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Also, nochmal von vorne, Kapitel, äh, eins... oder zwölf, egal. Es geht um Casper und C-Dog.
"ES WAR WIE EIN LAUFFEUER. ALLE SIND IN DAS SPIEL EINGESTIEGEN."
Okay, also, es war so: Irgendwann bekam das FBI in Los Angeles einen Anruf von einer Bank of America Filiale. Eine Agentin, Linda Webster, nahm den Anruf entgegen. Sie war sozusagen die Expertin für Banküberfälle, also diese 2-11-Meldungen, wisst ihr? Die Bank meldete, dass sie überfallen worden war. Der Täter war ein junger, weißer Mann mit einem New York Yankees Basecap. Schlank. Höflich. Südstaatenakzent. Gut gekleidet. Hat "Bitte" und "Danke" gesagt. Also, schon irgendwie komisch, oder?
Webster ging dann zu ihrem Kollegen William Rehder, der die Banküberfall-Abteilung leitete. Und sagte: "Bill, es ist der Yankee."
Der Yankee-Bandit trieb nämlich schon seit einiger Zeit in Los Angeles sein Unwesen. Seit Juli, um genau zu sein. Er hat eine Bank nach der anderen ausgeraubt und ist jedes Mal mit Tausenden von Dollar in einem Lederkoffer abgehauen. Rehder war schon total frustriert. Wer war dieser Typ? Das einzige, was das FBI hatte, war dieses blöde Basecap. Daher der Spitzname: der Yankee-Bandit.
So, eine halbe Stunde später bekam Webster den nächsten Anruf, wieder so 'ne 2-11 Meldung. Diesmal von einer City National Bank ein paar Blocks weiter westlich. Die wurden um ein paar Tausend erleichtert. Webster schaute Rehder an und sagte: "Bill, der Yankee schon wieder."
Dann, weitere dreiviertel Stunde später, überfiel der Yankee eine Security Pacific National Bank in Century City und direkt danach eine First Interstate Bank gleich um die Ecke. Webster sagte: "Bill, der Yankee. Gleich zweimal hintereinander!" Krass, oder?
Nicht mal 'ne Stunde später klingelte das Telefon schon wieder. Der Yankee hatte eine Imperial Bank ausgeraubt. Wenn man von Century City zur Imperial Bank fährt, kommt man direkt am FBI-Büro vorbei. Rehder meinte dann: "Der hat uns wahrscheinlich zugewinkt." Haha!
Jetzt waren die natürlich hellwach. Da wurde Geschichte geschrieben. Sie warteten ab. Konnte der Yankee etwa noch einen draufsetzen? Und tatsächlich, um halb sechs klingelte das Telefon. Ein unbekannter weißer Mann - schlank, Südstaatenakzent, Yankee-Cap - hatte gerade die First Interstate Bank in Encino ausgenommen. Eine Viertelstunde nördlich auf der Autobahn.
"Bill, es ist der Yankee!"
Ein Mann. Vier Stunden. Sechs Banken. Unglaublich!
Rehder schrieb später in seinen Memoiren: "Es war ein neuer Weltrekord, der bis heute ungebrochen ist." Verrückt, oder?
Okay, und dann ging's los mit so 'ner Art Rückblick. Bankräuber hatten irgendwie schon immer 'nen gewissen... Glamour? Also, früher waren das ja so Figuren wie Jesse James und Bonnie und Clyde. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg schien das irgendwie weniger zu werden.
Es gab sogar mal so 'ne Studie, die hieß "Nichts zu verlieren", weil Banküberfälle angeblich so unlogisch waren, dass die Täter wohl nix mehr zu verlieren hatten. So wie... ja, wie Viehdiebstahl im 20. Jahrhundert. Wer macht denn sowas noch?
Aber dann kam die Wende. Von 1969 auf 1970 hat sich die Zahl der Banküberfälle fast verdoppelt, und dann stieg sie noch mal in den nächsten Jahren. Irgendwann gab es dann Tausende von Banküberfällen pro Jahr. Eine regelrechte Epidemie! Und das Zentrum davon war Los Angeles.
Ein Viertel aller Banküberfälle in den USA passierte in diesen Jahren in Los Angeles. Das FBI hatte so viele Fälle, dass sie den Tätern Spitznamen gaben, um den Überblick zu behalten. Da gab es den "Mummy Bandit" mit Verbandszeug im Gesicht, den "Michael Jackson Bandit" mit nur einem Handschuh, die "Marx Brothers" mit falschen Bärten, "Miss Piggy", "Miss America Bandit" und den "Benihana Bandit" mit 'nem Messer. Und so weiter, und so fort. Es gab Räuber, die nach Johnny Cash und Robert De Niro benannt waren. Und dann gab's noch so 'ne Gruppe, die als "Village People" verkleidet waren: ein Biker, ein Polizist und ein Bauarbeiter.
Jemand sagte mal, es war wie ein Lauffeuer: Jeder wollte mitmachen.
Und dann kam noch 'ne Steigerung. Da tauchte so 'ne Gruppe auf, die West Hills Bandits. Die waren so richtig oldschool. Die kamen mit Waffen rein, mit Masken, haben die ganze Bank ausgeräumt und hatten dann noch 'nen ausgeklügelten Fluchtplan. Die hatten sogar 'nen Bunker mit Waffen und Munition, weil sie dachten, der Weltuntergang steht vor der Tür.
Bei einem ihrer Überfälle haben die über 400.000 Dollar erbeutet. Und dann hat die Bank auch noch öffentlich gemacht, wie viel Geld gestohlen wurde. Das war wie Benzin ins Feuer gießen.
Einer, der das mitbekommen hat, war ein Typ namens Robert Sheldon Brown, genannt Casper. Der hat dann mal gerechnet und gedacht, Banküberfälle sind eigentlich ziemlich lukrativ. "Ich hab schon alles gemacht", sagte er später. "Aber das Geld, das man in 'ner Bank in ein paar Minuten kriegt, dafür muss man auf der Straße wochenlang arbeiten."
Casper hat dann Leute angeheuert, die für ihn die Banken ausrauben. Er war so eine Art... Produzent.
Und Casper hatte noch einen Partner, Donzell Thompson, auch bekannt als C-Dog. Die beiden haben sich dann 'ne Bank ausgesucht und 'nen Fluchtwagen besorgt. Casper hatte sogar 'nen Typen, der ihm die Autos besorgt hat. Dann hat er die Crew zusammengestellt. Viele von denen waren Kinder. Einige hat er wohl gar nicht bezahlt, sondern einfach dazu gezwungen. Er war wohl ein ziemlich einschüchternder Typ. Und Mitglied einer Gang.
Er hat die Kids aus der Schule geholt und gesagt: "Wann kannst du die Bank ausrauben?" Und die Kids haben dann gesagt: "In der Pause." Casper hat ihnen dann erklärt, wie das geht: Reinrennen, alle einschüchtern, Geld schnappen und abhauen.
Casper hat seinen Leuten 'ne Technik beigebracht, die er "Kamikaze" nannte. Die Kids sind dann mit Waffen in die Bank gestürmt, haben rumgebrüllt und in die Decke geschossen. Dann haben sie das Geld in Kissenbezüge gestopft und noch alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war.
Manchmal hat Casper sogar einen Schulbus oder einen Postwagen "ausgeliehen", um seine Leute wegzubringen. Casper war echt kreativ. Er hat das Ganze dann aus sicherer Entfernung überwacht und seine Leute dann auf der Flucht begleitet.
Casper hat seinen Leuten klar gemacht, dass es keine gute Idee ist, ihn zu betrügen.
Die Fluchtautos wurden dann irgendwo abgestellt und die Crew hat sich in Caspers Versteck zurückgezogen. Da hat er sie dann ausgezahlt und weggeschickt. Die Kids sind dann meistens eh geschnappt worden. Aber das war Casper egal. Er hat dann einfach neue Leute rekrutiert.
Casper hat in vier Jahren über 170 Banküberfälle "produziert". Das ist wohl so 'ne Art Weltrekord. Casper und C-Dog haben es sogar mal geschafft, an einem Tag fünf Banken auszurauben. Der Yankee-Bandit war ja 'ne One-Man-Show. Casper hat das Ganze organisiert und geleitet.
Nachdem Casper gezeigt hat, wie einfach es ist, 'ne Bank zu überfallen, haben andere Gangs nachgezogen. Es gab ein Duo, das nannte sich die Nasty Boys. Die waren echt fies drauf. Die haben die Leute in den Tresorraum gesperrt, von Hinrichtungen geredet und mit Waffen neben den Ohren geschossen.
Das FBI war total überfordert. Die waren fix und fertig. Ein Banküberfall dauert Minuten, aber die Ermittlungen dauern Stunden. Und wenn du dann noch zwanzig Zeugen befragen musst... Da kommt man ja gar nicht mehr hinterher.
Los Angeles war die Banküberfall-Hauptstadt der Welt. Aber dann hat das FBI irgendwann 50 Agenten auf den Fall angesetzt. Die haben die Leute von Casper und C-Dog verhört und die beiden dann endlich geschnappt. Danach ging die Zahl der Banküberfälle in Los Angeles drastisch zurück.
Als Casper und C-Dog dann aus dem Gefängnis kamen, haben die versucht, ihre Geschichte an Hollywood zu verkaufen. Die Filmproduzenten konnten es kaum glauben, dass das wirklich passiert ist.
So, und jetzt kommt so 'ne Art... These? Der Banküberfall-Boom in Los Angeles war wie 'ne Epidemie. Es war ansteckend. Irgendwann hat sich der Yankee-Bandit infiziert. Dann die West Hills Bandits. Und die haben das Virus an Casper und C-Dog weitergegeben, die das Ganze dann noch professionalisiert und skaliert haben. Und von da aus hat sich die Krankheit dann in der ganzen Stadt verbreitet.
Solche Epidemien werden ja meistens von wenigen Leuten ausgelöst. Und so war das auch in Los Angeles. Das waren nicht Tausende von Leuten, die da mitgemacht haben. Das waren ein paar wenige, die immer wieder Banken ausgeraubt haben. Casper war wohl so 'ne Art Superspreader.
War das Umfeld in Los Angeles in den 80er und 90er Jahren günstig für so 'ne Banküberfall-Epidemie? Ja, schon. Es gab immer mehr Bankfilialen. Casper und C-Dog hatten leichtes Spiel.
Aber... und jetzt kommt das große Aber: Warum hat sich das Ganze nur in Los Angeles abgespielt? Das ist das erste Rätsel. Und die Antwort hat irgendwas mit so 'nem Arzt namens John Wennberg zu tun.
Okay, Wennberg hat irgendwie festgestellt, dass es in verschiedenen Regionen der USA total unterschiedliche medizinische Behandlungen gab. Zum Beispiel, wie oft ein Arzt einen Patienten in den letzten zwei Lebensjahren besucht. In Los Angeles war das viel öfter als in Minneapolis.
Ist das, weil die Leute in Los Angeles so anspruchsvoll sind? Scheinbar nicht. Es liegt wohl eher daran, was die Ärzte machen wollen. Aber warum verhalten sich die Ärzte in verschiedenen Regionen so unterschiedlich? Liegt das am Geld? Oder ist das einfach nur Zufall?
Wennberg hat dann aber festgestellt, dass es so 'ne Art medizinische Cluster gibt. Da haben die Ärzte in einer Region alle so 'ne ähnliche Denkweise. So, als ob sie von derselben Idee infiziert wären.
Ein Wirtschaftswissenschaftler hat mal gesagt: "Ist es irgendwas, das im Wasser ist?" Haha!
Okay, und jetzt kommt noch 'n Beispiel für so 'ne regionale Eigenart. Und zwar bei Impfungen. In Kalifornien gibt's ja 'ne Datenbank, in der steht, wie viele Schulkinder geimpft sind. Und da gibt's auch Unterschiede. Zum Beispiel bei Waldorfschulen. Da sind die Impfquoten oft viel niedriger als an anderen Schulen.
Es gibt also so 'ne Art Impfskeptiker-Cluster. Wennberg würde das sofort erkennen. Impfskeptizismus ist auch so 'ne kleine regionale Eigenart.
Das ist also die erste Lektion von sozialen Epidemien: Die hören nicht an den Grenzen einer Gemeinschaft auf. Da gibt's irgendwelche Regeln, die wir noch nicht kennen.
Und jetzt kommt Rätsel Nummer zwei.
Also, es geht um Willie Sutton. Der war so 'ne Art New Yorker Version von Casper. Aber noch viel berühmter. Der war ein Meister der Verkleidung und hat sich sogar zweimal aus dem Gefängnis befreit. Und er hat mal gesagt, er raubt Banken aus, weil da das Geld ist.
Man sollte ja meinen, dass Willie Sutton so 'ne Banküberfall-Epidemie auslösen müsste. Aber das hat er nicht. New York hatte viel weniger Banküberfälle als Los Angeles.
Eine Epidemie hört ja normalerweise nicht an den Grenzen einer Stadt auf. Aber bei den Banküberfällen war das anders. Warum?
Das ist also das erste Rätsel. Und das hat irgendwas mit Wennbergs Beobachtungen zu tun.