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Calculating...

Also, ich muss sagen, es ist echt faszinierend, was so vor... sagen wir mal... anderthalb Millionen Jahren passiert ist. Da hat irgend so ein... ja, nennen wir ihn mal... Urmensch, oder vielleicht war's auch 'ne Urmenschin, wer weiß das schon... also, der oder die hat sich 'nen Stein geschnappt und damit angefangen, 'nen anderen Stein zu bearbeiten. Und was dabei rauskommt, ist so 'ne Art Faustkeil. Total simpel eigentlich, aber trotzdem das erste richtig fortschrittliche Werkzeug überhaupt.

Und das Krasse ist, dass das Ding dann natürlich besser war als alles, was es bis dahin gab. Also haben die anderen das sofort nachgemacht, ne? Jeder wollte plötzlich seinen eigenen Faustkeil haben. Und irgendwann, so scheint es, haben die Urmenschen nix anderes mehr gemacht. "Die haben Tausende von diesen Faustkeilen hergestellt", hat mal einer gesagt, "an manchen Orten in Afrika trittst du quasi ständig auf so'n Ding. Das ist schon komisch, weil die Herstellung echt aufwendig war. Die haben das quasi zum Spaß gemacht."

Ich hab mal so 'n riesiges Modell von so 'nem Faustkeil gesehen, fast 'nen halben Meter lang, zwanzig Zentimeter breit, wie 'ne Speerspitze, aber halt so groß wie 'n Trittstein. Das Original, das in Tansania gefunden wurde, wiegt elf Kilo! Und dann hat mir der Typ erklärt: "Als Werkzeug total unbrauchbar. Da brauchst du zwei Leute, um das hochzuheben, und selbst dann ist es total mühsam, damit irgendwas zu schlagen."

Ja, und wozu war's dann gut? Schulterzucken. "Keine Ahnung, vielleicht hatte das 'ne symbolische Bedeutung, wir können nur raten."

Diese Faustkeile, die wurden später Acheuléen-Werkzeuge genannt, nach dem Ort Saint-Acheul in Frankreich, wo man die ersten Dinger gefunden hat. Um die von den älteren, einfacheren Oldowan-Werkzeugen zu unterscheiden. Die Oldowan-Werkzeuge, die hat man zuerst in der Olduvai-Schlucht in Tansania entdeckt. Früher hieß es immer, die Oldowan-Steine wären so stumpfe, runde Dinger, die man gut in der Hand halten konnte. Aber heute glauben die meisten Anthropologen, dass das eher Absplitterungen von größeren Steinen waren, mit denen man dann schneiden konnte.

Das Komische ist ja, als die ersten modernen Menschen – also die, aus denen wir dann entstanden sind – vor über hunderttausend Jahren Afrika verlassen haben, da waren die Acheuléen-Werkzeuge eigentlich das Beste, was man so mitnehmen konnte. Und diese frühen Homo sapiens, die waren auch total begeistert von den Dingern. Die haben die überallhin mitgenommen, manchmal sogar unfertige Steine, um sie später zu Werkzeugen zu machen. Total besessen von dem Zeug. Aber obwohl man Acheuléen-Werkzeuge in Afrika, Europa, Westasien und Zentralasien gefunden hat, fast nie in Ostasien. Echt 'n Rätsel.

In den 40er Jahren hat dann so'n Typ von Harvard, Hallam Movius, 'ne Linie gezogen, die "Movius-Linie". Die trennt die Gebiete mit Acheuléen-Werkzeugen von denen ohne. Die Linie geht so südöstlich durch Europa, den Nahen Osten, bis nach Kalkutta und Bangladesch. Und außerhalb dieser Linie, also in Südostasien und China, da hat man nur die älteren, einfacheren Oldowan-Werkzeuge gefunden. Wir wissen aber, dass die Homo sapiens viel weiter rumgekommen sind. Warum also haben die dieses fortschrittliche Zeug kurz vor Ostasien weggeworfen?

"Dieses Problem hat mich echt lange beschäftigt", hat mal einer gesagt. "Die ganze Anthropologie basiert auf der Idee, dass es zwei Auswanderungswellen aus Afrika gab. Erst die Homo erectus, aus denen dann die Java-Menschen, Peking-Menschen und so weiter wurden. Und dann später die moderneren Homo sapiens, die die Homo erectus ersetzt haben. Aber wenn man das glaubt, dann muss man auch glauben, dass die Homo sapiens diese modernen Werkzeuge so weit mitgenommen und dann aus irgendeinem Grund weggeschmissen haben. Das ist schon irgendwie seltsam."

Spätere Funde haben dann noch mehr seltsame Sachen ans Licht gebracht. Zum Beispiel in Australien, da hat 1968 ein Geologe namens Jim Bowler in so 'nem ausgetrockneten See, dem Lake Mungo, was gefunden. Mitten in der Wüste! Plötzlich lag da 'n menschliches Fossil. Damals dachte man, Menschen wären erst so vor 8000 Jahren nach Australien gekommen. Aber der Lake Mungo war schon seit 12000 Jahren trocken. Wer also war da in so 'ner Einöde unterwegs?

Radiokarbon-Datierung hat dann ergeben, dass der Mensch, dem der Knochen gehörte, vor 23.000 Jahren gelebt hat. Und in der Nähe hat man sogar noch ältere Fossilien gefunden, die 60.000 Jahre alt sind! Das war total unerwartet, fast unmöglich. Australien war ja schon immer 'ne Insel. Da musste man mit dem Schiff hinfahren. Und dann brauchte man auch noch genug Leute, um sich zu vermehren. Und die mussten erstmal über hundert Kilometer Wasser, ohne zu wissen, ob da überhaupt Land ist. Und dann sind die Mungo-Leute von der Nordküste, wo sie wahrscheinlich gelandet sind, noch über 3000 Kilometer ins Landesinnere marschiert. Das heißt, die Menschen waren schon viel früher da, als man dachte, vermutlich vor über 60.000 Jahren.

Wie sind die da hingekommen? Warum? Keiner weiß es. In den meisten Büchern steht, dass die Menschen vor 60.000 Jahren noch gar nicht richtig sprechen konnten, geschweige denn zusammenarbeiten, um Schiffe zu bauen und 'ne neue Welt zu erobern.

"Wir wissen so wenig über die Wanderungen der frühen Menschen", hat mal einer zu mir gesagt. "Weißt du, als die Anthropologen im 19. Jahrhundert nach Neuguinea kamen, da haben die Leute im Hochland, in den unzugänglichsten Gegenden, Süßkartoffeln angebaut. Süßkartoffeln kommen aber aus Südamerika! Wie sind die nach Neuguinea gekommen? Keine Ahnung. Aber eins ist klar: Die Leute sind schon viel früher und viel selbstbewusster um die Welt gezogen, als wir dachten, und die haben nicht nur Gene ausgetauscht, sondern auch Informationen."

Das Problem ist halt, dass es so wenige Fossilien gibt. "Es gibt nicht viele Orte auf der Welt, wo menschliche Überreste gut erhalten bleiben", hat mir mal einer gesagt. "Wenn es nicht die ganzen Funde in Ostafrika gegeben hätte, würden wir fast nichts wissen. Und woanders wissen wir echt wenig. In ganz Indien hat man nur ein einziges menschliches Fossil gefunden, das ungefähr 300.000 Jahre alt ist. Zwischen Irak und Vietnam, also über 5000 Kilometer, gibt es nur zwei Fossilien: eins in Indien und ein Neandertaler-Fossil in Usbekistan. Da gibt's einfach nicht viel zu erforschen. Also haben wir nur ein paar wenige Orte mit vielen Fossilien, wie den ostafrikanischen Grabenbruch und hier in Australien den Lake Mungo. Und dazwischen fast nix. Kein Wunder, dass es so schwer ist, die Puzzleteile zusammenzusetzen."

Die klassische Theorie zur menschlichen Ausbreitung, die immer noch von den meisten akzeptiert wird, geht von zwei Auswanderungswellen aus Afrika aus. Erst die Homo erectus, die sich unglaublich schnell ausgebreitet haben, fast sobald sie überhaupt entstanden waren. Das war so vor zwei Millionen Jahren. Die haben sich dann in verschiedenen Regionen niedergelassen und sich zu eigenen Menschenarten entwickelt: in Asien zu den Java-Menschen und Peking-Menschen, in Europa erst zu den Heidelberg-Menschen, dann zu den Neandertalern.

Und dann, vor etwa hunderttausend Jahren, kam 'ne noch cleverere Art, die Vorfahren von allen, die heute leben, auf den afrikanischen Savannen auf und hat sich auch auf den Weg gemacht, die zweite Welle. Und laut dieser Theorie haben diese neuen Homo sapiens die älteren, dümmeren Vorfahren überall verdrängt. Aber wie genau die das gemacht haben, darüber streiten sich die Gelehrten. Es gibt keine Anzeichen für Massaker, also glauben die meisten, dass die Neuen die Alten einfach übertrumpft haben, obwohl vielleicht auch andere Faktoren 'ne Rolle gespielt haben. "Vielleicht haben wir die mit Pocken infiziert", hat mal einer gesagt, "keine Ahnung. Fakt ist: Wir sind jetzt hier und die nicht."

Über diese ersten modernen Menschen weiß man echt wenig. Interessanterweise wissen wir weniger über uns selbst als über fast jeden anderen Zweig der Menschheitsfamilie. Irgendwie komisch, dass das jüngste große Ereignis der menschlichen Evolution, das Auftauchen unserer eigenen Art, das rätselhafteste ist. Nicht mal, wo die ältesten Fossilien moderner Menschen gefunden wurden, ist klar. Viele Bücher sagen, dass es die etwa 120.000 Jahre alten Fossilien von der Klasies River Mouth in Südafrika sind, aber nicht jeder ist überzeugt, dass das wirklich schon moderne Menschen waren.

Es steht aber fest, dass die Homo sapiens zuerst im östlichen Mittelmeerraum aufgetaucht sind, im heutigen Israel, so vor hunderttausend Jahren. Aber selbst da sind die Funde "fragmentarisch, schwer zu klassifizieren und wenig bekannt". Neandertaler hatten sich da schon niedergelassen und benutzten die sogenannte Moustérien-Technologie, die die modernen Menschen dann wohl übernommen haben. In Nordafrika hat man noch nie Neandertaler-Fossilien gefunden, aber ihre Werkzeuge findet man da überall. Irgendjemand muss die also dahin gebracht haben: die modernen Menschen sind die einzigen Kandidaten. Und wir wissen auch, dass Neandertaler und moderne Menschen im Nahen Osten zehntausende von Jahren irgendwie zusammengelebt haben. "Wir wissen nicht, ob die zusammen gewohnt oder nur nebeneinander existiert haben", hat mal einer gesagt. Aber die modernen Menschen haben die Neandertaler-Werkzeuge auf jeden Fall gerne benutzt. Schwer zu sagen, wer da die Oberhand hatte. Und komischerweise sind die ältesten Acheuléen-Werkzeuge im Nahen Osten über eine Million Jahre alt, aber in Europa tauchen die erst vor 300.000 Jahren auf. Warum also haben die Leute, die diese Werkzeuge herstellen konnten, die nicht einfach mitgenommen?

Lange Zeit dachte man, dass die Cro-Magnon-Menschen, die modernen Menschen Europas, die Neandertaler einfach an die Westküste gedrängt haben, wo sie entweder ins Meer gesprungen oder ausgestorben sind. Aber wir wissen jetzt, dass es Cro-Magnon-Menschen gab, die von Osten ins Landesinnere kamen, und auch welche, die schon ganz im Westen waren. "Europa war damals 'n leerer Ort", hat mal einer gesagt. "Selbst wenn die sich begegnet sind, war das eher unwahrscheinlich." Was auch komisch ist, ist dass Europa damals gerade die sogenannte Eem-Warmzeit hatte. Das Klima wurde plötzlich wärmer, bevor dann wieder 'ne lange Kälteperiode kam. Also die Cro-Magnon-Menschen sind bestimmt nicht wegen dem Eiszeitklima nach Europa gekommen.

Und überhaupt, die Vorstellung, dass die Neandertaler einfach so vor den Cro-Magnon-Menschen zusammengebrochen sind, passt nicht so richtig zu den Funden. Die Neandertaler waren echt zäh. Die haben zehntausende von Jahre in 'ner Umgebung gelebt, die nur die wenigsten Polarforscher heute kennen. In den schlimmsten Phasen der Eiszeit gab es Schneestürme und orkanartige Winde. Die Temperaturen sind oft auf minus 45 Grad gefallen, und in den Tälern Südenglands sind Eisbären rumgelaufen. Die Neandertaler haben sich in den schlimmsten Phasen natürlich zurückgezogen, aber trotzdem mussten die Klima aushalten, das mindestens so schlimm war wie 'n sibirischer Winter. Klar, die hatten es schwer. Ein Neandertaler, der 30 wurde, hatte Glück. Aber als Art waren die super anpassungsfähig und widerstandsfähig. Die haben mindestens hunderttausend, vielleicht sogar zweihunderttausend Jahre überlebt, von Gibraltar bis Usbekistan. Das ist für jede Art echt 'n Erfolg.

Wer die genau waren und wie die aussahen, darüber streiten sich die Geister immer noch. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war die gängige Meinung, dass die Neandertaler so krumm und unbeholfen rumgelaufen sind, kaum anders als Affen, die besseren Höhlenbewohner eben. Aber dann gab's 'n Zufall, der die Wissenschaftler zum Umdenken gebracht hat. 1947 hat so 'n französischer Paläontologe in der Sahara 'ne Mittagspause unter dem Flügel seines Flugzeugs gemacht. Da ist wegen der Hitze 'n Reifen geplatzt, und er hat 'n Schlag gegen den Nacken bekommen. Später hat er sich in Paris röntgen lassen, und da hat man gesehen, dass seine Wirbelsäule genauso gekrümmt ist wie bei den unbeholfenen Neandertalern. Entweder war er also quasi 'n Urmensch, oder wir hatten 'n falsches Bild von den Neandertalern. Die Lösung war natürlich das Letztere. Die Wirbelsäule der Neandertaler war ganz anders als die von Affen. Das hat unser Bild von den Neandertalern komplett verändert, aber irgendwie hat sich das nicht richtig durchgesetzt.

Bis heute denken viele, dass die Neandertaler dümmer waren als die clevereren, großhirnigen Homo sapiens. In 'nem neuen Buch steht zum Beispiel: "Moderne Menschen haben die Überlegenheit (der Neandertaler-Stärke) mit besserer Kleidung, besserem Feuer, besseren Behausungen überwunden, während die Neandertaler in die Bredouille gerieten, weil ihr massiger Körper mehr Nahrung brauchte." Also die Stärke, die ihnen hunderttausende von Jahre das Überleben gesichert hat, war plötzlich 'n Nachteil.

Was aber fast keiner anspricht, ist, dass das Gehirn der Neandertaler deutlich größer war als unseres. Man schätzt, dass das Neandertaler-Gehirn 1,8 Liter fasste, unseres nur 1,4 Liter. Der Unterschied ist größer als der zwischen uns und dem Homo erectus, den wir ja gerne als nicht richtig menschlich abtun. Die Begründung ist dann immer, dass unser Gehirn zwar kleiner, aber irgendwie effizienter ist. So 'ne Behauptung hab ich aber noch nie gehört.

Warum also sind die Neandertaler nicht mehr da, wenn die so stark, anpassungsfähig und großhirnig waren? 'Ne Antwort, wenn auch 'ne umstrittene, ist, dass die vielleicht noch da sind! Es gibt da so 'ne Theorie, die nennt sich "multiregionale Entwicklung". Die besagt, dass die menschliche Evolution 'n kontinuierlicher Prozess ist, von den Australopithecus über die Homo habilis und Heidelberg-Menschen zu den Neandertalern und schließlich zu uns modernen Menschen. Also, dass der Homo sapiens aus den älteren Menschenarten entstanden ist. Nach dieser Theorie war der Homo erectus keine eigene Art, sondern nur 'n Übergangsstadium. Die modernen Chinesen wären dann die Nachfahren der alten chinesischen Homo erectus, die modernen Europäer die der alten europäischen Homo erectus, und so weiter. "Meiner Meinung nach gibt es den Homo erectus gar nicht", hat mal einer gesagt. "Das ist 'n überholtes Konzept. Der Homo erectus ist nur 'n frühes Stadium des Menschen. Es gab nur eine Menschenart, die Afrika verlassen hat, den Homo sapiens."

Die Gegner dieser Theorie lehnen das natürlich sofort ab, weil die davon ausgeht, dass sich die Menschenarten in der alten Welt, also in Afrika, China, Europa und Indonesien, unabhängig voneinander entwickelt haben, was ziemlich unwahrscheinlich ist. Manche sagen auch, dass diese Theorie rassistische Tendenzen hat, was die Anthropologie ja eigentlich vermeiden will.

In den 60er Jahren hat so 'n Anthropologe von der University of Pennsylvania gesagt, dass die verschiedenen modernen Völker unterschiedliche Ursprünge haben. Also dass manche von uns von besseren Gruppen abstammen. So 'ne Idee ist natürlich unangenehm, weil die an die alte Vorstellung erinnert, dass manche Völker, wie die afrikanischen Buschleute oder die australischen Aborigines, primitiver sind als andere.

Egal, was der selber gedacht hat, für viele klang das, als ob manche Völker von Natur aus überlegen sind, als ob es verschiedene Rassen gibt. So 'ne Idee ist heute total verpönt, aber vor nicht allzu langer Zeit wurde die noch ganz offen vertreten. In 'nem Buch von 1961 stand zum Beispiel: "Der Rhodesianer... lebte vor fast 25.000 Jahren und war möglicherweise der Vorfahre der afrikanischen Schwarzen. Sein Gehirn kam dem des Homo sapiens näher." Also die Vorfahren der afrikanischen Schwarzen waren dem Homo sapiens nur "näher".

Der hat immer betont, dass seine Theorie keine rassistischen Tendenzen hat. Er meinte, dass der ständige Austausch zwischen den verschiedenen Kulturen und Regionen die gemeinsame Herkunft der Menschheit beweist. "Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sich der Mensch nur in eine Richtung entwickelt hat", sagte er. "Die Menschen sind um die Welt gezogen und haben sich, wo immer sie sich getroffen haben, durch Kreuzung Gene ausgetauscht. Die Neuankömmlinge haben die Einheimischen nicht ersetzt, sondern sich mit ihnen vermischt." Er hat das mit den Entdeckern verglichen: Als die zum ersten Mal auf abgelegene Völker getroffen sind, "sind die nicht auf verschiedene Rassen gestoßen, sondern nur auf Artgenossen mit leicht unterschiedlichen körperlichen Merkmalen."

Wenn man sich die menschlichen Fossilien ansieht, dann sieht man auch 'n ständigen Wandel. Da gibt es zum Beispiel so 'n berühmtes Skelett aus Petralona in Griechenland, das ungefähr 300.000 Jahre alt ist. Das hat Merkmale vom Homo erectus und vom Homo sapiens. Das ist genau das, was man bei Arten erwarten würde: Die entwickeln sich, die ersetzen sich nicht.

Was helfen würde, wären Beweise für die Vermischung, aber die sind schwer zu finden. 1999 haben Archäologen in Portugal das Skelett eines vierjährigen Kindes gefunden, das vor 24.500 Jahren gestorben ist. Das Skelett sah insgesamt modern aus, hatte aber auch Merkmale von älteren Menschen, vielleicht von Neandertalern: Die Beine waren sehr kräftig, die Zähne standen deutlich hervor, und am Hinterkopf gab es 'ne Kerbe, die typisch für Neandertaler war. So'n Forscher, hat gesagt, dass das Kind 'n Mischling ist, 'n Beweis für die Vermischung von modernen Menschen und Neandertalern. Aber andere fanden, dass das Kind nicht genug Merkmale von Neandertalern hat. Wie einer gesagt hat: "Wenn du dir 'n Maultier ansiehst, dann sieht das nicht vorne wie 'n Esel und hinten wie 'n Pferd aus."

Einer meinte, das Kind wäre einfach "ein etwas kräftigeres modernes Menschenkind". Er räumte zwar ein, dass es vielleicht Vermischungen zwischen Neandertalern und modernen Menschen gegeben hat, aber dass die sich nicht erfolgreich fortpflanzen konnten. (Es könnte sein, dass Neandertaler und Cro-Magnon-Menschen unterschiedlich viele Chromosomen hatten. Bei Haustieren hat 'n Pferd 64 Chromosomen, 'n Esel nur 62. Wenn man die kreuzt, dann kommt 'n Maultier raus, das 63 Chromosomen hat und unfruchtbar ist.)

"In der Biologie hab ich noch nie gehört, dass zwei Lebewesen zu verschiedenen Arten gehören und trotzdem zur selben Gattung", hat er gesagt.

Weil die Fossilien nicht viel helfen, schauen sich die Wissenschaftler immer öfter die Gene an, besonders die mitochondriale DNA. Die wurde 1964 entdeckt, aber in den 80ern haben Wissenschaftler festgestellt, dass die zwei Vorteile hat: Die wird nur in der mütterlichen Linie vererbt, also nicht mit der väterlichen DNA vermischt. Und die mutiert 20 Mal schneller als normale DNA, also ist das Genmuster leichter zu bestimmen und zu verfolgen.

1987 hat 'ne Forschergruppe anhand der mitochondrialen DNA von 147 Leuten geschlossen, dass die modernen Menschen vor 140.000 Jahren in Afrika aufgetaucht sind und dass alle heutigen Menschen von dieser Gruppe abstammen. Für die Verfechter der multiregionalen Entwicklung war das 'n schwerer Schlag. Aber dann haben andere die Daten nochmal genauer unter die Lupe genommen. Und da kam raus, dass die "Afrikaner" in der Studie eigentlich Afroamerikaner waren, deren Gene sich in den letzten Jahrhunderten stark vermischt haben. Und auch an der angenommenen Mutationsrate gab es Zweifel.

1992 wurde die Studie dann weitgehend widerlegt, aber die Technik der Genanalyse wurde immer besser. 1997 haben Wissenschaftler aus 'nem Knochen 'n Neandertalers DNA extrahiert und untersucht. Und da kamen überzeugende Beweise raus: Die Neandertaler-DNA war anders als jede andere DNA, die bis dahin gefunden wurde. Das hieß, dass Neandertaler und moderne Menschen nicht miteinander verwandt sind. Für die multiregionale Entwicklung war das 'n echter Tiefschlag.

Dann haben im Jahr 2000 schwedische Wissenschaftler die mitochondriale DNA von 53 Leuten untersucht. Die meinten, dass alle modernen Menschen vor 100.000 Jahren in Afrika aufgetaucht sind und von 'ner Gruppe abstammen, die nicht größer war als 10.000 Menschen. Etwas später hat so 'n Leiter des Whitehead-Instituts gesagt, dass die modernen Europäer, und vielleicht auch noch andere Völker, von "ein paar hundert Afrikanern abstammen, die spätestens vor 25.000 Jahren ihre Heimat verlassen haben."

Die genetische Vielfalt der modernen Menschen ist extrem gering. Eine Gruppe von 55 Schimpansen hat 'ne größere genetische Vielfalt als die ganze Menschheit. Das liegt daran, dass wir von so wenigen Vorfahren abstammen, dass nicht genug Zeit und nicht genug Individuen da waren, um 'ne große Vielfalt zu entwickeln. Wieder 'n Schlag gegen die multiregionale Entwicklung. "In Zukunft wird man sich nicht mehr so sehr um die 'Multiregionale Theorie' kümmern, weil es kaum Beweise dafür gibt", hat so 'n Forscher gesagt.

Aber dann kamen die alten Mungo-Leute im Westen von New South Wales ins Spiel. Die hatten irgendwie noch was zu sagen. Anfang 2001 haben Forscher verkündet, dass sie aus 'nem der ältesten Mungo-Fossilien DNA extrahiert haben, und die hat "einzigartige genetische Merkmale".

Die Mungo-Leute sahen zwar aus wie moderne Menschen, aber hatten 'ne ausgestorbene genetische Linie. Seine mitochondriale DNA findet man bei keinem lebenden Menschen mehr, was aber eigentlich der Fall sein müsste, wenn er von den Leuten abstammt, die vor nicht allzu langer Zeit Afrika verlassen haben.

"Das hat alles nochmal auf den Kopf gestellt", hat einer gesagt, ganz begeistert.

Und dann kamen noch mehr komische Sachen ans Licht. So 'ne Humangenetikerin von der Universität Oxford hat bei der Untersuchung von Hämoglobin-Genen zwei Varianten gefunden, die bei Asiaten und australischen Ureinwohnern häufig vorkommen, bei Afrikanern aber fast gar nicht. Sie glaubte, dass diese Gene vor 200.000 Jahren entstanden sind, aber nicht in Afrika, sondern in Ostasien, also lange bevor die modernen Homo sapiens da waren. Die einzige vernünftige Erklärung dafür ist, dass die Vorfahren der heutigen Asiaten auch alte Menschenarten umfassten, wie die Java-Menschen. Und komischerweise tauchen dieselben Gene, nennen wir die mal "Java-Gene", auch bei modernen Menschen in Oxfordshire auf.

Ich war total verwirrt, also bin ich hingegangen. Die hat gesagt, dass die genetischen Daten im Allgemeinen die "Out of Africa"-Theorie unterstützen. Aber dann findet man diese Ausnahmen, über die die meisten Genetiker nicht so gerne reden. Selbst wenn wir das alles verstehen würden, bräuchten wir noch viel mehr Informationen, aber da sind wir noch lange nicht.

Gleichzeitig gab es immer wieder Berichte über Zweifel an der Extraktion von alter DNA. Einer hat in 'nem Artikel geschrieben, dass er mal gesehen hat, wie 'n Paläontologe 'nen alten Schädel abgeleckt hat, um festzustellen, ob der angemalt ist. "Dabei wird 'ne Menge moderner menschlicher DNA auf den Schädel übertragen", stand da. Dann kann man den Schädel nicht mehr untersuchen. Ich hab die dann gefragt. "Ach, der ist dann fast sicher verunreinigt", hat die gesagt. "Sobald du 'n Knochen anfasst, ist der verunreinigt. Wenn du den anhauchst, ist der verunreinigt. Sogar das Wasser in meinem Labor ist verunreinigt. Überall ist fremde DNA. Um 'ne saubere Probe zu bekommen, musst du die unter sterilen Bedingungen ausgraben und sofort untersuchen. Es gibt kaum was Schwierigeres, als die Probe nicht zu verunreinigen."

Muss man also alle Schlussfolgerungen anzweifeln? Die hat ernst genickt. "Auf jeden Fall", hat sie gesagt.

Wenn man sofort wissen will, warum wir so wenig über unsere Herkunft wissen, dann kann ich einem 'n Ort zeigen. Der liegt am Rand der Ngong-Berge in Kenia, südwestlich von Nairobi. Wenn man von Nairobi aus Richtung Osten fährt, auf der Schnellstraße nach Uganda, dann kommt man auf 'ne Anhöhe und hat 'n fantastischen Blick: Vor einem liegt die endlose, hellgrüne afrikanische Ebene.

Das ist der Ostafrikanische Grabenbruch, der sich über 4800 Kilometer erstreckt. Hier driftet Afrika von Asien weg. Ungefähr 65 Kilometer von Nairobi entfernt, in der Nähe des ausgetrockneten Talbodens, liegt ein alter Ort, der Olorgesailie genannt wird. Da war mal 'n riesiger See. Nachdem der ausgetrocknet war, kam 1919 'n Geologe namens J.W. Gregory auf der Suche nach Erzen vorbei. Und da lagen plötzlich dunkle, seltsame Steine rum, die eindeutig von Menschen bearbeitet waren. Er hatte eine der wichtigsten Produktionsstätten der Acheuléen-Werkzeuge entdeckt.

Im Herbst 2002 war ich zufällig da. Ich war eigentlich wegen was anderem in Kenia, aber da hat man mir dann 'n Besuch in Olorgesailie organisiert.

Nach der Entdeckung von dauerte es über zwanzig Jahre, bis sich jemand um Olorgesailie gekümmert hat. Dann kam 'n Archäologenteam, das bis heute gräbt. Die haben 'n Gebiet von etwa 40.000 Quadratmetern freigelegt, wo von vor 1,2 Millionen Jahren bis vor 200.000 Jahren unzählige Steinwerkzeuge hergestellt wurden. Heute sind die Fundstellen mit Wellblechhütten überdacht und mit Zäunen gesichert, damit keine Diebe kommen. Ansonsten liegen die Werkzeuge noch da, wo die Hersteller sie hingeworfen und wo die Archäologen sie gefunden haben.

Ein junger Mann vom kenianischen Nationalmuseum war mein Führer. Er hat mir erzählt, dass der Quarzit und das Obsidian, aus dem die Faustkeile gemacht wurden, nicht im Talboden zu finden sind. "Die mussten die Steine von da drüben herbringen", hat er gesagt und auf die beiden Berge gezeigt: Olorgesailie und Ol Esakut. Die sind beide etwa zehn Kilometer entfernt.

Warum sich die Leute die Mühe gemacht haben, wissen wir natürlich nicht. Die haben nicht nur die schweren Steine zum Seeufer getragen, sondern da auch noch 'ne Organisation aufgebaut. Die Ausgrabungen haben gezeigt, dass es Bereiche für die Herstellung und Bereiche für das Schärfen der Faustkeile gab. Olorgesailie war quasi 'ne Fabrik, die über eine Million Jahre nicht geschlossen hat.

Die Faustkeile waren ziemlich komplizierte und aufwendige Werkzeuge. Selbst erfahrene Leute haben Stunden gebraucht, um so 'n Ding herzustellen. Aber komischerweise eignen die sich nicht so gut für die Zwecke, für die man die eigentlich brauchen würde, also zum Schneiden, Hacken oder Schaben. Es ist schon seltsam, dass über eine Million Jahre immer wieder Leute an diesen Ort gekommen sind und unzählige Werkzeuge hergestellt haben.

Wer die Leute waren, wissen wir nicht. Wir gehen davon aus, dass das Homo erectus waren, weil wir sonst keine bessere Idee haben. Also dass die Arbeiter in Olorgesailie 'n Gehirn hatten, das so groß war wie das von 'nem modernen Baby, aber Beweise dafür gibt es nicht. Trotz der 60 Jahre Ausgrabungen hat man in Olorgesailie und Umgebung noch nie menschliche Fossilien gefunden. Egal, wie lange die da Werkzeuge hergestellt haben, zum Sterben sind die woanders hingegangen.

"Das ist alles 'n Rätsel", hat der junge Mann gesagt.

Vor 200.000 Jahren sind die Olorgesailie-Leute dann verschwunden. Der See war ausgetrocknet, und die Region wurde so heiß und unwirtlich wie heute. Die Tage der Olorgesailie-Leute waren gezählt. Die Welt sollte ihren ersten richtigen Herrscher bekommen, den Homo sapiens. Danach war alles anders.

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