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Also, ich erzähl euch heute mal ne Story...eigentlich ne ziemlich krasse Story, die sich in Miami abgespielt hat. Und zwar geht's um den Fall Philip Esformes. Mann, da könnte man echt nen Hollywood-Blockbuster draus machen.
Der Typ, Esformes, stand vor Gericht. War'n riesen Medicare-Betrugsfall, einer der größten überhaupt. Und er, total am Ende, bettelt den Richter um Gnade an. Sagt, er hat alles verloren, seine Ehe zerstört, seine Kinder traumatisiert, seinen Eltern unendliches Leid zugefügt. Und ja, er gibt sich selber die Schuld. Hat auch über 20 Kilo abgenommen seit er im Knast sitzt. Seine Füße, die sind total schlecht durchblutet, die Knie geschwollen, Hautprobleme...seit über drei Jahren kein Sonnenlicht mehr gesehen.
Die Ermittlungen gegen ihn und sein Netzwerk von Pflegeheimen, die haben Jahre gedauert. Der Prozess war fast zwei Monate lang. Da ging's um Bestechung, Scheinrechnungen, Schmiergelder, Geldwäsche, 256 (!) verschiedene Bankkonten und zwielichtige Ärzte. Seine engsten Vertrauten, die haben ihn heimlich abgehört, stundenlang Aufnahmen gemacht, wie Esformes sein riesiges Imperium lenkt. Auf den Bändern, da kommt er rüber wie jemand, der bereit ist, Regeln zu brechen, ohne Konsequenzen zu fürchten. Einer, der all das Gute um sich herum nicht zu schätzen weiß. Er akzeptiert die Verantwortung für sein Handeln. Und dann, ja dann hat er geweint.
Also, Esformes selbst war ja schon ne Erscheinung. Braun gebrannt, sah aus wie Paul Newman. Hat nen Ferrari für anderthalb Millionen gefahren, ne Schweizer Uhr für 360.000 am Handgelenk gehabt und ist mit nem Privatjet von Küste zu Küste geflogen. Und dann die ganzen schönen Frauen in Luxushotelzimmern, seine Wutanfälle, die Anrufe mitten in der Nacht. Und er hat Bargeld immer als "Fettuccine" bezeichnet, total irre. Seine eigenen Anwälte haben ihn als "zwanghaft" und "wahrscheinlich bipolar" beschrieben. Einer, der einen den ganzen Tag und die ganze Nacht anruft, der einen verrückt macht, der einen bis zum Äußersten treibt und sich über alles beschwert. Krass, oder?
Er hat den Sabbat eingehalten und dann, um Mitternacht, wenn das religiöse Arbeitsverbot aufgehoben war, seine Pflegeheime besucht, um sicherzustellen, dass alles zu seiner Zufriedenheit läuft. Er hatte zwei Söhne, und der älteste, der sollte unbedingt ein Basketballstar werden. Obwohl er eigentlich gar nicht so sportlich war. Auf YouTube gibt's Videos, wie sein kleiner Sohn fleißig seine Übungen macht, unter der Aufsicht von professionellen Trainern. "Er hat seine Kinder getrieben, wie man sich das nicht vorstellen kann", hat sein Anwalt Roy Black gesagt. "Wie ein Vollzeit-Team." Der Typ war wie... ja, wie ne ganze Luftwaffe. Black, der schon jeden möglichen Drogendealer, Betrüger und Geldwäscher verteidigt hat, der schien keine besonders schöne Zeit mit Esformes gehabt zu haben. Er wollte die Verteidigung selber führen, was natürlich nicht ging. Er war einfach zu intensiv. Black hat erzählt, er hätte stundenlang mit ihm geredet und wäre dann total durchgeschwitzt aus dem Gefängnis gekommen und hätte erstmal ne Valium gebraucht.
Und im Gerichtssaal, da saß Esformes' Vater, Morris Esformes. Ein legendärer Mann, brillant, gutaussehend, witzig. Ein orthodoxer Rabbi, der in Chicago ein riesiges Pflegeheimimperium aufgebaut und über 100 Millionen Dollar an wohltätige Organisationen gespendet hat. Der hatte die Hupe seines Autos so programmiert, dass sie die Titelmelodie von "Der Pate" gespielt hat. Und der hat mal ein Interview in nem lila-goldenen Los Angeles Lakers-Trikot mit passender Kippa gegeben. Falls den Reportern was zustoßen sollte wegen ihrer Recherchen über sein Geschäft, hat er gesagt, hätte ein Rat von Rabbis in Israel ihm schon die "spirituellen Konsequenzen" erlassen.
Einer von Esformes' Anwälten meinte mal, dass Philip seinem Vater beweisen wollte, dass er auch erfolgreich sein kann, dass er nicht im Schatten seines Vaters stehen will. Sigmund Freud hätte als Zeuge in dem Fall auftreten können.
Bei dem Prozess, da ging's um Orgien, Las Vegas-Trips. Da hatte ne Möchtegern-Victoria's Secret-Model nen kurzen Auftritt. Und es gab ne seltsame Nebenhandlung, in der Philip den Basketballtrainer der University of Pennsylvania mit Geldsäcken bestochen hat, damit sein Sohn Moe in das Basketballteam der Uni aufgenommen wird. Und dann die beiden Starzeugen, die Delgado-Brüder. Einer von denen wog über 240 Kilo, hatte ein Kind mit seiner Freundin und hat sie dann der Einfachheit halber in ner Wohnung untergebracht, die seiner Frau gehörte. Mann, die Delgado-Brüder kannten sich mit heiklen Situationen aus. Wenn man die fast 10.000 Seiten Prozessakten durchliest, da gibt's so viele Momente, wo man denkt, das kann doch nicht wahr sein.
Es gibt auch so ein Moment, wo ein Anwalt, einer der vielen Zeugen der Regierung, danach gefragt wird, wann denn der Betrug bei ner Firma namens ATC losging, sagt er "2002, als ich meine Providernummer bekommen habe. ATC hat dann 205 Millionen Dollar an Medicare abgerechnet. Und ich hab dann 300 bis 400 Tausend Dollar Schmiergelder im Monat gezahlt." Später fragt der Anwalt noch mal nach den Schmiergeldern: "Können Sie der Jury mal beschreiben, wie Sie das Geld so verteilt haben?" Und dann sagt er, "Ich hatte schon Geld aus der Geldwäsche. Und ich hatte dann Hunderter, Fünfziger, Zwanziger, Zehner, Fünfer, also Stapel von Geld. Und dann hab ich Umschläge." Ja klar, wenn man 400.000 Dollar Schmiergelder im Monat auszahlt, dann braucht man ne Menge Umschläge. Und wenn man sich lange genug mit dem Fall beschäftigt, dann kommt man vielleicht zu dem Schluss, dass Philip Esformes vielleicht doch nicht nur schlecht war.
Seine Anwälte haben ihn ja auch verteidigt und gemeint, er wär ja immer in den Einrichtungen gewesen, hätte sie kontrolliert, wäre Tag und Nacht rumgefahren. Er hat Dwayne Wade, diesen Basketballstar, in die Einrichtung gebracht, damit die Patienten ihn treffen konnten. Er hat die Patienten umarmt, mit ihnen getanzt und den Mitarbeitern so viel Liebe gezeigt, dass die vor Gericht gekommen sind, um ihre Liebe für ihn zu zeigen. Also, was ist mit Philip Esformes passiert? Warum hat so ein liebevoller Mensch sein Leben so leichtfertig weggeworfen?
Bei der Strafmaßverkündung, da kam die stärkste Aussage von Rabbi Sholom Lipskar, der die Familie schon seit Jahren kannte. Lipskar hat Esformes fünfzig Mal im Gefängnis besucht, während er auf seinen Prozess gewartet hat. Lipskar kannte Esformes' Gemütszustand so gut wie kaum jemand. "Seine Seele ist zerbrochen. Sein Herz ist gebrochen. Seine Persönlichkeit hat sich verändert", hat er dem Richter gesagt. Und dann: "Es gibt schlechte Menschen, die schlechte Dinge tun, und es gibt gute Menschen, die Fehler machen. Philip ist einer von denen. Er war Philip Esformes aus einer außergewöhnlichen Familie mit großer Herkunft. Ich kannte seine Großeltern. Sie haben in unserer Synagoge gebetet. Sein Großvater kam mit seinem Rollstuhl und hat mit ganzem Herzen und Seele gebetet. Er war dann ein erfolgreicher Mann in Chicago, war Philip von Chicago, der alle Institutionen in Chicago unterstützt hat. Und dann kam er nach Miami, wo es leicht ist, Philip von Miami zu werden, ein ruinierter Mensch, der in einem Umfeld stecken geblieben ist, in dem er nicht nur Geld verdienen wollte."
Miami. Lipskar meinte, die Probleme für Esformes, die haben angefangen, als er seine Heimatstadt verlassen hat und nach Südflorida gegangen ist. Das war ja ne Strafmaßverkündung, also ne Gelegenheit, bei der ein Verbrecher seine Freunde bittet, nette Sachen über ihn zu sagen. Ist ja nicht wirklich seine Schuld, ist so die Standardverteidigung. Aber Lipskars Argument, das klingt schon ziemlich vertraut. Er hat sich verloren. Seine Familie kann es bestätigen. Er sagt es ja selbst: "Ich habe mich verloren. Ich bin einen falschen Weg gegangen. Ich bin in den Abgrund gefallen." Er war Philip von Chicago, ein ehrenwerter Geschäftsmann aus ner angesehenen Familie. Bis er Philip von Miami wurde und sich verloren hat.
Es ist als wäre er umgezogen. Und ja, das ist eben das Problem mit Miami, da gibt's so ne ganz eigene Dynamik. Aber wie funktioniert das? Was macht Miami so anders? Das ist die große Frage. Es ist, als ob es in Miami ne Art "Übergeschichte" gibt, die alles beeinflusst. Ne Übergeschichte, das ist die oberste Schicht des Blätterdachs in einem Wald. Und die Größe, Dichte und Höhe dieses Blätterdachs, die beeinflussen das Verhalten und die Entwicklung jeder Art weit unten am Waldboden. Man vergisst sie leicht, weil man so auf das Leben um sich herum konzentriert ist. Aber Übergeschichten, die sind echt mächtig. Also, was ist die Übergeschichte von Miami, die Philip Esformes verzaubert hat? Und wo kommt die her?
Also, Medicare, das Krankenversicherungssystem der US-Regierung für ältere Menschen, das deckt 67 Millionen Menschen ab und gibt über 900 Milliarden Dollar im Jahr aus. Und es hat nicht lange gedauert, bis Kriminelle gemerkt haben, dass so ein großes Programm mit so viel Geld ne goldene Gelegenheit ist. Es ist nicht so schwer, Medicare-Anbieter zu werden. Du beantragst online ne National Provider Identifier (NPI), ne zehnstellige Nummer, mit der du der Regierung Leistungen in Rechnung stellen kannst. Ist n Vertrauensbasiertes System. Du füllst die Formulare aus und versicherst, dass du die Regeln von Medicare befolgen wirst. Und ja, damit fängt das Vertrauen an. Jemand muss als "nominierten Eigentümer" des neuen Unternehmens angegeben werden. Aber wer ist das? Es ist schwierig, bei 67 Millionen Menschen jeden zu überprüfen. Das Unternehmen muss auch ne Adresse haben, nen physischen Geschäftssitz, damit es inspiziert werden kann. Aber es gibt Grenzen. Wenn man weiß, wann die kommen, dann richtet man alles entsprechend her und dann geht's los. Es gibt drei grundlegende Dinge, die man für nen Krankenkassenbetrug braucht. Patienten, medizinische Fachkräfte, also Krankenschwestern und Ärzte, die bereit sind, Anordnungen zu unterschreiben, denen Medicare vertraut und die sie überprüft. Und dann die Akten. Man braucht gefälschte Akten. Und in der Welt des Medicare-Betrugs, da gibt's unendlich viele kreative Variationen dieser Kombination aus gefälschten Patienten, Ärzten und Akten. Manchmal sind die Ärzte mit im Boot. Manchmal klaut man einfach die NPI des Arztes aus dem Internet. Manchmal erbringt man zwar ne Leistung, rechnet aber was viel Teureres ab. Manchmal macht man sich aber nicht mal die Mühe. Man gründet zum Beispiel ne Agentur für Physiotherapie. Man wirbt Patienten an, die sagen, sie wären verletzt, obwohl sie es nicht sind, schickt sie zu nem Arzt, der sich bereit erklärt, im Gegenzug für ein Schmiergeld ne Verschreibung für die Reha-Einrichtung auszustellen, und fälscht ne Krankenakte, in der steht, dass man den Patienten durch ne strenge Routine geführt hat, obwohl man gar nichts getan hat.
Was aber, wenn jemand in der Medicare-Zentrale misstrauisch wird? Stehen da nicht Name und Adresse auf dem NPI-Anmeldeformular? Ja, aber man kann ja den Namen von jemand anderem auf das Formular setzen und die Person ist dann praktischerweise im Ausland. Medicare zahlt dann die Firma und man hebt das Geld sofort ab und wäscht es sorgfältig, damit die Banken nicht misstrauisch werden. Ein guter Partner dafür ist ein Drogenhändler. Der hat viel Bargeld, das er außer Landes bringen will. Und man braucht Bargeld für die Schmiergelder, die man an Ärzte oder Krankenhäuser zahlt. Also gibt man dem Drogenhändler nen Teil des "legitimen" Geschäfts im Austausch für Geldspritzen, die man für Bestechungsgelder verwenden kann. Und dann gibt's noch das aufstrebende Gebiet der Telemedizin, wo man jetzt nicht mal mehr den Patienten treffen muss, um für die Behandlung bezahlt zu werden. Das war ein Fest für die Betrüger, als die Telemedizin-Regeln gelockert wurden während Corona. Die Anzahl und Vielfalt dieser Betrugsmaschen, die werden immer ausgefeilter und kreativer. Und ja, der gesamte Betrag des Medicare-Betrugs in einem bestimmten Jahr, der wird auf rund 100 Milliarden Dollar geschätzt. Und Epizentrum dieser außergewöhnlichen Epidemie ist und war schon immer: Miami.
Einer der Staatsanwälte ist in Miami Beach aufgewachsen. In Miami aufzuwachsen, wenn man Medicare-Betrug verfolgt, das ist wie in den Alpen aufzuwachsen, wenn man Abfahrtsläufer werden will. Er hat erzählt, dass er überall Apotheken gesehen hat, die wie Pilze aus dem Boden schossen. Und seine Oma wurde an Bushaltestellen von Patientenwerbern angesprochen. Als die Bundesregierung angefangen hat, ernsthaft gegen den Medicare-Betrug vorzugehen, da hat sie regionale "Strike Forces" gebildet, mit FBI, Staatsanwaltschaft und Beamten des Office of Inspector General im Gesundheitsministerium. Und die erste Strike Force, die war in Miami.
Und es gab da diese Grafik, die zeigt, wie viel Medicare pro Patient für langlebige medizinische Geräte ausgegeben hat. Also Krücken, Bandagen, Orthesen, Rollstühle und Gehhilfen. Mittlerweile sind die Betrüger ja auf lukrativere und exotischere Betrugsmaschen umgestiegen. Aber Rollstühle und Gehhilfen, damit hat alles angefangen. Und die Zahlen für Florida, die waren schon krass. Die meisten Städte waren im Bereich von 200 Dollar pro Jahr. Aber Miami, Miami lag bei 1.234,73 Dollar. Also deutlich mehr als alle anderen Städte.
Woher kommt die Übergeschichte von Miami? Wenn man hundert Leute aus Miami fragt, dann bekommt man hundert verschiedene Antworten. Aber die überzeugendste Erklärung ist vielleicht die Theorie von 1980. Die kommt aus nem Buch mit dem Titel "The Year of Dangerous Days". Die These ist: Bis in die 1970er Jahre war Miami ne kleine, verschlafene, kämpfende Südstaatenstadt. Das war mal ein Winterurlaubsort, aber die Flugreisen, die haben viele Touristen vertrieben. Und Orlando ist zur größten Attraktion des Bundesstaates geworden. Miami war gefährlich. Miami Beach war ein Streifen heruntergekommener Hotels. Wenn die Wirtschaftsführer in Miami darüber nachdachten, ihre Gemeinde wiederzubeleben, dann waren ihre Vorbilder immer konventionell erfolgreiche amerikanische Städte. Die wollten ein regionales Wirtschaftszentrum wie Atlanta sein, das Bankwesen von Charlotte haben, nen Binnenhafen wie Jacksonville. Aber dann sind 1980 drei Dinge passiert, die Miami in was ganz anderes verwandelt haben. Erstens: Drogengeld. Der Drogenhandel in Südflorida, das war mal n kleines Familiengeschäft, mit kleinen Händlern, die Marihuana aus der Karibik mit dem Boot in die Florida Keys gebracht haben. Aber dann hat sich der Markt plötzlich und dramatisch auf lateinamerikanisches Kokain verlagert. Ende der 1970er Jahre wurde die Größe der Schattenwirtschaft im Dade County, wo Miami liegt, auf 11 Milliarden Dollar geschätzt. 20 Prozent der Immobiliengeschäfte wurden in bar abgewickelt. In einem Zeitraum von drei Jahren in den 1980er Jahren wurden fast zehnmal so viele Autos gekauft wie in Jacksonville und Tampa, den beiden anderen größten Städten des Bundesstaates. Allein im Jahr 1980 sollen zwölf Leute zwischen 250 und 500 Millionen Dollar auf Miamis Banken eingezahlt haben. Der Kokainhandel, der hat das Bankensystem der Stadt zu nem Komplizen internationaler Drogenkartelle gemacht.
Die Korruption, die hat dann auch das Strafjustizsystem erfasst. Die Mordkommission wurde total vom Kokain korrumpiert. Ne Bank, die mit Schmugglern zu tun hatte, die hat nen ehemaligen Stadtverwalter angestellt. Drogenfahnder haben angefangen, Drogenhändler auszurauben und deren Ware zu stehlen. All das ist passiert, zur gleichen Zeit, als die Mordrate um 300 Prozent gestiegen ist. Die Stadt, die war außer Kontrolle. Und dann im Winter 1979, da wurde ein junger schwarzer Mann von der Polizei geschlagen, nachdem er sie auf ner Verfolgungsjagd mit hoher Geschwindigkeit angeführt hatte. Und der ist ein paar Tage später im Krankenhaus gestorben. Ne Gruppe von Polizisten wurde vor Gericht gestellt. Als die freigesprochen wurden, da ist das schwarze Miami in Wut ausgebrochen, was zu einem der schlimmsten Rassenunruhen in der amerikanischen Geschichte geführt hat. Das weiße Miami, das hat sich in Scharen auf den Weg nach Norden gemacht, nach Fort Lauderdale und Boca Raton.
Und im Frühjahr 1980 hat Fidel Castro beschlossen, die Grenzen seines Landes zu öffnen. Griffin nennt das den "verrücktesten" der Ereignisse in diesem Jahr. Die Demografie von Miami, die hat sich fast über Nacht verändert. Und dann kommt die Mariel Boatlift: Castro hat 125.000 Leute auf ne Stadt losgelassen, die zu dem Zeitpunkt kaum mehr als 300.000 Einwohner hatte. Dadurch gab es ne außergewöhnliche Verschiebung, ne Stadt, deren Institutionen untergraben wurden. Jedes einzelne dieser Ereignisse hätte ausgereicht, um ne Stadt zu erschüttern. Miami hatte mehrere traumatische Ereignisse und die hatten alle die gleiche Wirkung: Sie haben die Institutionen und Praktiken, die die Stadt seit Generationen verankert hatten, in ihren Grundfesten erschüttert.
Wenn man vor 1980 nach Miami gezogen ist, dann ist nicht viel passiert. Dann ist man einfach in ne relativ gewöhnliche Stadt gezogen, wie Jacksonville oder Tampa. Aber wenn man 1980 hingezogen ist, dann ist man in nen Ort gezogen, wo die institutionelle Autorität, der stabilisierende Einfluss von Mustern und Praktiken, die sich im Laufe der Zeit aufgebaut hatten, zerstört worden war. 1980 war das Spitzenjahr für einen berüchtigten kolumbianischen Geldwäscher namens Isaac Kattan Kassin. Der ist vor ner Bank am Biscayne Boulevard in der Innenstadt von Miami vorgefahren, hat den Wachmann herbeigerufen und ihn gebeten, zwei riesige Koffer voller Hunderttausende von Dollar in die Bank zu tragen. Jeden Tag! Die Bank musste fünf Leute einstellen, die die ganze Nacht durchgearbeitet haben, um das Geld zu zählen. Und natürlich so tun, als ob nichts Schlimmes passiert.
Wenn man 1980 morgens am Biscayne Boulevard unterwegs war, dann hat man das gesehen: Ein Betrüger in nem roten Chevy Citation, der vor ner Bank geparkt hat und mit Hilfe der Bank Millionen wäscht. Glaubt ihr nicht, dass das die Art und Weise verändert, wie man die Welt sieht?Ob das direkt zu Medicare-Betrug 30 Jahre später führt, das ist nicht sicher. Aber Institutionen, die nicht sehr gut aufgebaut sind, die scheinen hier Teil des Spiels zu sein. Wenn man hier nen Strafzettel fürs zu schnelle Fahren bekommt, dann wird einem der Polizist sagen, dass man ihn nicht bezahlen soll. Er wird sagen, ruf den Ticket-Service meines Cousins an, zahl 60 Dollar, der kümmert sich drum, dann gibt's keine Punkte im Führerschein. So läuft das hier.
Und die Medicare Fraud Strike Force, die ist zufällig auf Philip Esformes gestoßen. Einer der Staatsanwälte erinnert sich, dass sein erster Fall ein Apothekenbesitzer war. Der wurde festgenommen und hat kooperiert. Der Apotheker hat dem Staatsanwalt erzählt, dass er den beiden Brüdern Gaby und Willy Delgado Schmiergelder gezahlt hat, dafür, dass sie ihm Patienten zugewiesen haben. Die Delgado-Brüder, die waren im Geschäft, "begleitende" Leistungen zu vermitteln, also medizinische Geräte, Sehhilfen, psychologische Betreuung und so weiter. Willy, der ältere Bruder, war der Anführer. Er ist direkt nach seiner Ausbildung zur Krankenpflegerin in das Geschäft eingestiegen, als er nen Job als Außendienstmitarbeiterin bei ner Firma von ner Frau namens Aida Salazar angenommen hat. Sie hat ihm angeboten, dass er zusätzlich Geld verdienen kann, in dem er ein paar der Besuche unterschreibt, die gar nicht stattgefunden haben. Also, er hat falsche Notizen geschrieben, aber sie hat jemand zum Abschreiben gehabt und er hat nur unterschrieben. Und er hat die Patienten nie gesehen.
Und von da an, da gab's kein Zurück mehr. Nachdem er das Geschäft gelernt hatte, wollte er sein eigenes aufmachen. Er hat dann das Geschäft mit den langlebigen medizinischen Geräten gemacht, sich auf "Sauerstoffkonzentratoren" spezialisiert. Und er hat nen sehr willfährigen Arzt gefunden, Dr. M, der medizinischer Direktor von mehreren betreuten Wohneinrichtungen war. Er hat ihm die Rezepte gebracht und er hat sie unterschrieben. Er hat sich die Rezepte nicht mal angesehen, er hat einfach nur unterschrieben. So einfach ging das. Und dann wurde Willy Delgado immer größer. Er hat Restaurants, Zigarrengeschäfte eröffnet. Dann haben er und sein Bruder sich wieder mit Aida Salazar zusammengetan, die jetzt mit ihrem Sohn Nelson ne Firma namens Nursing Unlimited betrieb. Nelson war Verkäufer. Der hat Ärzte zu Basketballspielen und Stripclubs eingeladen und viel Kokain genommen. Wenn Nelson dann um drei Uhr morgens nach Hause gekommen ist, dann hat er ne Handvoll Schlaftabletten genommen, bevor er am nächsten Tag wieder angefangen hat.
Die Delgado-Brüder, das war die Verbindung, die der Staatsanwalt in seinem ersten Fall mit dem korrupten Apotheker entdeckt hat. Und als die Delgado-Brüder angefangen haben zu reden, da haben sie den Namen von nem Mann erwähnt, mit dem sie seit den 2000er Jahren zusammengearbeitet haben, kurz nachdem der Mann und sein Vater aus Chicago runtergezogen waren: Philip Esformes. Philip Esformes, der hatte mittlerweile n riesiges Portfolio an Pflegeheimen und betreuten Wohneinrichtungen in Südflorida zusammengestellt. Laut den Delgados haben die drei nen cleveren Plan ausgeheckt, um Esformes' Pflegeheime voll zu halten. Wenn ein Patient mindestens drei Tage im Krankenhaus gelegen hat, dann hat er Anspruch auf 100 Tage in ner qualifizierten Pflegeeinrichtung. Also haben die nen Krankenhauspartner gefunden: Das Larkin Community Hospital in South Miami. Die Leute von Larkin, die haben Schmiergelder bekommen. Und im Gegenzug haben sie Patienten in Esformes' Pflegeheim geschickt, wo sie so lange geblieben sind, bis sie in ne von Esformes' betreuten Wohneinrichtung entlassen wurden. Und wenn sie von dort entlassen wurden, dann haben die Delgado-Brüder sie für die Zusatzleistungen abgeholt. Und wenn alles gepasst hat, dann wurden die Patienten zurück nach Larkin geschleust. Eine ewige Medicare-Betrugsmaschine, die Medicare am Ende über ne Milliarde Dollar in Rechnung gestellt hat, angetrieben von Tausenden von Bündeln von Bargeld in Einkaufstüten, Wochenendtrips nach Las Vegas und Ärzten mit "lockeren Stiften".
Esformes war zwanghaft und anspruchsvoll. Er war ein Schreihals. Gaby Delgado hat als sein Fahrer und Assistent gedient. Esformes hat Gaby um 5 Uhr morgens angerufen, um ihm seine täglichen Anweisungen zu geben. Er hatte immer mindestens zwei Handys dabei und hat seinen Vater aus dem Auto angerufen, um ihm die täglichen Belegungszahlen in jeder ihrer Einrichtungen mitzuteilen. Und am Ende, als sich die Strike Force ihm näherte, da wurde der jüngere Esformes paranoid. Er hat Gaby Delgado dazu gebracht, sich auszuziehen, um ihn an seinem Pool zu treffen.
Esformes, der hat immer gesagt, dass er nen Trumpf im Ärmel hat und dass er Verbindungen hat, um die Dinge verschwinden zu lassen.Und ja, er hatte auch Verbindungen, die Dinge verschwinden gelassen haben.
Also, es wäre echt n guter Film. Der gutaussehende Bösewicht, der in seinem Ferrari durch Miami Beach rast, von Freundin zu Freundin springt, um 5 Uhr morgens Befehle bellt, um seine ewige Betrugsmaschine am Laufen zu halten. Aber vielleicht auch nicht, weil die Geschichte nur in Miami Sinn macht. Selbst der Prozess selbst, der Punkt in der Geschichte, an dem Ordnung und Vernunft herrschen sollen, der ist schnell in nen Abgrund der Miami-ness gefallen. Die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung, die haben sich nen hitzigen Nebenkrieg über das Anwaltsgeheimnis geliefert, aus dem irgendwie n Unterfall entstanden ist, der es irgendwie bis zum Obersten Gerichtshof geschafft hat. Kim Kardashian hat über das ganze Chaos getwittert. Und Morris Esformes ist aus dem Gerichtssaal geworfen worden, weil er Sachen aus der Besuchertribüne gerufen hat, wie "Er ist ein Lügner!", während sein Sohn auf der Anklagebank saß.
Während des Prozesses hat Philip Esformes darauf bestanden, dass er unschuldig ist. Er hat es abgelehnt, nen Deal auszuhandeln, was ihm vielleicht das Gefängnis erspart hätte. Er hat kein Wort zu seiner Verteidigung gesagt, bis zur Strafmaßverkündung. Er saß einfach nur da, während Willy und Gaby Delgado n Grab für ihn geschaufelt haben. Und Willy Delgado, der hat unter Eid vor nem Bundesgericht gesagt, dass Esformes immer gesagt hat, dass er Verbindungen zu den Leuten hat, die das verschwinden lassen können. Im Dezember 2020, nach fünf Jahren im Gefängnis, wurde Philip Esformes' Strafe von Donald Trump reduziert. Und wo ist Donald Trump hingezogen, nachdem er das Weiße Haus verlassen hat? Nach Südflorida. Klar.
Ja, ich hoffe, ich konnte euch einen guten Eindruck von diesem unglaublichen Fall vermitteln. Und ja, das ist eben Miami.