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Ach, hallo erstmal, äh, ja, wo fange ich denn da jetzt am besten an? Also, es geht um die Audrey Sutherland. Kennste vielleicht, kennste nicht, war 'ne echt abenteuerlustige Frau, muss man sagen. Und zwar, die hat, äh, in den 50ern, war so Mitte 30, frisch geschieden, vier Kinder alleine großgezogen, also echt 'n Vollzeitjob gehabt als Schulberaterin. Und dann fliegt die so über Moloka'i, das ist so 'ne hawaiianische Insel, und denkt sich, "Nee, von oben gucken reicht nicht, ich muss da runter!". Das Problem war nur, da wo sie hinwollte, kamste nur übers Meer hin. Und, ja, wie soll's anders sein, sie hatte halt kein Geld für 'n Boot. Also, was macht die Audrey? Die beschließt, einfach zu schwimmen.
Ja, richtig gehört. Schwimmen. Ne? Is' erstmal 'ne Schnapsidee, muss man sagen. Hat dann 'n paar Jahre gedauert, bis sie das wirklich durchgezogen hat. War dann irgendwie schon 42 oder so. Und das war echt...naja, sagen wir mal "ambitioniert", ne? Sie ist im Sommer los, in der Hoffnung, dass das Meer ruhig ist, aber, äh, Pustekuchen. Die hat gesagt, innerhalb von drei Stunden kann sich das Meer da komplett verändern. Von so ganz sanft bis zu 'ner riesigen Brandung. Also, kein Pappenstiel.
Und die Audrey, die war eh' keine normale Entdeckerin. Obwohl sie eigentlich gar keine Erfahrung mit so langen Schwimmtouren hatte. War zwar 'ne gute Schwimmerin, hatte das im College gelernt und auch Schwimmkurse gegeben, aber trotzdem. Sie meinte dann so schön, "Wasser wurde mein Element." Also, irgendwas hat sie daran fasziniert, ne? Und vorher war sie ja auch schon mit ihrem Ex-Mann auf so 'nem Fischerboot unterwegs gewesen. War hart, hat aber Spaß gemacht. Und als Kind ist sie mit ihrem Vater immer in die Wildnis gezogen. Also, sie hatte das Abenteuer schon so ein bisschen im Blut, ne? Und nach der Scheidung hat sie dann irgendwie all diese Teile ihres Lebens zusammengebracht und ist so 'ne richtig krasse Solo-Entdeckerin geworden.
Und das war's ja noch lange nicht, ne? Irgendwann, mit fast 60, hat sie dann ihren Job gekündigt und ist mit 'nem Kajak 800 Kilometer an der Küste von Alaska und British Columbia entlang gepaddelt. Und das war das erste Mal, dass sie in so kaltem Wasser war, totaler Gegensatz zu Hawaii. Und die Idee kam ihr wieder, weil sie aus dem Flugzeug geguckt hat. Also, die Frau hat's echt verstanden, ne? Und das hat sie dann noch 20 Jahre lang gemacht. Und dann, mit 80, ist sie noch die Vézère in Frankreich runtergepaddelt. Und im nächsten Jahr dann wieder irgendwie 100 Kilometer in Alaska.
Woher die das alles hatte? Tja, das fing schon in ihrer Kindheit an. Sie hat gesagt, die Vorbereitung auf Moloka'i hat schon lange vorher angefangen, ohne dass sie das wusste. Sie war als Kind oft alleine in so 'ner Sommerhütte und hat die Wälder erkundet. Ihr Vater ist zwar früh gestorben, aber ihre Mutter, die war auch so'n Outdoor-Typ. Die war Lehrerin und direkt nach dem letzten Schultag ging's ab in die Berge, in 'ne Hütte ohne Strom und mit Holzofen. Die Audrey ist so aufgewachsen, dass sie sich ihr Essen selber fangen konnte und unter einfachsten Bedingungen überleben konnte. Also, der Drang, rauszukommen, der war tief drin. Und ja, mit 14 ist sie mal von der Hütte bis zum Gipfel von irgendeinem Berg gelaufen, irgendwie 20 Kilometer oder so. Kein Wunder, dass ihre Freunde meinten, die Audrey war schon immer speziell, die war kein Spätzünder.
Ja, und, wie gesagt, die Scheidung, das war so 'n Wendepunkt. Danach ist sie mit ihren Kindern an die Nordküste von O'ahu gezogen. Und als die Kinder dann alt genug waren, dass sie sich mal 'ne Woche alleine versorgen konnten, da hat sie dann angefangen, so richtig loszulegen. Sie ist ja schon immer gewandert und geschwommen, aber jetzt hat's sie so richtig in die Wildnis gezogen. Und das hat sie dann ja bis ins hohe Alter durchgezogen, bis sie in ihren 80ern noch in Alaska unterwegs war. Ihr Alter war ihr total egal. Ihre Tochter meinte mal so schön, keiner hat jemals gesagt: "Du bist zu alt dafür!". Solange sie das noch gemacht hat, war sie auch nicht zu alt dafür, ne? Und ihr Sohn, der Jock, hat auch gesagt, die war zwar schon immer abenteuerlustig, aber dass sie irgendwann die Küste von Alaska und British Columbia erkunden würde, das hätte keiner gedacht. Also, sie hat als Outdoor-Mensch angefangen und ist dann als Spätzünderin, als Entdeckerin geendet. Mit Bären, Orcas und Wölfen, ganz alleine in unbekanntem Gebiet. Krass, oder?
Und ja, ein Teil davon war einfach ihre Persönlichkeit. Ihr Freund, der Sanford Lung, hat mal gesagt, sie war 'ne super Anführerin, gut in der Planung, praktisch und lösungsorientiert. Sie hat sogar Sachen vom Laster aufgesammelt, die andere verloren hatten, um die dann zu Hause zu reparieren. Und ihre Kinder machen das heute noch, ne? Und ihr Whirlpool auf der Terrasse war mal 'n alter Armeekochtopf. Die war einfach in allem total einfallsreich, die hat sogar ihren eigenen Wein aus hawaiianischen Früchten gemacht. Und sie hatte so 'nen Instinkt für Abenteuer. Der Lung hat erzählt, sie konnte total gut schwierige Situationen meistern, so als ob sie sich an die Umgebung angepasst hätte. Die beiden waren mal zusammen in Moloka'i paddeln, und obwohl da ganz schön Wellengang war, war die Audrey beim Anlegen genauso geschickt wie die einheimischen Krebse.
Ja, und das mit dem Heiraten und dem Fischerboot, das hat sie vielleicht so ein bisschen ausgebremst. Obwohl man das vielleicht auch schon als 'ne Art von Abenteuer sehen kann, ne? Aber es gibt halt nicht viele Leute, die dann wirklich so 'ne einsame Küste erkunden, wo man nur hinschwimmen kann. Und noch weniger machen das dann noch mit über 60 in Alaska. Das hat jedenfalls irgendein Kritiker gesagt, als ihr Buch über Alaska rauskam. Für ihre Touren in Moloka'i hat die Audrey 'ne Karte von 1924 benutzt, weil es keine andere gab. Und sie hat jahrelang Berge bestiegen, sich mit dreckigem Wasser den Magen verdorben, ist mit so 'nem kleinen Postflieger zu 'ner Leprakolonie geflogen und hat in 'ner Höhle gewohnt, wo so 'n Einsiedlerphilosoph gelebt hat. All das, um sich auf Moloka'i vorzubereiten. Und dann, endlich, irgendwann war sie dann so weit und ist dann die steilen Klippen hochgeklettert und ist nur dann geschwommen, wenn's wirklich nötig war.
Ihr erster Versuch, der ging dann auch gleich mal daneben. Hatte nur drei Tage frei, hat ihre Uhr vergessen, konnte nix essen, weil sie kein frisches Wasser gefunden hat, und ihre Klamotten und die Kamera, die waren auch noch nass, weil das Gepäck ausgelaufen ist. Und dann ist sie total dehydriert und leichtsinnig 'ne 20 Meter hohe Wand hochgeklettert. Und kurz vor dem Gipfel gab's keine Griffe mehr. Sie konnte nicht mehr hoch und nicht mehr runter. Also hat sie ihr Gepäck runtergeworfen. Das ist aufgeplatzt und ihre Sachen sind ins Meer gefallen. Und dann hat sie sich verzweifelt runtergestürzt und hat die Klippe verfehlt und ist ins Wasser gefallen. Und dann hat sie erstmal ihre Sachen eingesammelt und ist am Strand ohnmächtig geworden. Und dann hat sie irgendwer mit 'nem Boot gerettet. Und dann ist sie erstmal drei Jahre nicht mehr hingegangen, ne?
Die Audrey Sutherland, die war schon speziell, aber sie war noch nicht die Entdeckerin, die sie später mal werden sollte. Sie hat mal gesagt, sie hat schon früh gelernt, was sie kann und was nicht und welche Gefahren es gibt, aber bei ihren ersten Touren nach Moloka'i hat sie noch ihre Grenzen ausgelotet und sich auf das vorbereitet, was sie mal werden wollte. Und in ihrem Buch über Moloka'i, da hat sie sich dann mit anderen Abenteurern verglichen. Und sie hat sich gefragt, ob ihr Buch vielleicht zu speziell ist. Weil es gibt schon andere, die auch so drauf sind, aber ob das so vergleichbar ist, im warmen Wasser von Hawaii zu schwimmen und zu paddeln, mit so 'ner Kajaktour auf irgendeinem Fluss in Idaho. Das sind ja schon ganz andere Fähigkeiten, ne? Oder die Betty Carey, die mit so 'nem Einbaumkanu durch die Inside Passage von British Columbia gefahren ist. Ja, ist auch Kajakfahren, aber da ist das Wasser eiskalt und es gibt riesige Gezeiten. Und ja, ein paar Jahre später ist die Audrey dann auch in kaltes Wasser gegangen.
Also, wie gesagt, irgendwann mit 60 ist sie über Alaska geflogen und hatte da wieder so 'ne Erleuchtung, so wie früher in Moloka'i. Sie meinte, sie hat jahrelang nach 'ner Kombination aus Bergen, Wildnis und Meer gesucht, und da war's. Und dann hat sie sich unbezahlten Urlaub genommen, um zwei Monate lang die Küste von Ketchikan bis Skagway zu erkunden. Und sie hat erstmal 24 Seekarten und 49 topografische Karten bestellt, um sich vorzubereiten. Und ihr Schlauchkajak, das sie schon seit den 60ern hatte, das sollte reichen. Das war leicht genug, um es zusammenzurollen und zu tragen. Und sie hat das Kartenlesen mit dem Notenlesen von Musikern verglichen. Ihre Fantasie, die ist da total abgegangen, aber sie saß am Schreibtisch und hat sich fett und weich und irgendwie mies gefühlt.
Und dann wurde ihr Urlaubsantrag abgelehnt. Sie ist nach Hause gegangen und da hing dann ihr Fünfjahresplan an der Wand mit ihren 25 Wünschen. Und "Alaska paddeln", das stand ganz oben. Und dann hat sie in den Spiegel geguckt und gesagt: "Du wirst älter, Mädel! Mach lieber jetzt die Sachen, wo du dich bewegen musst. Am Schreibtisch sitzen, das kannst du später noch!" Und dann hat die Audrey, die Kinder aus dem Haus und genug Geld gespart, um ein Jahr zu leben, ihren Job gekündigt. "Ich war endlich frei!"
In Hawaii ist sie ja oft barfuß im Kajak unterwegs gewesen. Aber hier? Auf keinen Fall. Das war kein leichter Start mit ihrem leichten Boot. Der Wind hat sie sofort rückwärtsgepustet, als sie ihre Handschuhe angezogen hat. Für jeden anderen wäre diese Reise total absurd, gefährlich oder einfach nur verrückt gewesen. Und ein Kajakführer, der Ken Leghorn, der hat die Audrey dann auch irgendwann in der Nähe von so 'ner Insel gesehen. Die war total durchnässt, ist da auf dem Wasser rumgetrieben und hat gesungen. Und der Leghorn hat dann gesagt, sein erster Gedanke war: "Die ist ja total verrückt!". Er hat gedacht, die ist total unvorbereitet. Aber dann hat er rausgefunden, dass sie mehr Erfahrung mit so langen Kajaktouren hat als er jemals haben wird. Und das mit dem Schlauchkajak, das war auch 'ne ungewöhnliche Idee. Irgendein Journalist hat mal geschrieben, Schlauchboote gehören eher ins Schwimmbad. Aber die Audrey hat ihn dann vom Gegenteil überzeugt. Sie hatte so 'n ausgeklügeltes System, dass sie wochenlang autark unterwegs sein konnte und locker 30 Kilometer am Tag geschafft hat.
Und warum konnte die Audrey das alles machen, in ihren 60ern und 70ern alleine in Alaska und British Columbia mit so 'nem Schlauchkajak unterwegs sein, wo erfahrene Fischer gesagt haben: "Du willst damit über 1000 Kilometer paddeln? Du bist ja total verrückt!"? Weil sie sich langsam an diese Herausforderung herangetastet hat. Von diesem total beängstigenden Moment, wo sie in Moloka'i von dieser Wand gesprungen ist, bis zum Start in Alaska, da hat sie sich Schritt für Schritt zu der Audrey Sutherland entwickelt, die Pionierin für Solo-Expeditionen für Frauen geworden ist.
Später, in den 80ern, hat sie sich mit so 'nem Geophysiker und Umweltwissenschaftler angefreundet. Der hat ihr dann das Manuskript von seinem Buch geschickt, so 'n Reiseführer für kleine Boote zu irgendeiner Inselgruppe in British Columbia. Und dann hat sich so 'ne Freundschaft entwickelt, die sich vor allem um Karten gedreht hat. Die haben sich dann getroffen und stundenlang über die Karten von British Columbia und Alaska gebeugt, die sie immer unter Glas auf ihrem Esstisch liegen hatte. Und die haben sich Infos über Hütten und Campingplätze ausgetauscht. Auf den Karten waren ihre Routen eingezeichnet, und sie haben sich gegenseitig Geschichten erzählt und über topografische Details diskutiert. Das waren die einzigen beiden Leute in Hawaii, die sich dafür interessiert haben.
Der Geophysiker hat mir dann erklärt, dass die Audrey durch ihre jahrelangen Kajaktouren so 'ne Art eingebautes Wissen entwickelt hat, so 'ne Art Instinkt, der ihre Reisen erst möglich gemacht hat. Sie hat ihren Schülern immer gesagt, sie müssen in der Lage sein, 'nen Palstek rückwärts und unter Wasser zu knoten. Aber es ging noch viel weiter als das. Jede Reise, die hat ihr was beigebracht. Und durch das Erkunden hat sie ihr Bewusstsein erweitert und hat instinktiv auf die Bedingungen reagiert. Das ist nix, was man sich aufschreibt, das wird zur zweiten Natur. Man lernt so viel, dass man sich instinktiv zurechtfindet. Und wegen ihrer Erfahrung hatte sie dieses Wissen. Andere wären bei dem, was sie gemacht hat, gestorben. Sie hat sich buchstäblich dazu gemacht, diese außergewöhnliche Reise zu machen, bei der selbst erfahrene Leute blass geworden wären. Selbst ihr Freund hat gesagt, diese Schwimmtour nach Moloka'i, das hätte er niemals gemacht!
Ja, und das ist so 'n Beispiel dafür, wie man sich selbst weiterentwickeln kann, über seine ursprünglichen Fähigkeiten hinaus. Je mehr verschiedene Arten von Expeditionen die Audrey gemacht hat, desto besser wurde sie darin, die Küste von Alaska alleine mit 'nem Schlauchkajak zu erkunden, was vorher wahrscheinlich noch niemand gemacht hat. Und durch das Weiterentwickeln ihrer Interessen hat sie sich langsam zu was Neuem entwickelt. Die Audrey, die war immer speziell, immer draußen in der Natur und immer alleine. Aber ihre Touren in Moloka'i und Alaska, die waren unvorhersehbar.
Und, ja, wie gesagt, sie hat sich da so reingesteigert. Nach der zweiten Moloka'i-Tour mit dem Schlauchkajak hat sie dann entschieden, dass die "zarte Kraft" von Moloka'i stärker ist als die blauen Flecken und Schrammen, die verheilt sind, während sie im Büro gesessen hat. Sie musste da wieder hin. Und irgendwann war sie so weit, dass sie wusste, was sie zu tun hat, weil sie das meiste auf die harte Tour gelernt hat. Aber der Wendepunkt, das war ihre Scheidung. Ihr Ex-Mann, der war auch so 'n Abenteuertyp. Der hatte in Hawaii surfen gelernt und ist dann in Kalifornien auch zum Surfer geworden. Und dann war er bei der Küstenwache und dann Offizier. Und dann sind sie von Kalifornien nach Hawaii gezogen. Und er hat dann als Fischer und Marineingenieur gearbeitet. Und dann, irgendwann 1957, nach 'ner turbulenten Ehe, ist er dann wieder zurück nach Kalifornien. Und die Audrey, die ist mit den Kindern in Hawaii geblieben. Und das Jahr, wo ihr Mann gegangen ist, das war auch das Jahr, wo sie Moloka'i von oben gesehen hat und entschieden hat, dass sie da hin muss.
Und dann hat sie angefangen, sich zu der Frau zu entwickeln, die Tausende von Kilometern in kalten Gewässern gepaddelt ist und all die ineffizienten Vorbereitungen ihres früheren Lebens in was ganz Unerwartetes verwandelt hat. Sie war ja auch Lehrerin und hat in Hawaii als Vertretungslehrerin gearbeitet. Und dann hat sie als alleinerziehende Mutter Schwimmkurse gegeben. Und dann hat sie irgendwann so 'ne Ausbildung als Berufsberaterin gemacht. Und durch diese Arbeit hat sie gemerkt, dass das Erkunden von Hawaii ihr nicht reicht. Sie hat mal gesagt, dass ihr die Arbeit mit den Leuten bei der Zukunftsplanung oft die Frage aufgeworfen hat, ob sie eigentlich selber wusste, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Und die Diskrepanz zwischen ihrem Bürojob und den Träumen, die sie immer hatte, das hat sie dann dazu gebracht, ihren Job zu kündigen und nach Alaska aufzubrechen.
Und irgendwann, als sie dann in der Kajak- und Entdecker-Szene bekannt war, hat sie dann angefangen, Vorträge über ihre Reisen zu halten und den Leuten den Umgang mit Schlauchkajaks erklärt. Und bei so einem Vortrag hat sie dann auch den Geophysiker kennengelernt. Und die Vorträge, die waren nicht nur informativ, die waren auch so'n bisschen missionarisch. Am Ende hat sie dann immer gesagt: "Schließt eure Augen. Seid mal ganz still für 'ne Minute. Stellt euch vor, ihr hättet gerade fünf Millionen Dollar gewonnen. Und jetzt denkt mal darüber nach, was ihr mit diesen fünf Millionen Dollar machen würdet." Und dann hat sie 'ne Pause gemacht und gesagt: "Öffnet jetzt eure Augen und überlegt euch mal, was euch davon abhält, diese Sachen auch ohne die fünf Millionen zu machen." Und dann haben die Leute meistens gelacht. Aber die Audrey, die war der Meinung, dass die Leute ihre Träume leben sollen und sich nicht von der Angst zurückhalten lassen sollen. Und bei so einem Vortrag hat dann mal einer gesagt, dass er 'ne Frau hat, Kinder, die studieren, und alte Eltern. Und ja, so geht's ja vielen Leuten. Es ist halt schwierig, seine Träume zu verwirklichen, wenn man Rechnungen bezahlen muss.
Aber für die Audrey Sutherland, die alleinerziehende Mutter, die ihre Kinder ohne viel finanzielle Unterstützung großgezogen hat, die oft so spät von der Arbeit nach Hause gekommen ist, dass ihre Kinder das Abendessen kochen mussten, deren Haus so abgelegen war, dass es jahrelang kein Fernsehsignal gab, deren Sohn mal zwei Kilometer in die Stadt fahren musste, um 'n Brot zu kaufen, die gewartet hat, bis ihre Kinder alt genug waren und bis sie genug Geld hatte, um ihren Job zu kündigen, und die acht Jahre lang in Teilzeit für ihren Master studiert hat, war das kein überzeugendes Argument. Sie hat geantwortet: "Dann musst du dich fragen: Welchen Teil meines Ziels kann ich jetzt erreichen? Was kann ich jetzt tun, um mein Ziel später zu erreichen?"
Das ist so ziemlich genau das, was der Chris Gardner den Leuten rät. Und das ist die Einstellung, die er hatte, um ein erfolgreicher Börsenmakler zu werden.
Und ja, die Audrey, die hat diese Einstellung bis zum Ende ihres Lebens beibehalten. Irgendwann, mit 81, hat sie noch Biologie und Zoologie studiert. Und sie wollte ihr Buch über das Paddeln in Alaska fertigschreiben. Und dann, zehn Jahre später, kam ihr Alaska-Buch dann auch raus. Und was ihre zukünftigen Ziele betrifft, da hat sie gelacht und gesagt: "Ich bin jetzt 91, ich habe nicht mehr so viele Pläne, aber ich will auf jeden Fall wieder nach Alaska."
Sie hat das alles geschafft, weil sie immer was gelernt hat, was ihr später helfen würde, ihr Ziel zu erreichen. Sie hat mal gesagt, es ist keine Frage, ob man was kann oder nicht, sondern ob man entscheidet, was man wirklich machen will, und dann herausfindet, wie. Und wenn man das dann geschafft hat, dann kennt man die Bedeutung von Freude. Und ihre Strategie war so, dass sie immer geschaut hat, was jetzt gerade wichtig ist und wie die Arbeit da reinpasst. Und sie hat immer die Augen nach Möglichkeiten offen gehalten. Und sie hat verschiedene Möglichkeiten ausprobiert. Und sie hat erwartet, dass einige davon scheitern würden. Und sie hat dafür gesorgt, dass das Scheitern nicht so schlimm ist. Und sie hat Feedback eingeholt, um zu lernen, was funktioniert und was nicht. Und sie hat dann das benutzt, was funktioniert hat, und hat das analysiert, was passiert ist. Und dann hat sie das kombiniert und hinzugefügt, was ihr geholfen hat, ihre Karriere voranzutreiben.
Und sie war ja auch Berufsberaterin, also entweder kannte sie diese Theorie, oder sie hatte sie selbst herausgefunden. Und so hat sie sich dann durch all die Hindernisse bis nach Alaska gearbeitet.
Das größte Problem war vielleicht die Angst. Ihren ersten Solo-Ausflug hat sie mit 14 gemacht, nachdem sie sich mit ihrer Mutter gestritten hat. Sie hat auf einem Feld geschlafen und hatte total Angst, weil sie dachte, die glühenden Augen um sie herum wären Löwen. Und dann ist sie aufgewacht und hat gemerkt, dass es nur Kühe waren. Sie hat mal gesagt, oft stellt sich heraus, dass das, wovor wir uns fürchten, ganz normale Dinge sind. Und ähnliche Ängste hatte sie dann 50 Jahre später, als sie nach Alaska aufgebrochen ist. Wenn man in dem kalten Wasser kentert, kann das tödlich sein, wenn man nicht richtig reagiert. Sie hat schon früh angefangen, ihre Angst zu bewältigen, und hat das dann bis ins hohe Alter gemacht. Bevor sie nach Alaska gefahren ist, ist sie mit ihrem Kajak raus aufs Meer gefahren und hat extra fünfmal gekentert. Und als sie dann in Alaska gekentert ist, hat sie sich automatisch wieder aufgerichtet. Sie hatte Angst, aber die Angst hat sie nicht in Panik versetzt, weil sie vorbereitet war. Und durch dieses Üben ist dann das Mädchen, das bei den Kühen geschlafen hat, zu der älteren Frau geworden, die Bären fotografiert hat, die nur sechs Meter entfernt standen. Es gibt nur eine Angst, hat sie gesagt, und das ist die Angst vor dem Unbekannten. Und sie war der Meinung, dass die Tiere, denen sie begegnet ist, sie weniger als Bedrohung gesehen haben, weil sie 'ne Frau war. Und sie hat mal gewitzelt, dass 90 Prozent der Haiangriffe weltweit Männer betreffen, obwohl Frauen und Männer normalerweise im Verhältnis 60 zu 40 im Wasser schwimmen. Das könnte also bei der Wahl des Begleiters helfen.
Praktisch zu sein, das war das A und O bei ihren Touren und ihrer Entwicklung. Ein Professor, der ihr Häuschen gemietet hat, der hat sich mal mit ihr über Schriftsteller unterhalten. Und ihr Urteil über Thoreau, das war sofort und kompromisslos: "Weichgespült!". Sie war total auf das Praktische und die Fakten konzentriert. Der Thoreau, der hatte ja irgendwie so 'ne romantische und literarische Ader, aber die Audrey, die war total beobachtend, wissenschaftlich und hat sich total auf die Natur eingelassen. Sie wusste, welche Pflanzen man essen kann, sie kannte die Naturgeschichte der Gegenden, die sie erkundet hat, und sie hat Reiseführer und Ökologiebücher gelesen. Sie hat mal so 'n Handbuch über das Leben am Strand empfohlen. Und sie hatte so 'nen geradlinigen Ton und 'ne naturalistische Einstellung. Natur, das war für sie keine Flucht oder Urlaub. Das war 'ne Herausforderung, die man respektieren und mit der man sich realistisch auseinandersetzen musste.
Und so war's dann halt, sie war so'n Freibeuter, dessen Instinkte darauf trainiert waren, mit großen Wellen und Bären umzugehen. Sie hat Stoizismus praktiziert. Sie hat daran geglaubt, dass man die Welt nicht kontrollieren kann, aber sich selbst schon. Und wenn ihre Kinder mal traurig waren, dann hat sie ihnen gesagt, sie sollen mal aufschreiben, was sie alles gut können. Sie war auf die Tugend der Einfachheit konzentriert. Ihr Leben, das war total reduziert. Sie hat an ihrem Haus rumgebastelt, das war mal so 'ne Armeekaserne. Ihre Campingausrüstung, die hatte sie aus Secondhandläden. Und sie hat mal gesagt, dass sie während ihrer Reisen nach Alaska von ungefähr drei Dollar am Tag gelebt hat. Irgendein Abenteurer hat mal ihr Zitat zitiert: "Ich musste nicht wegkommen. Ich musste ZU. Zu Einfachheit."
Und sie hat stoische Techniken benutzt. Sie hat ihre Ängste in Einzelteile zerlegt, um sie zu überwinden, wie zum Beispiel das Üben des Kenterns. Und sie hat sich vorgestellt, was alles Schlimmes passieren könnte, um sich so auf das Schicksal vorzubereiten. Und sie ist vor jeder Tour im Kopf durchgegangen, was alles passieren könnte, und hat Wind und Gezeiten im Auge behalten.
Als sie in den Spiegel geguckt hat und gesagt hat: "Du wirst älter, Mädel! Mach lieber jetzt die Sachen, wo du dich bewegen musst. Am Schreibtisch sitzen, das kannst du später noch!", da war sie stoisch. Und sie hat dem Mann mit der Frau, den Kindern und den Eltern gesagt, er soll sich fragen: "Welchen Teil meines Ziels kann ich jetzt erreichen?". Das ist so ziemlich genau das, was der Seneca gesagt hat: "Worauf schaust du? Auf welches Ziel bist du fixiert? Die ganze Zukunft ist ungewiss: Lebe sofort!". Und ja, dadurch, dass sie so stoisch und einfach gelebt hat, ist sie dann zu der Entdeckerin geworden, die sie war. Sie hat sich immer auf das konzentriert, was sie jetzt tun konnte, und hat so angefangen, sofort zu leben.