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Calculating...

Also see Gregory Clark, A Farewell to Alms: A Brief Economic History of the World (Princeton: Princeton University Press, 2007).

Na ja, hallo erstmal, ne? Also, ich wollte euch heute mal so 'ne Art... ja, wie soll ich sagen... "große Erzählung" vorstellen. Also, meine Version der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, so wie ich sie sehe. Und zwar primär aus 'ner wirtschaftlichen Perspektive.

Ich nenne das Ganze mal das "lange zwanzigste Jahrhundert", und das fängt so um 1870 an. Da gab's so ein paar entscheidende Ereignisse, die die Welt irgendwie... verändert haben. Die Globalisierung, die Entwicklung von Industrielaboren, und diese modernen Konzerne... die haben angefangen, die Welt aus dieser krassen Armut rauszuziehen, in der die Menschheit seit der Entdeckung der Landwirtschaft, also seit zehntausend Jahren, gesteckt hat.

Und dieses "lange zwanzigste Jahrhundert", das endet für mich so ungefähr 2010. Da hatten die führenden Wirtschaftsnationen, also die Länder Nordatlantiks, immer noch mit den Folgen der großen Rezession von 2008 zu kämpfen. Und danach... ja, danach konnten die einfach nicht mehr so schnell wachsen, wie sie es seit 1870 gewohnt waren. Und in den Jahren danach, also ab 2010, da gab es dann diese ganzen politischen und kulturellen... ja, wie soll ich sagen... "Wellen der Wut" von vielen Bürgern. Die waren alle irgendwie unzufrieden, aus verschiedenen Gründen, weil das System des zwanzigsten Jahrhunderts für sie nicht so funktioniert hat, wie sie sich das vorgestellt hatten.

Aber dazwischen, also zwischen 1870 und 2010, da war's schon... mal wunderbar, mal schrecklich. Aber im Vergleich zur restlichen Menschheitsgeschichte war's eben doch viel wunderbarer als schrecklich. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese 140 Jahre die wichtigsten Jahre der gesamten Menschheitsgeschichte waren. Und es war das erste Jahrhundert, in dem das Wirtschaftliche die Hauptrolle gespielt hat. Weil's das Jahrhundert war, in dem wir angefangen haben, diese krasse, fast allgegenwärtige materielle Armut zu überwinden.

So, und diese Sichtweise steht im Gegensatz zu dem, was andere Leute, wie zum Beispiel der Marxistische Historiker Eric Hobsbawm, als das "kurze zwanzigste Jahrhundert" bezeichnen. Das soll von 1914, also vom Beginn des Ersten Weltkriegs, bis 1991, dem Fall der Sowjetunion, gedauert haben. Diese Leute sehen das neunzehnte Jahrhundert eher als den langen Aufstieg von Demokratie und Kapitalismus, von 1776 bis 1914. Und das kurze zwanzigste Jahrhundert als die Zeit, in der der real existierende Sozialismus und Faschismus die Welt erschüttert haben.

Aber solche Geschichtsschreibungen, ob lang oder kurz, sind halt immer "große Erzählungen", die dazu dienen, die Geschichte so zu erzählen, wie der Autor sie gerne hätte. Und wenn man diese Jahre, 1914 bis 1991, als eigenes Jahrhundert betrachtet, dann kann Hobsbawm natürlich seine Geschichte besser erzählen. Aber dafür verpasst er meiner Meinung nach die größere, wichtigere Geschichte. Und die geht eben von 1870 bis 2010. Vom Erfolg der Menschheit, das Tor zur Überwindung der Armut aufzustoßen, bis zum Scheitern, das schnelle Wachstum beizubehalten.

Also, was jetzt kommt, ist quasi meine "große Erzählung", meine Version der wichtigsten Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Und die beginnt eben 1870 und endet für mich 2010.

Wie schon der geniale, aber irgendwie auch gespaltene Philosoph Friedrich August von Hayek gesagt hat: Die Marktwirtschaft, die crowdsourct Lösungen für die Probleme, die sie selbst schafft. Also, vor 1870 hatte die Menschheit einfach nicht die Technologien oder die Organisationen, um eine Marktwirtschaft überhaupt in die Lage zu versetzen, das Problem des Reichtums anzugehen. Klar, es gab schon vorher Märkte, aber die konnten eben nur Kunden für Luxusgüter finden und das Leben der Reichen luxuriöser und das der Mittelschicht komfortabler machen.

Das hat sich dann so um 1870 geändert. Da kamen dann diese neuen Institutionen für Organisation und Forschung, und die Technologien, die Globalisierung, die Industrielabore und die modernen Konzerne. Das waren die Schlüssel! Die haben das Tor zur Armut aufgestoßen. Und jetzt konnte die Marktwirtschaft das Problem des Reichtums angehen, weil es jetzt eine Lösung gab. Und dahinter lag quasi der Weg zum Paradies. Und alles andere Gute hätte eigentlich daraus folgen sollen.

Und viel Gutes ist ja auch passiert, keine Frage.

Ich schätze, dass das durchschnittliche weltweite Wachstum, also der Kern des wirtschaftlichen Fortschritts, von etwa 0,45 Prozent pro Jahr vor 1870 auf 2,1 Prozent pro Jahr danach gestiegen ist. Das ist ein riesiger Unterschied. Und 2,1 Prozent Wachstum über 140 Jahre, das ist 'ne Vervielfachung um das 21,5-fache. Das war schon verdammt gut. Dadurch konnten die Menschen mehr von den guten Dingen haben, die Notwendigkeiten, den Komfort und den Luxus des Lebens.

Aber das heißt jetzt nicht, dass die Menschheit 2010 21,5 mal so reich war wie 1870. Es gab ja auch sechsmal so viele Menschen. Und dadurch gab's auch mehr Ressourcenknappheit. Aber trotzdem, ich würde mal schätzen, dass das durchschnittliche Einkommen pro Kopf im Jahr 2010 so 8,8 mal so hoch war wie 1870. Das wären dann vielleicht so 11.000 Dollar pro Jahr. Diese Zahlen sollte man mal im Kopf behalten, um eine grobe Vorstellung davon zu bekommen, wie viel reicher die Menschheit 2010 war als 1870. Und man darf natürlich nicht vergessen, dass der Reichtum 2010 viel ungleicher verteilt war als 1870.

Ein Wachstum von 2,1 Prozent pro Jahr bedeutet, dass sich das Ganze alle 33 Jahre verdoppelt. Das heißt, dass die technologischen und wirtschaftlichen Grundlagen der menschlichen Gesellschaft im Jahr 1903 völlig anders waren als 1870. Und die Grundlagen der Massenproduktion 1936 waren auch ganz anders. Und die Veränderungen hin zu Massenkonsum und Vorstadtsiedlungen 1969 waren auch riesig. Und danach kam dann der Übergang zum Informationszeitalter, zur Mikroelektronik 2002. Eine Wirtschaft, die sich alle paar Jahrzehnte revolutioniert, die revolutioniert natürlich auch die Gesellschaft und die Politik. Und die Regierungen haben da natürlich ganz schön zu kämpfen, wenn sie versuchen, die Menschen in diesen Stürmen zu schützen und zu versorgen.

Es gab eben viel Gutes, aber auch viel Schlechtes. Die Menschen nutzen Technologien, um andere auszubeuten, zu beherrschen und zu unterdrücken. Und das zwanzigste Jahrhundert hat die schlimmsten Tyranneien erlebt, die wir kennen.

Und es gab auch viel, was so gemischt war, im Guten wie im Schlechten. Alles Festgefügte hat sich irgendwie in Luft aufgelöst. Nur ein kleiner Teil des wirtschaftlichen Lebens wurde 2010 noch so betrieben wie 1870. Und selbst dieser Teil war anders. Selbst wenn man die gleichen Aufgaben wie früher erledigt hat, hat man viel weniger von dem Wert seiner Arbeit dafür bekommen. Und weil sich fast alles Wirtschaftliche immer wieder verändert hat, hat das natürlich auch fast alles Soziologische, Politische und Kulturelle beeinflusst.

Stellt euch mal vor, wir könnten zurück ins Jahr 1870 reisen und den Leuten dort erzählen, wie reich die Menschheit im Jahr 2010 sein wird. Die würden doch bestimmt denken, dass die Welt von 2010 ein Paradies ist, eine Utopie. Die Leute hätten 8,8 mal so viel Reichtum? Das würde doch bestimmt bedeuten, dass wir die Macht haben, fast alle Probleme zu lösen.

Aber eben nicht. Jetzt sind 150 Jahre vergangen. Wir haben das Ende des Weges nicht erreicht und sind nicht im Paradies angekommen. Wir sind immer noch auf dem Weg. Vielleicht auch nicht. Denn wir können nicht mehr so richtig sehen, wo der Weg hinführt.

Was ist denn da schiefgelaufen?

Na ja, Hayek war zwar ein Genie, aber eben nur seine gute Seite. Er und seine Anhänger waren auch ziemlich... ja, wie soll ich sagen... "blöd". Die dachten auch, der Markt alleine kann alles regeln. Und die wollten, dass die Menschheit an ein System glaubt, das eine eigene Logik hat, die kein Mensch jemals ganz verstehen kann. "Der Markt gibt, der Markt nimmt; gelobt sei der Name des Marktes". Die dachten, dass die Rettung der Menschheit nicht durch den Glauben an Gott kommt, sondern durch den Glauben an den Markt.

Aber die Menschheit hat sich geweigert. Die Marktwirtschaft hat zwar die Probleme gelöst, die sie sich selbst gestellt hat. Aber die Gesellschaft wollte eben andere Lösungen, Lösungen für Probleme, die der Markt nicht lösen konnte.

Karl Polanyi hat das Problem vielleicht am besten beschrieben. Die Marktwirtschaft erkennt Eigentumsrechte an. Und sie versucht, denjenigen, die Eigentum besitzen, das zu geben, was sie wollen. Wenn man kein Eigentum hat, hat man keine Rechte. Und wenn das Eigentum, das man hat, nichts wert ist, dann sind die Rechte, die man hat, auch nicht viel wert.

Aber die Menschen denken, dass sie auch andere Rechte haben. Sie denken, dass auch diejenigen, die kein wertvolles Eigentum besitzen, gehört werden sollten. Und dass die Gesellschaft ihre Bedürfnisse und Wünsche berücksichtigen sollte. Klar, die Marktwirtschaft kann diese Bedürfnisse und Wünsche vielleicht auch befriedigen. Aber eben nur zufällig. Nur wenn es zufällig dazu passt, den Gewinn der Eigentümer zu maximieren.

Also haben die Leute im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts immer wieder auf das geschaut, was der Markt ihnen gebracht hat, und gesagt: "Haben wir das bestellt?". Und die Gesellschaft hat etwas anderes gefordert. Friedrich von Hayek hat das dann "soziale Gerechtigkeit" genannt und gesagt, dass die Leute das vergessen sollen. Der Markt kann niemals soziale Gerechtigkeit liefern. Und wenn man versucht, die Gesellschaft so zu verändern, dass soziale Gerechtigkeit möglich wird, dann zerstört man die Fähigkeit des Marktes, das zu liefern, was er kann: wachsenden Reichtum, der an die Eigentümer verteilt wird.

Und "soziale Gerechtigkeit" war in diesem Zusammenhang immer nur "Gerechtigkeit" aus der Sicht bestimmter Gruppen. Nicht etwas, das durch irgendwelche transzendenten Prinzipien gerechtfertigt wäre. Und es war selten egalitär. Es ist ja ungerecht, wenn Leute, die nicht so gut sind wie man selbst, gleich behandelt werden. Aber die einzige Art von "Gerechtigkeit", die die Marktwirtschaft liefern konnte, war die, die die Reichen für gerecht hielten. Und außerdem ist der Markt zwar mächtig, aber nicht perfekt. Er kann zum Beispiel nicht genug Forschung und Entwicklung liefern, oder genug Umweltschutz, oder genug stabile Beschäftigung.

Also, "Der Markt gibt, der Markt nimmt; gelobt sei der Name des Marktes" war kein stabiles Prinzip, um eine Gesellschaft zu organisieren. Das einzige stabile Prinzip musste irgendeine Version von "Der Markt ist für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Markt" sein. Aber wer sind die Menschen, die zählen, für die der Markt gemacht werden sollte? Und welche Version ist die beste? Und wie löst man die Streitigkeiten über diese Fragen?

Im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts haben viele andere Leute versucht, Lösungen zu finden. Karl Polanyi, Theodore Roosevelt, John Maynard Keynes, Benito Mussolini, Franklin Delano Roosevelt, Wladimir Lenin und Margaret Thatcher stehen da stellvertretend für viele Denkrichtungen. Und die haben alle nicht so richtig mit diesem pseudo-klassischen System übereingestimmt, das Hayek und seine Leute befürwortet haben. Die wollten, dass der Markt weniger macht oder etwas anderes macht. Und dass andere Institutionen mehr machen. Vielleicht war die Menschheit der Lösung am nächsten mit dieser Art Zwangsehe zwischen Hayek und Polanyi, die von Keynes in Form der sozialdemokratischen Entwicklung des Nordatlantiks nach dem Zweiten Weltkrieg abgesegnet wurde. Aber dieses System hat seine eigene Nachhaltigkeitsprüfung nicht bestanden. Und deshalb sind wir immer noch auf dem Weg, nicht am Ende. Und wir schlittern bestenfalls in Richtung Utopie.

Ich hab ja vorhin gesagt, dass das lange zwanzigste Jahrhundert das erste Jahrhundert war, in dem das Wirtschaftliche die Hauptrolle gespielt hat. Das ist schon eine krasse Behauptung. In dem Jahrhundert gab's zwei Weltkriege, den Holocaust, den Aufstieg und Fall der Sowjetunion, den Höhepunkt des amerikanischen Einflusses und den Aufstieg des modernen Chinas. Wie kann ich da sagen, dass das alles Aspekte einer einzigen wirtschaftlichen Geschichte sind? Und wie kann ich überhaupt sagen, dass es nur eine einzige wichtige Geschichte gibt?

Ich sag das, weil wir große Erzählungen brauchen, um überhaupt denken zu können. Große Erzählungen sind, um es mit den Worten von Ludwig Wittgenstein zu sagen, "Unsinn". Aber irgendwie ist alles menschliche Denken Unsinn. Es ist ungenau, verwirrend und kann uns in die Irre führen. Aber unsere ungenauen Gedanken sind die einzigen Möglichkeiten, die wir haben, um zu denken und uns weiterzuentwickeln. Und wenn wir Glück haben, können wir diesen Unsinn erkennen und ihn als Schritte benutzen, um darüber hinauszugehen und dann die Leiter wegzuwerfen. Vielleicht haben wir dann gelernt, diese Sätze zu überwinden und die Welt richtig zu sehen.

Ich hab diese große Erzählung in der Hoffnung geschrieben, den Unsinn zu überwinden und die Welt richtig zu sehen. Deshalb sage ich ganz klar, dass das Wirtschaftliche die wichtigste Geschichte ist.

Vor 1870 hat die Technologie immer wieder das Rennen gegen die menschliche Fruchtbarkeit verloren. Mehr Menschen, gepaart mit Ressourcenknappheit und langsamer technologischer Innovation, haben dazu geführt, dass die meisten Menschen die meiste Zeit nicht sicher sein konnten, ob sie und ihre Familie im nächsten Jahr genug zu essen und ein Dach über dem Kopf haben würden. Und die wenigen, die sich diesen Komfort leisten konnten, mussten ihn sich nehmen, anstatt Wege zu finden, für alle mehr zu schaffen.

Vor 1870 gab's schon erste Anzeichen für Veränderungen. Zwischen 1770 und 1870 haben Technologie und Organisation ein paar Schritte auf die Fruchtbarkeit zugemacht. Aber eben nur ein paar. John Stuart Mill hat in den frühen 1870ern gesagt, dass es fraglich ist, ob all die mechanischen Erfindungen die tägliche Arbeit irgendeines Menschen erleichtert haben. Und das war nicht ganz unberechtigt. Erst eine Generation später, also nach 1870, wurde der allgemeine Fortschritt unbestreitbar. Aber der Fortschritt hätte sich auch wieder verlangsamen können. Die Technologien des neunzehnten Jahrhunderts, Dampf, Eisen, Schienen und Textilien, näherten sich ihrem Höhepunkt. Und außerdem waren sie alle auf billige Kohle angewiesen, und die billige Kohle ging zur Neige.

Aber wenn man jemandem aus der Zeit vor dem langen zwanzigsten Jahrhundert von dem heutigen Reichtum, der Produktivität, der Technologie und den ausgeklügelten Produktionsorganisationen erzählt, dann würde derjenige wahrscheinlich denken, dass wir mit so viel Macht und Reichtum ein Paradies geschaffen haben müssen.

Und genau das haben uns ja auch viele Leute erzählt. Edward Bellamy zum Beispiel, der den Roman "Ein Rückblick aus dem Jahre 2000" geschrieben hat. Das Buch war im neunzehnten Jahrhundert in den Vereinigten Staaten unglaublich erfolgreich. Bellamy war ein Populist und Sozialist, obwohl er diese Bezeichnung ablehnte. Er träumte von einer Utopie, die durch staatliches Eigentum an der Industrie, die Beseitigung des Wettbewerbs und die altruistische Mobilisierung der menschlichen Energien geschaffen werden sollte. Er glaubte, dass technologischer und organisatorischer Überfluss eine Gesellschaft des Überflusses hervorbringen würde. Sein Roman war also eine "literarische Fantasie, ein Märchen vom sozialen Glück", in dem er sich ein "Wolkenpalast für eine ideale Menschheit" vorstellte.

Er schickt seinen Protagonisten von 1887 ins Jahr 2000, damit der sich über eine reiche, funktionierende Gesellschaft wundern kann. Der Protagonist fragt dann, ob er Musik hören darf. Und er erwartet, dass seine Gastgeberin Klavier spielt. Aber stattdessen berührt sie nur ein paar Knöpfe, und schon ist der Raum mit Musik erfüllt. Aber eben nicht zu laut, weil die Lautstärke perfekt an die Größe des Raumes angepasst ist. Und der Protagonist fragt sich, wo die Orgel ist.

Und dann erfährt er, dass seine Gastgeberin über ihr Festnetztelefon ein Live-Orchester angerufen und auf Lautsprecher gestellt hat. In Bellamys Utopie kann man einfach ein Orchester anrufen und live Musik hören. Und es kommt noch besser. Er erfährt, dass er die Wahl hat. Seine Gastgeberin könnte eines von vier Orchestern anrufen, die gerade spielen.

Der Protagonist ist total begeistert. Er sagt, wenn wir im 19. Jahrhundert eine Möglichkeit gefunden hätten, jedem Menschen Musik in seinem Zuhause zu ermöglichen, in perfekter Qualität, in unbegrenzter Menge, passend zu jeder Stimmung, und die man jederzeit an- und ausschalten kann, dann hätten wir das Ende des menschlichen Glücks erreicht. Das Ende des menschlichen Glücks!

Utopien sind per Definition das A und O. "Ein imaginärer Ort oder Zustand, in dem jeder perfekt ist", so sagt es Oxford Reference. Ein Großteil der Menschheitsgeschichte wurde mit katastrophalen Flirts mit verschiedenen Idealen der Perfektion verbracht. Utopische Vorstellungen während des langen zwanzigsten Jahrhunderts waren für die schockierendsten Grotesken verantwortlich.

Der Philosoph Isaiah Berlin hat mal Immanuel Kant zitiert: "Aus dem krummen Holze der Menschheit kann nichts ganz Gerades gezimmert werden." Und Berlin schloss daraus: "Und aus diesem Grunde ist keine vollkommene Lösung nicht nur in der Praxis, sondern auch im Prinzip in menschlichen Angelegenheiten möglich."

Und Berlin schrieb weiter: "Jeder entschlossene Versuch, sie hervorzubringen, führt wahrscheinlich zu Leid, Ernüchterung und Misserfolg." Und das erklärt auch, warum ich das lange zwanzigste Jahrhundert als etwas sehe, das im Grunde wirtschaftlich ist. Bei all den ungleichen Vorteilen, bei all dem wachsenden Glück, ohne jemals sein Limit zu erreichen, bei all den offensichtlichen Unvollkommenheiten hat die Wirtschaft im zwanzigsten Jahrhundert fast Wunder vollbracht.

Die Folgen des langen zwanzigsten Jahrhunderts sind enorm. Heute leben weniger als 9 Prozent der Menschheit von etwa 2 Dollar pro Tag oder weniger, was wir als "extreme Armut" bezeichnen. Im Jahr 1870 waren es noch 70 Prozent. Und selbst diese 9 Prozent haben Zugang zu Technologien, die früher undenkbar waren. Heute haben die glücklicheren Volkswirtschaften der Welt ein Pro-Kopf-Wohlstandsniveau erreicht, das mindestens zwanzigmal so hoch ist wie 1870 und mindestens fünfundzwanzigmal so hoch wie 1770. Und es gibt allen Grund zu der Annahme, dass der Wohlstand in den kommenden Jahrhunderten exponentiell weiter wachsen wird. Die Bürger dieser Volkswirtschaften können heute Kräfte nutzen, die denen von Zauberern und Göttern in vergangenen Zeiten ähneln. Selbst die Mehrheit der Menschen in den weniger glücklichen Volkswirtschaften lebt nicht mehr von 2 bis 3 Dollar pro Tag wie früher, sondern von durchschnittlich 15 Dollar pro Tag.

Viele technologische Erfindungen des letzten Jahrhunderts haben seltene und geschätzte Luxusgüter in selbstverständliche Dinge verwandelt, die nicht einmal in den Top 20 oder Top 100 einer Liste unseres Reichtums auftauchen würden. Viele von uns haben sich so an ihr tägliches Glück gewöhnt, dass sie etwas Erstaunliches übersehen. Wir heute sehen uns selten als so außergewöhnlich glücklich und privilegiert, obwohl es zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte mehr als genug gibt.

Es werden mehr als genug Kalorien produziert, so dass niemand hungern muss.

Es gibt mehr als genug Unterkünfte, so dass niemand nass werden muss.

Es gibt mehr als genug Kleidung, so dass niemand frieren muss.

Und es gibt mehr als genug Zeug, so dass niemand etwas Notwendiges vermissen muss.

Kurz gesagt, wir befinden uns nicht mehr im "Reich der Notwendigkeit". Und wie schon Hegel sagte: "Trachtet zuerst nach Essen und Kleidung, und dann wird euch das Reich Gottes hinzugefügt werden." Also sollte man meinen, dass wir uns in etwas befinden, das man als utopisch bezeichnen könnte. Aber das können wir nicht akzeptieren. Und das ist eine weitere Folge davon, dass wir mitten in der wirtschaftlichen Geschichte leben. Während die Geschichte, die von utopischen Bestrebungen angetrieben wird, ein Alles-oder-Nichts-Prinzip ist, werden die Erfolge und Misserfolge der Wirtschaftsgeschichte meist am Rande erlebt.

Deshalb kann auch kein uneingeschränkter Triumph über das lange zwanzigste Jahrhundert überleben, wenn man sich die politische Ökonomie der 2010er Jahre ansieht. Der Rückzug der Vereinigten Staaten aus ihrer Rolle als Weltpolizist, der Rückzug Großbritanniens aus seiner Rolle als Schlüsselstück Europas und der Aufstieg politischer Bewegungen in Nordamerika und Europa, die die demokratische Repräsentation ablehnen. Bewegungen, die die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright als "faschistisch" bezeichnet hat. Und wer bin ich, um ihr zu widersprechen? Ja, jede triumphale Erzählung würde angesichts des eklatanten Versagens der Hüter der Weltwirtschaft im letzten Jahrzehnt zusammenbrechen.

Klar, zwischen 1870 und 2010 haben Technologie und Organisation immer wieder die Fruchtbarkeit überholt. Ja, eine neu reiche Menschheit hat die Tendenz zur Bevölkerungszunahme und zur größeren Ressourcenknappheit überwunden. Aber der materielle Wohlstand ist in einem groben, ja sogar kriminellen Ausmaß ungleich verteilt. Und materieller Reichtum macht die Menschen nicht glücklich, wenn Politiker und andere davon profitieren, die Menschen unglücklich zu machen. Die Geschichte des langen zwanzigsten Jahrhunderts ist kein triumphaler Galopp, kein Marsch und nicht einmal ein Spaziergang auf dem Weg zur Utopie. Es ist eher ein Schlittern. Bestenfalls.

Ein Grund, warum der menschliche Fortschritt in Richtung Utopie nur ein Schlittern war, ist, dass er so stark von der Marktwirtschaft bestimmt wurde. Die Marktwirtschaft ermöglicht die erstaunliche Koordination von fast acht Milliarden Menschen. Aber die Marktwirtschaft erkennt keine anderen Rechte der Menschen an als die Rechte, die mit dem Eigentum verbunden sind. Und diese Eigentumsrechte sind nur dann etwas wert, wenn sie dazu beitragen, Dinge zu produzieren, die die Reichen kaufen wollen. Und das kann nicht gerecht sein.

Friedrich von Hayek hat ja immer davor gewarnt, auf den Sirenengesang zu hören, dass wir Gerechtigkeit statt Produktivität suchen sollten. Wir sollten uns an den Mast fesseln. Jede Einmischung in den Markt würde uns in eine Abwärtsspirale schicken. Aber Karl Polanyi entgegnete, dass eine solche Haltung unmenschlich und unmöglich sei. Die Menschen glaubten fest daran, dass sie andere Rechte haben, die wichtiger sind als die Eigentumsrechte. Sie hatten ein Recht auf eine Gemeinschaft, die sie unterstützt, auf ein Einkommen, das ihnen die Ressourcen gibt, die sie verdienen, und auf wirtschaftliche Stabilität, die ihnen Arbeit gibt. Und wenn die Marktwirtschaft versucht, alle anderen Rechte als die Eigentumsrechte aufzulösen, dann muss man aufpassen!

Aber Schlittern ist immer noch besser als Stillstand oder Rückschritt. Und das hat noch keine Generation bestritten. Die Menschen waren schon immer erfinderisch. Der technologische Fortschritt hat selten aufgehört. Die Windmühlen, Deiche, Felder und Tiere Hollands im Jahr 1700 unterschieden sich stark von den dünn bewirtschafteten Sümpfen des Jahres 700. Die Schiffe, die im chinesischen Hafen von Kanton anlegten, hatten eine viel größere Reichweite, und die Waren, die be- und entladen wurden, hatten einen viel größeren Wert im Jahr 1700 als im Jahr 800. Und sowohl der Handel als auch die Landwirtschaft im Jahr 800 waren technologisch viel weiter fortgeschritten als in den ersten Zivilisationen um 3000 v. Chr.

Aber vor unserer Zeit, im vorindustriellen Zeitalter, führte der technologische Fortschritt zu wenig sichtbaren Veränderungen über ein oder sogar mehrere Leben hinweg und zu wenig Wachstum des Lebensstandards.

Erinnert euch mal an meinen sehr groben Index, der den Wert der nützlichen Ideen der Menschheit über die Manipulation der Natur und die Organisation kollektiver Anstrengungen verfolgt. Um ihn zu berechnen, gehe ich davon aus, dass jeder Anstieg des weltweiten Lebensstandards um 1 Prozent bedeutet, dass der Wert unserer nützlichen Ideen um 1 Prozent gestiegen ist. Und dass jeder Anstieg der Weltbevölkerung um 1 Prozent bedeutet, dass der Wert der nützlichen Ideen um 0,5 Prozent gestiegen ist.

Wenn man diesen quantitativen Index des globalen Werts des nützlichen menschlichen Wissens im Jahr 1870 auf 1 setzt, dann lag er im Jahr 8000 v. Chr., als wir die Landwirtschaft entdeckten, bei 0,04. Das bedeutet, dass es damals 25 Arbeiter gebraucht hat, um das zu tun, was ein Arbeiter im Jahr 1870 tun konnte. Bis zum Jahr 1, also achttausend Jahre später, lag der Index bei 0,25. Die besseren Technologien bedeuteten, dass der typische Arbeiter jetzt sechsmal so produktiv war wie der typische Arbeiter zu Beginn des Zeitalters der Landwirtschaft. Aber eben nur ein Viertel so produktiv wie der typische Arbeiter des Jahres 1870. Bis zum Jahr 1500 lag der Index bei 0,43.

Das sind beeindruckende Veränderungen. Aber diese Veränderungen fanden über einen riesigen Zeitraum statt. Zwischen den Jahren 1 und 1500 stieg die Technologie nur um 0,036 Prozent pro Jahr.

Und hat dieses größere Wissen über Technologie und Organisation das Leben eines typischen Menschen im Jahr 1500 viel schöner gemacht als im Jahr 8000 v. Chr.? Scheinbar nicht. Die menschliche Bevölkerung wuchs von Jahr 1 bis 1500 um durchschnittlich 0,07 Prozent pro Jahr. Und dieser Rückgang der durchschnittlichen Ackerfläche pro Arbeiter bedeutete, dass die geschicktere Arbeit im Durchschnitt kaum zusätzliches Produkt erbrachte. Während die Elite im Jahr 1500 viel besser lebte als im Jahr 8000 v. Chr., lebten die normalen Leute, die Bauern und Handwerker, kaum besser als ihre Vorgänger.

Die Menschen im Zeitalter der Landwirtschaft waren bitterarm. Das Überleben der Kinder war das höchste Ziel jedes Elternteils. Aber die Menschheit konnte das nicht zuverlässig gewährleisten. Und das ist ein Zeichen dafür, wie groß der materielle Druck war.

Im Laufe der Jahrtausende summierte sich das Bevölkerungswachstum aber auf. Im Jahr 1500 gab es dreimal so viele Menschen wie im Jahr 1. Aber das bedeutete nicht, dass es weniger materielle Not gab. Das zusätzliche Wissen ging dafür drauf, die geringeren natürlichen Ressourcen pro Kopf auszugleichen. Die Wirtschaftsgeschichte blieb also ein langsam veränderlicher Hintergrund, vor dem sich die kulturelle, politische und soziale Geschichte abspielte.

Nach 1500 begann sich das zu ändern. Der Erfindungsgeist nahm zu. Und um 1770 kamen wir in ein anderes Zeitalter, was den weltweiten Wohlstand betraf. Das Jahrhundert nach 1770 war das Zeitalter der industriellen Revolution. Bis 1870 war der Index des Wissens doppelt so hoch wie im Jahr 1500. Es hatte 9500 Jahre gedauert, um den Wert von 0,04 auf 0,43 zu erhöhen. Und dann dauerte die nächste Verdopplung weniger als 370 Jahre.

Aber bedeutete das eine reichere, komfortablere Menschheit im Jahr 1870? Nicht wirklich. Es gab damals 1,3 Milliarden Menschen. Die Ackerflächen waren nur noch zwei Fünftel so groß wie im Jahr 1500. Und das machte den Großteil des technologischen Fortschritts zunichte.

Um 1870 kamen wir in ein weiteres Zeitalter. Das Zeitalter des modernen Wirtschaftswachstums. Und es gab eine Explosion.

Die etwa sieben Milliarden Menschen im Jahr 2010 hatten einen globalen Wissensindex von 21. Der Wert des Wissens war um durchschnittlich 2,1 Prozent pro Jahr gestiegen. Seit 1870 waren die technologischen Fähigkeiten und der materielle Reichtum der Menschheit über alle Vorstellungskraft hinaus explodiert. Im Jahr 2010 bestand das dringendste Problem der typischen menschlichen Familie nicht mehr darin, genügend Nahrung, Unterkunft und Kleidung für das nächste Jahr zu beschaffen.

Aus techno-ökonomischer Sicht war die Zeit von 1870 bis 2010 das Zeitalter des Industrielabors und des bürokratischen Unternehmens. Ersteres schuf Gemeinschaften, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, letzteres organisierte Kompetenzen, um die Früchte der Erfindungen zu nutzen. Es war fast das Zeitalter der Globalisierung. Billiger See- und Schienentransport, der die Distanz als Kostenfaktor beseitigte, und Kommunikationsverbindungen, die es uns ermöglichten, in Echtzeit über die Welt zu sprechen.

Das Forschungslabor, das Unternehmen und die Globalisierung beflügelten die Entdeckung, Erfindung, Innovation, Bereitstellung und globale wirtschaftliche Integration. Und das hat unseren Wissensindex so stark gesteigert. Im Jahr 1870 konnte ein ungelernter Arbeiter in London von seinem Tageslohn etwa 5.000 Kalorien Brot kaufen. Im Jahr 1800 waren es 4.000 Kalorien. Und im Jahr 1600 waren es 3.000 Kalorien. Heute könnte ein ungelernter Arbeiter in London von seinem Tageslohn 2,4 Millionen Weizenkalorien kaufen. Fast fünfhundertmal so viel wie 1870.

Aus biosozialer Sicht bedeutete dieser Fortschritt, dass die typische Frau nicht mehr zwanzig Jahre lang für zwei essen musste. Im Jahr 2010 waren es eher vier Jahre. Und in diesem Jahrhundert konnten wir zum ersten Mal verhindern, dass mehr als die Hälfte unserer Babys bei Fehlgeburten, Totgeburten und im Säuglingsalter starben.

Aus der Sicht der Nationen trieb der Reichtum vier Dinge voran. Das Wichtigste war, dass die Vereinigten Staaten zu einer Supermacht wurden. Zweitens wurde die Welt in dieser Zeit hauptsächlich aus Nationen und nicht aus Imperien zusammengesetzt. Drittens bestand der Schwerpunkt der Wirtschaft aus großen, oligopolistischen Unternehmen. Und schließlich wurde eine Welt geschaffen, in der die politische Ordnung hauptsächlich durch Wahlen mit allgemeinem Wahlrecht legitimiert wurde.

Vieles, was unsere Vorgänger als "utopisch" bezeichnet hätten, ist Schritt für Schritt erreicht worden.

Aber um 1870 wurde diese Explosion nicht erwartet. Zwar hatte 1770 bis 1870 die Produktivität begonnen, Bevölkerungswachstum und Ressourcenknappheit zu übertreffen. Aber um 1870 hatte der durchschnittliche Bewohner einer führenden Wirtschaft vielleicht doppelt so viel materiellen Reichtum wie der typische Bewohner einer vorindustriellen Wirtschaft.

War das genug?

John Stuart Mill sah die Welt immer noch arm und elend. Er sah eine Welt mit mehr reichen Plutokraten und einer größeren Mittelschicht. Aber er sah die Welt von 1871 auch als eine Welt der Plackerei. Eine Welt, in der die Menschen lange und ermüdende Stunden arbeiten mussten. Als eine Welt, in der die meisten Menschen kurz davor standen, zu verhungern. Als eine Welt mit geringer Alphabetisierung. Die Welt Mill sah, war eine Welt, in der die Menschheit eingesperrt war. Und Mill sah nur einen Ausweg. Wenn die Regierung die menschliche Fruchtbarkeit kontrollieren und Kinderlizenzen verlangen würde, dann könnten die mechanischen Erfindungen "große Veränderungen im menschlichen Schicksal bewirken".

Und es gab auch andere, die noch pessimistischer waren als Mill. Im Jahr 1865 prophezeite der britische Ökonom William Stanley Jevons den Untergang der britischen Wirtschaft. Er forderte, dass die Industrieproduktion sofort reduziert werden müsse, um mit der knappen Kohle zu sparen.

Angesichts so viel Pessimismus wurde die kommende Explosion des Wirtschaftswachstums kaum erwartet.

Karl Marx und Friedrich Engels hatten die Wissenschaft schon 1848 als Kräfte gesehen, die es der Menschheit ermöglichen würden, ihre alten Götter zu stürzen und die Macht eines Gottes zu erlangen. Sie sagten, dass Wissenschaft, Technologie und die profitorientierte Unternehmerschaft, die sie einsetzt, in hundert Jahren mehr Kräfte geschaffen haben, als alle vorherigen Generationen zusammen.

Engels spottete, dass die Ökonomen mit ihrer Überbetonung der Marktwirtschaft bewiesen hätten, dass sie nicht mehr als bezahlte Handlanger der Reichen seien.

Aber Marx und Engels versprachen nicht nur, dass es eines Tages genug zu essen, genug Unterkunft oder genug Kleidung geben würde. Sie versprachen eine Utopie.

Aber wirtschaftliche Verbesserung, egal ob sie durch Schlittern oder Galoppieren erreicht wird, ist wichtig.

Wie viele von uns könnten sich heute noch in einer Küche von vor hundert Jahren zurechtfinden? Vor der Erfindung des elektrischen Stroms und der Waschmaschine war das Waschen keine lästige Kleinigkeit, sondern ein wichtiger Teil der Woche der Hausfrau. Heute sind nur noch wenige von uns Sammler, Jäger oder Bauern. Ackerbau, Viehzucht, Spinnen und Weben, Reinigen, Graben, Metall schmelzen und Holz bearbeiten sind zu Berufen eines kleinen Teils der Menschheit geworden.

Was machen die modernen Menschen stattdessen? Wir treiben das Wissen voran. Wir bilden uns gegenseitig aus. Wir versorgen uns gegenseitig medizinisch. Wir kümmern uns um unsere Jungen und Alten. Wir unterhalten uns gegenseitig. Wir erbringen Dienstleistungen für uns gegenseitig. Und wir beteiligen uns an komplizierten Interaktionen, die den Effekt haben, den Status und die Macht zu verteilen und die Arbeitsteilung der heutigen Wirtschaft zu koordinieren, die sieben Milliarden Menschen umfasst.

Im Laufe des langen Jahrhunderts haben wir eine große Kluft überbrückt. Eine Kluft zwischen dem, was wir in der gesamten bisherigen Menschheitsgeschichte getan haben, und dem, was wir jetzt tun. Eine Utopie ist das zwar nicht. Aber Bellamy wäre beeindruckt und enttäuscht zugleich.

Der Wirtschaftshistoriker Richard Easterlin hilft uns zu verstehen, warum. Die Geschichte der Ziele, die die Menschen verfolgen, zeigt, dass wir für eine Utopie nicht geeignet sind. Mit zunehmendem Reichtum werden das, was früher Notwendigkeiten waren, zu Dingen von geringer Bedeutung. Aber Annehmlichkeiten werden zu Notwendigkeiten. Luxus wird zu Annehmlichkeiten. Und wir Menschen erschaffen dann neuen Luxus.

Easterlin war ratlos, warum die "materiellen Sorgen in den reichsten Nationen heute so drängend sind wie eh und je und das Streben nach materiellen Bedürfnissen so intensiv ist". Er sah die Menschheit auf einem "hedonistischen Laufband". Generation für Generation denkt, dass sie nur noch zehn oder zwanzig Prozent mehr Einkommen braucht, um vollkommen glücklich zu sein. Aber am Ende ist der Triumph des Wirtschaftswachstums nicht der Triumph der Menschheit über die materiellen Bedürfnisse, sondern der Triumph der materiellen Bedürfnisse über die Menschheit. Wir nutzen unseren Reichtum nicht, um unsere Bedürfnisse zu beherrschen. Stattdessen nutzen unsere Bedürfnisse unseren Reichtum, um uns weiterhin zu beherrschen. Und dieses hedonistische Laufband ist ein Grund, warum

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