abgibt, aber es gab keine Möglichkeit, die Abgaberate zu schätzen. Buffon hat dann Kugeln erhitzt und die Wärmeverluste geschätzt. Und damit hat er geschätzt, dass die Erde zwischen 75.000 und 168.000 Jahren alt ist. Das war natürlich viel zu wenig, aber es war 'ne radikale Idee. Buffon hat dann festgestellt, dass er exkommuniziert werden könnte, wenn er das veröffentlicht. Also hat er sich für seine Gedankenlosigkeit entschuldigt und seine Meinung in seinen späteren Werken immer wieder wiederholt.

Mitte des 19. Jahrhunderts dachten die meisten Gelehrten, die Erde ist mindestens ein paar Millionen Jahre alt, vielleicht sogar ein paar zig Millionen Jahre, aber wahrscheinlich nicht mehr. Als dann Charles Darwin 1859 in "Die Entstehung der Arten" behauptet hat, die Entstehung der Weald, 'ner Region in Südengland, hat laut seiner Berechnung 306.662.400 Jahre gedauert, da waren die Leute schockiert. Das war krass, weil er das so genau gesagt hat, aber auch weil er sich nicht an die anerkannte Meinung über das Alter der Erde gehalten hat. Das hat dann 'nen heftigen Streit ausgelöst und Darwin hat seine Meinung in der dritten Auflage des Buches zurückgezogen. Aber das Problem blieb bestehen.

Darwin und seine Freunde, die Geologen, hofften, dass die Erde sehr alt ist, aber keiner konnte das beweisen.

Und dann kam Lord Kelvin ins Spiel, und das war leider nicht gut für Darwin und für den Fortschritt. Kelvin war einer der größten Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts. Der deutsche Wissenschaftler Hermann von Helmholtz hat geschrieben, Kelvin war der "verständigste, einsichtigste und geistig regsamste" Mensch, den er je getroffen hat. "In seiner Gegenwart fühle ich mich manchmal wie ein Holzkopf", hat er frustriert gesagt.

Kelvin war so eine Art viktorianischer Übermensch. Er wurde 1824 in Belfast geboren, sein Vater war Mathematikprofessor am Royal College und ist bald nach Glasgow gezogen. Kelvin war 'n Wunderkind, wurde schon mit 10 Jahren an der Universität Glasgow aufgenommen. Mit Anfang 20 hatte er schon in London und Paris studiert, in Cambridge abgeschlossen und über 10 Arbeiten über Mathematik und angewandte Mathematik geschrieben. Und die waren so innovativ, dass er sie anonym veröffentlichen musste, um seine älteren Kollegen nicht zu blamieren. Mit 22 ist er dann nach Glasgow zurückgekehrt und wurde Professor für Naturphilosophie. Und diesen Job hat er 53 Jahre lang behalten.

In seinem langen Leben hat er 661 Arbeiten geschrieben, 69 Patente bekommen und war berühmt in fast allen Bereichen der Physik. Er hat 'ne Methode vorgeschlagen, die zur Erfindung der Kühltechnik geführt hat, die absolute Temperaturskala entworfen, den Verstärker erfunden, der die transatlantische Telegrafie ermöglicht hat und unzählige Verbesserungen für die Seefahrt und Navigation gemacht. Das waren nur seine praktischen Erfolge.

Seine Beiträge zur Elektromagnetik, Thermodynamik und zur Wellentheorie des Lichts waren genauso revolutionär. Er hatte eigentlich nur einen Fehler, nämlich dass er das Alter der Erde nicht richtig berechnen konnte. Dieses Problem hat ihn lange beschäftigt, aber er hat nie die richtige Zahl rausgefunden. 1862 hat er in 'nem Artikel für die Zeitschrift "Macmillan's Magazine" zum ersten Mal gesagt, die Erde ist 98 Millionen Jahre alt, aber vorsichtig gesagt, dass die Zahl zwischen 20 Millionen und 400 Millionen Jahren liegen könnte. Er hat zwar auch gesagt, dass seine Berechnung falsch sein könnte, wenn "die großen Magazine des Schöpfers Informationen enthalten, die wir derzeit nicht kennen", aber er hat das wohl nicht geglaubt.

Mit der Zeit wurden Kelvins Schlussfolgerungen immer genauer und immer falscher. Er hat seine Schätzungen immer weiter nach unten korrigiert, von maximal 400 Millionen Jahren auf 100 Millionen Jahre, dann auf 50 Millionen Jahre und schließlich 1897 auf nur noch 24 Millionen Jahre. Kelvin hat das nicht einfach so gemacht, sondern weil die Physik nicht erklären konnte, warum die Sonne so lange brennen konnte, ohne ihren Brennstoff zu verbrauchen. Also hat er gedacht, die Sonne und ihre Planeten müssen relativ jung sein.

Das Problem war, dass fast alle Fossilien das Gegenteil bewiesen haben. Und im 19. Jahrhundert wurden plötzlich viele Fossilien gefunden.

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