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Calculating...

Ja, also, wo fange ich da am besten an? Es geht darum, dass man ein Produkt total klasse findet, aber den Hersteller eigentlich nicht leiden kann. Da gab's doch diesen Senator Levin, der den CFO von Goldman Sachs, David Viniar, gefragt hat, ob er irgendwas empfindet, wenn er hört, dass seine Mitarbeiter Deals als "beschissen" bezeichnen. Und Viniar meinte dann, naja, es sei "sehr unglücklich", wenn das so in E-Mails steht. [Lachen] Ja, genau.

Dann kommt David Solomon, der CEO von Goldman Sachs, und erzählt, dass sich die ganze Firma total auf Kundenservice konzentriert und langfristig denkt. Aber dann gab's da diese Klage vom Arkansas Teacher Retirement System, die meinten, Goldman Sachs hätte sie mit ihren ethischen Grundsätzen in die Irre geführt, also dieses "Die Interessen unserer Kunden stehen immer an erster Stelle".

Man hätte ja gedacht, die Bank bringt jetzt Beweise, wie toll sie sich um ihre Kunden kümmert. Aber nö! Die haben stattdessen über 30 Presseberichte vorgelegt, in denen Goldman Sachs zum Vorteil der Firma und zum Nachteil der Kunden gehandelt hat. Und dann noch Analysen, die zeigen, dass das alles keinen großen Einfluss auf den Aktienkurs hatte. Die Argumentation war, dass der Markt die ethischen Aussagen eh nicht ernst nimmt. Das war dann so eine Art "korrigierte Offenlegung" der falschen Aussagen, also so ein Zettel, der einen Tippfehler im Geschäftsbericht korrigiert. Und diese Aussagen seien halt nur "allgemeines Geschwafel", so wie "Heineken erfrischt die Teile, die andere Biere nicht erreichen". Kein vernünftiger Mensch würde das ernst nehmen. Ist schon krass, oder?

Ein Gericht hat mal gesagt, dass die Behauptungen von J.P. Morgan über ihr Risikomanagement auch nur "leeres Gerede" sind, wie "Red Bull verleiht Flügel". Aber, mal ehrlich, der Unterschied zwischen "Die Interessen unserer Kunden stehen immer an erster Stelle" und "Red Bull verleiht Flügel" ist doch schon gewaltig, oder?

Diese Geschichte mit Red Bull und dem Mann, der nicht fliegen konnte, ist übrigens ein Mythos. Aber sie mussten mal einen Fall regeln, weil sie behauptet hatten, dass ihr Produkt Energie gibt. Aber das ist ein anderes Thema.

Jedenfalls, diese Klage vom Arkansas Teacher Retirement System wurde dann abgewiesen. Das Gericht meinte wohl, dass die Argumente der Verteidigung stichhaltig sind. Der Anwalt von Goldman Sachs meinte dann, das sei ein "enorm wichtiger Fall" gewesen, weil sie sich zu Unrecht beschuldigt gefühlt hätten. Aber, ganz ehrlich, die Behauptung, die seien getäuscht worden, ist schon ein bisschen weit hergeholt. Matt Taibbi hat Goldman Sachs mal als "riesige Vampirtintenfisch" bezeichnet, der sich in alles verbeißt, was nach Geld riecht. Das ging viral! Das muss ja wohl auch in Little Rock angekommen sein.

Und dann gab's ja diese ganzen Interessenkonflikte in der Finanzbranche, gefolgt von den Hypothekenpapieren, die auf Krediten basierten, die keiner zurückzahlen konnte. Die Finanzkrise hat das Ansehen der Banken total ruiniert. Das ist halt nicht mehr der angesehene Beruf, der es mal war.

Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos hat der CEO von Goldman Sachs dann verkündet, dass sie ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch Börsengänge von Firmen unterstützen, die mindestens ein divers besetztes Board haben. Das sei Teil ihres "ganzheitlichen Ansatzes für nachhaltiges, inklusives Wirtschaftswachstum". Und Goldman Sachs hatte natürlich schon passende Kandidaten parat. Das ist doch der beste Beweis dafür, wie sehr sich Unternehmen heutzutage mit solchen ESG- und EDI-Bewegungen (also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung und Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion) brüsten, anstatt sich wirklich mit Wirtschaftsethik auseinanderzusetzen.

Bei dieser Senatsuntersuchung, in der der Herr Viniar so blöd da stand, ging es ja um diese Timberwolf- und Abacus-Transaktionen. Das waren so Deals, bei denen Goldman Sachs Wertpapiere verkauft hat, die auf faulen Hypotheken basierten. Die waren nicht nur schlecht, die waren extra so konzipiert!

Aber es sind nicht nur die Finanzen. Die US-Handelskammer hat sich für Goldman Sachs eingesetzt und gesagt, dass "praktisch jede Firma sagt: 'Die Interessen unserer Kunden stehen immer an erster Stelle'; 'Wir halten uns an Gesetze und ethische Prinzipien'; und 'Integrität und Ehrlichkeit sind das Herzstück unseres Geschäfts'". Die Handelskammer meinte, dass Unternehmen jetzt aufpassen müssen, was sie sagen. Aber keiner denkt darüber nach, ob man nicht einfach mal versuchen könnte, diese Aussagen auch wirklich zu leben. Oder wenigstens ein bisschen bescheidener zu sein, was die eigenen ethischen Standards angeht.

Klar, die Anwälte schreiben das alles, um das Beste für ihre Mandanten rauszuholen. Aber es ist doch unvorstellbar, dass das alles ohne Zustimmung der Führungskräfte passiert. Denen ist wohl egal, was das für den Ruf der Firma und der Wirtschaft im Allgemeinen bedeutet.

Und dann Boeing. Diese Flugzeugabstürze, diese 737 MAX, alle tot. Danach hat der CEO von Boeing gesagt, dass Sicherheit, Integrität und Qualität oberste Priorität haben. "Sicherheit ist unsere Verantwortung, und wir übernehmen sie." Und dass die Flugzeuge so sicher wie noch nie sein werden. Ja, was soll man dazu sagen? Ist das ehrlich gemeint oder nur so dahergesagt, wie die US-Handelskammer meint?

Der CEO wurde dann gefeuert, aber mit einer fetten Abfindung. Und dann kam raus, dass Boeing wichtige Informationen vor der Luftfahrtbehörde, den Kunden und den Piloten geheim gehalten hat. Unter anderem, dass sie die Existenz einer Software namens MCAS versteckt haben, die für die Abstürze verantwortlich war. Und dass ein Testpilot über zehn Sekunden gebraucht hat, um darauf zu reagieren, was er als "katastrophal" bezeichnete.

Nachdem Boeing dann Milliarden an Entschädigungen gezahlt hatte, durften die Flugzeuge wieder fliegen. Und dann mussten der Ex-CEO und Boeing nochmal Millionen zahlen, weil sie Investoren (nicht Passagiere!) in die Irre geführt hatten. Boeing meinte dann, sie hätten jetzt "grundlegende Änderungen" vorgenommen, um die Sicherheit zu verbessern. Ja, ist das jetzt wirklich ein Kulturwandel oder nur wieder so eine leere Behauptung?

Dann noch das hier: eine Flugzeugtür ist bei einem Alaska Airlines Flug während dem Flug einfach abgefallen, die 737 Max musste notlanden, ist aber zum Glück gut gegangen. Und das Weltwirtschaftsforum in Davos hatte das Motto "Vertrauen wiederherstellen". Na, dann mal los.

Der Gründer von Davos, Klaus Schwab, redet ja immer von "Stakeholder-Kapitalismus". Und der Ex-CEO von Boeing hat gesagt, sie wollen "die richtige Entscheidung für unsere Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und andere Stakeholder" treffen. Der Begriff "Stakeholder" bezieht sich auf alle, die ein Interesse an einem Unternehmen haben.

Es ist doch klar, dass eine Firma nur erfolgreich sein kann, wenn sie die Bedürfnisse aller Stakeholder berücksichtigt. Aber diese Interessen sind halt nicht immer gleich. Ist es die Aufgabe des Managements, einen Ausgleich zwischen diesen Interessen zu finden? Oder gibt es ein übergeordnetes Aktionärsinteresse, und alle anderen Interessen sind nur Mittel zum Zweck, um den Gewinn zu maximieren? Das ist die große Frage.

Diese Spannung zwischen Stakeholder-Kapitalismus und Aktionärsinteresse zieht sich durch das ganze Thema. Manche glauben, dass alle Interessen im Grunde gleich sind und man das Problem einfach mit ein bisschen Wohlwollen lösen kann. Aber das ist naiv. Boeing ist ein gutes Beispiel für die Konflikte, die es da gibt.

Wenn man andere nur als Mittel zum Zweck sieht, zerstört das soziale Beziehungen. Und der Erfolg von Unternehmen hängt nun mal von starken Beziehungen zwischen den Stakeholdern ab. Auf Dauer schadet dieses instrumentelle Verhalten dem Zusammenhalt und der Kooperation, die für den Erfolg wichtig sind.

Dann gab's ja noch Bear Stearns, diese Investmentbank, die gesagt hat: "Wir machen nichts als Geld". Und am Ende haben sie nicht mal das geschafft.

Das Vertrauen in die Wirtschaft hat in den letzten Jahren echt gelitten. Der Zusammenbruch von Enron war so ein Symbol für die Exzesse der 90er. Und dann die Finanzkrise, bei der sich herausgestellt hat, dass die Banker nicht nur gierig und korrupt sind, sondern auch keine Ahnung von ihrem Job haben.

Im Gegensatz zu den früheren Fällen, wo Manager ins Gefängnis kamen, wurden nach der Finanzkrise nur die kleinen Fische verurteilt. Aber in letzter Zeit gab's auch wieder Fälle, wo Manager angeklagt wurden. VW hat bei den Abgaswerten betrogen, und Wells Fargo hat Millionen von Fake-Konten erstellt. Und diese Elizabeth Holmes aus dem Silicon Valley hat alle an der Nase herumgeführt mit ihrem Bluttest-Produkt, das gar nicht existierte. Die wurde dann verurteilt, aber nicht weil sie Patienten getäuscht hat, sondern Investoren.

Aber viele, die sich danebenbenehmen, bleiben straffrei. Diese Steuervermeidungstricks von großen Konzernen werden immer bekannter. Und die wachsende Kluft zwischen den Gehältern von Managern und normalen Angestellten ist auch ein Problem. Manche dieser Milliardäre sind echt keine Superstars. Typen wie Philip Green, der sich Millionen aus seiner Firma gezogen hat, bevor er sie verscherbelt hat. Oder Mike Ashley, der Boss von Sports Direct, der sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. Diese Yacht von Green, die im Steuerparadies Monaco liegt, ist schon ein gutes Bild für die Zeitung.

Und dann wurden die Internetfirmen, die früher alle toll fanden, zu Hassobjekten. Google's Motto "Don't be evil" wurde ausgelacht. Und Mark Zuckerberg wurde zum Buhmann. Eine Redakteurin der Zeitschrift "Atlantic" meinte sogar, Facebook führe einen "kalten Krieg" gegen die USA und andere Demokratien und sei ein "Instrument des zivilisatorischen Zusammenbruchs". Krass, oder?

Viele junge Leute finden diese erfolgreichen Firmen gar nicht gut, obwohl sie deren Produkte nutzen. In den USA finden nur 40 Prozent der jungen Erwachsenen den Kapitalismus gut. Sogar ein paar mehr (44 Prozent) finden den Sozialismus gut. Was die Leute unter diesen Begriffen verstehen, ist aber auch wieder eine andere Frage.

Der Begriff "Kapitalismus" ist irgendwie zu einem Schimpfwort geworden. Meistens wird er für alles verantwortlich gemacht, was einem nicht gefällt. Eine Journalistin meinte mal, "Spätkapitalismus" sei ein Sammelbegriff für alles Tragikomische und Ungerechte am heutigen Kapitalismus. Und dass der Kapitalismus für Ungleichheit verantwortlich ist.

Und trotzdem … Boeing hat den zivilen Luftverkehr überhaupt erst möglich gemacht. Facebook und Google haben mehr Nutzer als jede andere Firma. Die Wirtschaft hat in den letzten Jahrhunderten für unglaublichen Wohlstand gesorgt. Die Leute vertrauen ihrem Arbeitgeber mehr als der Regierung. Und die meisten von uns haben doch schon Mitarbeiter getroffen, die wirklich das Wohl der Kunden im Sinn haben.

Es gibt Millionen von Unternehmen. Die meisten davon haben weniger als fünf Mitarbeiter. Das sind dann so Läden um die Ecke, Handwerker, Anwälte und Ärzte. Die machen alle ihren Job, und der unterscheidet sich nicht groß.

Aber hier geht es nicht um diese kleinen Firmen, sondern um die großen Player: Goldman Sachs, Boeing, Google, Apple. Firmen, die riesige Organisationen geschaffen haben und weltweit agieren. Firmen, die das Leben von Millionen von Menschen beeinflussen und die Politik mitbestimmen.

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