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Calculating...

Also, ein bisschen was zur Forschung, die wir so machen, ne? Also, im Prinzip nutzen wir in meinem Labor hauptsächlich funktionelle Magnetresonanztomographie, kurz fMRT. Was wir da eigentlich messen, ist die Veränderung des Blutflusses im Gehirn. Das ist dann so quasi ein Stellvertreter für neuronale Aktivität. Weil, alle Zellen im Körper brauchen ja Sauerstoff, um zu funktionieren, und das Blut bringt ihnen frischen Sauerstoff, wenn sie Energie brauchen, klar? Und so ein fMRT-Scan, der gibt uns dann halt 'ne Idee davon, wo Neuronen gerade am stärksten feuern, also wo am meisten Blut hinfließt, verstehst? Mit fMRT können wir also beobachten, wie und wo sich die Gehirnaktivität verändert, wenn man Leuten unterschiedliche Sachen zeigt. Zum Beispiel Bilder auf einem Bildschirm, oder Ton über Kopfhörer, oder Aufgaben, die sie machen sollen, indem sie Knöpfe drücken oder einen Joystick benutzen oder sich was vorstellen.

Und das Coole daran ist, man kann das alles beobachten, ohne die Leute die ganze Zeit fragen zu müssen, was in ihrem Kopf vorgeht. Weil, diese Fragen könnten ja schon wieder die Prozesse verändern, die wir eigentlich beobachten wollen. Also, wie emotional ist diese Entscheidung? Läuft das automatisch oder ist das anstrengend? Verlassen Sie sich auf soziale Überlegungen, Emotionen, sensorische Reize, Erinnerungen? Wie viel davon kommt von Ihrer Identität? Und so kann man durch die Messung der Gehirnaktivität Informationen bekommen, die die Aussagen der Leute über ihre Wahrnehmungen, Vorlieben und Absichten ergänzen. Das hilft uns dann, ihre zukünftigen Entscheidungen zu verstehen und vorherzusagen.

So, und wir schauen uns in diesem Buch jetzt viele verschiedene Neuroimaging-Experimente an, die fMRT nutzen. Aber die haben halt auch ein paar Einschränkungen, muss man sagen. In manchen Bereichen der kognitiven Neurowissenschaften wissen wir schon ziemlich viel über die Funktion verschiedener Hirnregionen oder Netzwerke. Wenn wir dann sehen, dass diese Regionen aktiv werden, haben wir 'ne ziemlich gute Vorstellung davon, was die Leute gerade denken oder fühlen. Zum Beispiel, wenn wir Aktivität im visuellen Kortex sehen, können wir ziemlich gut rekonstruieren, was die Person gerade gesehen hat.

Aber sobald es um komplexere Sachen geht, wird's schwieriger. Also, wenn es um höhere Gedanken über unsere eigene Identität geht oder darum, wie wir andere Menschen und Situationen interpretieren, dann können Hirnscans halt nicht genau zeigen, was jemand denkt. Im besten Fall sind das dann halt educated guesses, also Vermutungen, die auf unserem Wissen basieren. Wir könnten zum Beispiel aus der Aktivierung bestimmter Hirnregionen schließen, dass jemand gerade ein Gefühl von Belohnung erlebt oder über die Gedanken anderer Leute nachdenkt. Aber wir könnten es halt nicht hundertprozentig wissen, weil die meisten Hirnregionen mehrere Funktionen haben. Wir könnten also nicht genau sehen, welche Gedanken sich die Person gerade überlegt hat oder an wen sie gerade denkt, weil jede Hirnregion so viele verschiedene Aufgaben hat.

Und was auch noch wichtig ist: Die Leute, deren Gehirne wir gescannt haben, sind oft nur ein sehr kleiner Teil der Menschheit. Funktionelle MRT ist teuer und wird meistens an großen Unis gemacht. Und es ist natürlich auch einfacher, Studenten als Versuchspersonen zu nehmen. Deswegen waren viele frühe Studien in diesem Bereich auf weiße, westliche, gebildete junge Erwachsene beschränkt. Informationen über andere wichtige Aspekte der Identität der Teilnehmer, wie Religion oder sexuelle Orientierung, werden oft gar nicht erfasst oder veröffentlicht.

Und die Ergebnisse, die wir uns im Buch anschauen, sind oft Durchschnittswerte über viele Gehirne. Da aber jedes Gehirn ein bisschen anders funktioniert, zeigen diese Ergebnisse eher, was die Leute im Durchschnitt gemeinsam haben, als was für jeden einzelnen gilt. Es gibt zwar inzwischen Bemühungen, diese Lücke zu schließen, aber wir wissen noch lange nicht, ob und wie sich bestimmte Schlussfolgerungen für unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Identitäten in unterschiedlichen Kulturen und Kontexten verändern würden.

Und überhaupt, das ganze Feld ist noch ziemlich jung im Vergleich zu anderen Sozial- und Biowissenschaften. Wir lernen immer mehr darüber, wie das menschliche Gehirn funktioniert und wie es sich zwischen Menschen und im Laufe der Zeit verändert. Das macht die Arbeit gerade so spannend, aber es bedeutet auch, dass wir noch viel zu lernen haben. Dieses Buch ist also quasi eine Momentaufnahme von dem, was wir im Moment wissen. Ich gehe davon aus, dass sich unser Verständnis im Laufe der Zeit noch weiterentwickeln wird. Aber es ist eine tolle Zeit, jetzt an dieser Grenze zu stehen und in die Zukunft zu schauen.

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