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Calculating...

Also, ich hab da letztens so drüber nachgedacht, über... Nachhaltigkeit, irgendwie. Und mir ist da neulich so ein Gespräch wieder eingefallen, also schon echt lange her, mit dem ehemaligen Chefingenieur von so einem Wasserversorgungsunternehmen. Das war so kurz nachdem die in England privatisiert wurden, weißt du? Also, die waren vorher staatlich und dann plötzlich... Börse. Und der Typ, jetzt also CEO, meinte, dass eigentlich fast alle in seiner Firma nur dafür da wären, entweder zu verhindern, dass was schiefgeht, oder es zu reparieren, wenn es dann doch passiert ist. Er hat echt gesagt, wenn man die meisten feuert, würde das Wasser trotzdem weiterfließen, wahrscheinlich sogar ziemlich lange. Man bräuchte nur ne Abrechnungsabteilung, weil das Geld, genau wie das Wasser, einfach weiterfließen würde. Und die Gewinne würden halt explodieren.

Klar, er meinte auch, dass es keine wissenschaftliche Methode gäbe, um die "richtige" Anzahl an Mitarbeitern zu bestimmen, und dass die in der staatlichen Industrie vielleicht ein bisschen zu viele Leute gehabt hätten. Unter öffentlicher Hand wollte halt keiner Schuld sein, und es war immer einfach, schwierige Entscheidungen zu vermeiden, besonders bei den Mitarbeitern. Und im Wassergeschäft, da kann ja viel passieren, für das man verantwortlich gemacht werden kann, aber die Nachfrage, die ist halt sicher.

Aber jetzt, nach der Privatisierung, waren ja die Preise reguliert, also jede Kostenreduzierung kam direkt den Aktionären und den Bonuszahlungen der Manager zugute. Und der CEO hat vorausgesagt, dass seine Firma und andere, ähnlich wie seine, immer weiter die Kosten senken und Personal abbauen würden. Und dann, hat er gesagt, irgendwann geht was richtig schief, und dann gibt's ne Überreaktion. Na ja, das ist dann zwar nicht bei denen passiert, sondern bei der Bahn, wo bei so nem Unfall wegen vernachlässigter Gleise vier Leute gestorben sind. Und danach gab's dann riesige Probleme mit dem Zugverkehr und die Gleise wurden dann irgendwann wieder verstaatlicht. Der CEO ist übrigens schon lange in Rente, aber seine Firma kriegt jetzt ständig Kritik wegen Lecks und Abwassereinleitungen, aber das nur am Rande.

Man hat ja dann auch so gemerkt, nicht nur in sozialistischen Wirtschaften, dass es so "weiche Budgetbeschränkungen" gibt, als nach der Finanzkrise 2008 die Banken gerettet wurden. War ja klar, irgendwie.

Und ich hab dann halt gemerkt, dass die Wasserindustrie vielleicht ein extremes Beispiel war, aber dass das, was der Typ beschrieben hat, irgendwie für fast jedes Unternehmen gilt. Also, wie viel soll man für Kundenservice ausgeben, für neue Kunden, für Wartung, für Fehlervermeidung, damit das Geschäft langfristig läuft? Da gibt's ja keine objektiven Antworten drauf, das ist alles nur so... Gefühlssache und Erfahrung. Und dann kann das neue Management halt immer sagen, wir geben ein bisschen weniger aus und packen die Differenz in die Gewinne. Ich nenn das immer so das "Leckende Rohre und Überlaufende Abwasser"-Syndrom.

Kurz nach dem Gespräch mit dem Chef war ich mal in so nem Hotel, das mal echt schick war, und da waren die Teppiche so ein bisschen abgenutzt, die Farbe abgeplatzt, das Frühstück und die Minibar total überteuert. Und im Internet hab ich dann rausgefunden, dass die Hotelgruppe von so ner Private-Equity-Firma gekauft wurde, die dafür bekannt sind, Firmen zu kaufen, schnell die Gewinne zu steigern und die dann wieder an die Börse zu bringen. Und sieben von den zehn Wasserversorgern, die 1989 an die Börse kamen, sind jetzt gar nicht mehr an der Börse, sondern gehören irgendwelchen Private-Equity-Konsortien. Und das mit den leckenden Rohren und dem überlaufenden Abwasser, das ist halt echt weit verbreitet, irgendwie.

Ja und dann, was mir noch einfällt, ist so ein bisschen "Gewinnmanagement". Das ist ja auch so ein Thema. Also, Firmen, die an der Börse sind, müssen ja regelmäßig ihre Gewinne melden. Das fing früher an, als die Landwirtschaft noch das Wichtigste war. Da wurde im Frühjahr gepflanzt, im Herbst geerntet, und dann ging das Jahr für Jahr so weiter. Es gab gute und schlechte Jahre, aber der Jahreszyklus war halt durch die Sonne bestimmt.

Bei Banken war das schon immer anders. Die leihen sich Geld günstig und verleihen es teuer. Da gab's ja immer den Spruch: "Leihen für 3, verleihen für 6, Golfplatz für 3". Banken können sich Geld günstig leihen, weil die Kreditgeber relativ sicher sind, dass sie ihr Geld zurückbekommen. Und sie verleihen teurer, weil die Kreditnehmer pleite gehen könnten und die das mit höheren Zinsen ausgleichen müssen. Die Bank kassiert die Zinsen, bis der Kredit zurückgezahlt ist – oder eben nicht. Deswegen ist das Bankgeschäft so zyklisch. Und deswegen fanden das auch so viele Leute attraktiv, inklusive Jack Welch, der so als "Manager des Jahrhunderts" galt, die halt leicht verdientes Geld in Finanzdienstleistungen gesehen haben. Leihen für 3, verleihen für 6. Ist schon irgendwie einfach.

Aber die Zyklen in der Wirtschaft sind halt länger und unregelmäßiger als die Jahreszeiten. Und das mit dem Jahresabschluss ist halt nicht nur bei Banken problematisch. Viele Firmen haben Verträge mit Kunden oder Lieferanten, die viel länger laufen. Da muss man dann entscheiden, wie man die Kosten und Einnahmen auf mehrere Jahre verteilt.

Früher war das im Rechnungswesen eher konservativ: Man hat Einnahmen und Ausgaben so verbucht, wie sie fällig waren, und der Gewinn wurde dann über die Laufzeit des Vertrags verteilt. Aber mit der "Mark-to-Market"-Methode konnte man halt den ganzen Gewinn schon verbuchen, sobald der Vertrag unterschrieben war. Und dann hieß es, man müsse Gewinne im Moment der kreativen Handlung erklären können, die diese Gewinne einbringen würde. Sonst wären die Unternehmer ja nur noch so Gutschein-Abschneider, die von Innovationen profitieren, die andere erfunden haben. Haben ja auch einige Leute intellektuelle Argumente entwickelt, die ihnen finanziell geholfen haben. Oder ihre Fähigkeiten und ihr Weitblick einfach überschätzt.

Und dann gab es ja noch diese "Special Purpose Entities", also so Zweckgesellschaften, deren Bilanzen nicht mit denen des Hauptunternehmens zusammengelegt werden müssen. Die kann man dann für Scheingeschäfte nutzen, um Gewinne oder Verluste für das Hauptunternehmen zu erzeugen und die Gewinne zu manipulieren.

Das beeindruckende Wachstum der Gewinne und des Aktienkurses von Enron endete ja dann mit der größten Firmenpleite in der US-Geschichte, der Verurteilung und Inhaftierung von einigen Managern und dem Untergang von Arthur Andersen, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Aber die Buchungstechniken von "Mark-to-Market" und die Geschäfte mit den Zweckgesellschaften wurden ja auch von anderen Firmen genutzt, um ein stetiges Gewinnwachstum vorzutäuschen, was die Finanzmärkte ja so als Zeichen für ein gut geführtes, stabiles Unternehmen sahen. Und nach Enron kam dann ja raus, dass auch Firmen wie General Electric und Fannie Mae diese Techniken genutzt hatten. Und "Mark-to-Market" war ja auch eine wichtige Quelle für die illusorischen Gewinne, die die Banken vor der Finanzkrise 2008 gemeldet haben. Tja... so ist das.

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