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Calculating...

Also, ganz ehrlich, diese Frage, ob Unternehmen wirklich immer ihre Gewinne maximieren müssen, ist echt tricky. Wir reden hier ja nicht über reine Wirtschaftstheorie, sondern über Recht. Und das ist ein Riesenunterschied, muss man einfach mal so sagen. Ein Punkt ist, ob Aktionäre wirklich "Eigentümer" eines Unternehmens sind oder nicht. Das ist eigentlich gar nicht so wichtig, um zu beurteilen, ob eine Firma – wie manche ja behaupten – einfach nur ihren Profit maximieren muss. Was zählt, sind die gesetzlichen Pflichten der Manager und Direktoren, und die hängen vom jeweiligen Land ab, in dem sie agieren. Und selbst innerhalb der USA gibt's da Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesstaaten. Und klar, selbst wenn’s Gesetze gibt, müssen die Chefs natürlich auch auf die Kultur und die Erwartungen der Gesellschaft achten. Das ist doch logisch, oder? Diese Erwartungen sind ja auch überall auf der Welt verschieden.

Nehmen wir mal Großbritannien. Da gibt's den Paragraph 172 im Companies Act von 2006. Der sagt im Prinzip, dass ein Direktor so handeln muss, wie er es nach bestem Wissen und Gewissen für richtig hält, um den Erfolg der Firma zum Wohle ihrer Mitglieder zu fördern. Dabei muss er aber, unter anderem, auch die langfristigen Folgen seiner Entscheidungen berücksichtigen, die Interessen der Mitarbeiter, die Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten und Kunden, die Auswirkungen auf die Umwelt und die Gemeinschaft und den Ruf der Firma für hohe ethische Standards. Und natürlich auch die Fairness gegenüber den Mitgliedern der Firma.

Das ist natürlich alles super schwammig formuliert, ein echter Kompromiss. Es geht um den Erfolg der Firma und damit auch um den Vorteil für die Mitglieder, also meistens die Aktionäre. Wenn man nur auf die Aktionäre abzielen würde, könnte man den ganzen "Erfolg der Firma"-Teil ja einfach weglassen. Aber das wurde extra so formuliert und ist das Ergebnis langer Diskussionen, nicht einfach nur so dahingeschrieben. Der Paragraph 172 fordert, dass der Erfolg der Firma "unter Berücksichtigung" der verschiedenen Interessen erreicht wird. Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten. Mal ehrlich, wie soll ein Unternehmen denn erfolgreich sein, wenn es diese Gruppen ignoriert? Oder andersrum: Ein wirklich erfolgreiches Unternehmen wird doch langfristig auch seinen Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten zugutekommen, oder? Natürlich gibt's immer Einzelfälle, wo jemand vielleicht schlechter dasteht, aber im Großen und Ganzen… Stell dir vor, eine Firma feuert alle Mitarbeiter, verkauft ihr Vermögen und verteilt das Geld an die Aktionäre. Oder ein Stromanbieter erhöht die Preise ins Unermessliche und bringt irgendwie die Politiker dazu, das zu ignorieren. Klar, das bringt vielleicht kurzfristig den Aktionären was, aber ist das wirklich "Erfolg der Firma"? Schwierig zu sagen.

Der Paragraph 172 behandelt die Aktionäre schon irgendwie speziell, aber er gibt ihnen keine absolute Priorität. Er erlaubt es, dass Entscheidungen getroffen werden, die den Aktionären nutzen, aber den Mitarbeitern schaden. Oder umgekehrt. Aber ob es erlaubt wäre, die Mitarbeiter auf Kosten der Aktionäre zu bevorzugen? Ich glaube, das würde sich keiner trauen, offen zu sagen. Im Endeffekt ist das ein Kompromiss zwischen dem Stakeholder-Modell, wo alle Interessen berücksichtigt werden müssen, und dem "Aktionäre zuerst"-Modell. Beide Seiten können sich da was rauspicken, aber keiner gewinnt wirklich. Die einen sagen, dass es oft keinen Widerspruch zwischen Gewinnmaximierung und Stakeholder-Interessen gibt, die anderen betonen, dass die Manager eben alle Interessen berücksichtigen müssen. Aber, ehrlich gesagt, die meisten Manager in Großbritannien denken eh, dass sie laut Gesetz den Aktionären Priorität einräumen müssen, obwohl sie das Gesetz wahrscheinlich noch nie gelesen haben.

Ganz anders ist das in Deutschland. Da gibt es klare Regeln im Handelsgesetzbuch. Da steht, dass die Geschäftsleitung die volle Verantwortung für die Leitung des Unternehmens im besten Interesse des Unternehmens trägt. Und das bedeutet, dass sie die Bedürfnisse der Aktionäre, der Mitarbeiter und anderer Stakeholder berücksichtigen muss, mit dem Ziel einer nachhaltigen Wertschöpfung. Das ist also eine ganz klare Stakeholder-Position. Und da Deutschland ein Zivilrechtssystem hat, ist das Handelsgesetzbuch auch bindend.

Jetzt schauen wir mal in die USA. Da gibt es den Fall Dodge gegen Ford. Henry Ford wollte ja in der Automobilindustrie Fuß fassen und hatte mit den Dodge-Brüdern einen Deal gemacht. Die sollten Teile für sein Model A liefern und bekamen dafür 10 Prozent der Ford-Aktien. Ford behielt aber die Mehrheit. Dann kam das Model T und wurde ein Riesenerfolg. Ford konnte die Preise immer weiter senken und die Gewinne stiegen. Die Dodge-Brüder nutzten ihre Dividenden, um ihre eigene Autoproduktion auszubauen. Aber irgendwann gab es Streit und Ford hörte auf, Sonderdividenden auszuzahlen.

Daraufhin haben die Dodges geklagt. Und Fords eigene Aussagen haben es dem Gericht echt leicht gemacht, gegen ihn zu entscheiden. Das Gericht meinte, Ford habe die Haltung, dass die Aktionäre zufrieden sein sollten mit dem, was er ihnen gibt. Und er habe wohl auch gedacht, dass die Ford Motor Company zu viel Geld verdient hat und lieber die Preise senken sollte, anstatt die Gewinne an die Aktionäre auszuzahlen.

Das Gericht ordnete an, dass Ford eine Sonderdividende zahlen muss und betonte, dass ein Unternehmen in erster Linie für den Profit der Aktionäre gegründet wird. Die Direktoren müssen ihre Macht nutzen, um dieses Ziel zu erreichen und dürfen die Gewinne nicht für andere Zwecke verwenden. Dieses Urteil hat die US-Rechtsprechung bis heute beeinflusst.

Ford kaufte die Dodge-Anteile dann für 25 Millionen Dollar zurück. Die Dodge-Brüder starben dann leider an der Spanischen Grippe. Hätten sie noch erlebt, wie erfolgreich Ford später wurde, hätten sie ihre Klage wahrscheinlich bereut. Fords Strategie, in neue Fabriken zu investieren und Marktanteile zu gewinnen, hat sich für die Aktionäre, vor allem für ihn und seine Familie, nämlich richtig gelohnt.

Springen wir mal ins Jahr 2010 und nach Delaware, zum Fall Newmark gegen eBay. Craig Newmark hatte Craigslist gegründet, eine Website für Kleinanzeigen. Zusammen mit seinem Technikchef besaß er die Mehrheit der Anteile. Die beiden waren aber nicht so auf Geld aus. Die meisten Anzeigen auf der Seite waren kostenlos und die Kosten wurden durch bezahlte Stellenanzeigen gedeckt. eBay wollte Craigslist kaufen und bot einem Minderheitsaktionär 15 Millionen Dollar für seine Anteile. Daraufhin entschieden Newmark und sein Technikchef, dass sie doch nicht so uninteressiert an Geld waren und verlangten von eBay jeweils 8 Millionen Dollar, damit der Aktienverkauf zustande kommt. Die Beziehung zwischen Craigslist und eBay wurde dann immer schlechter und endete vor Gericht.

Der Kanzler des Delaware-Gerichts, Leo Strine, sagte, dass das Gesetz von Delaware die Priorität der Aktionäre vorschreibt. Er berief sich auf frühere Gerichtsurteile und betonte, dass die Direktoren verpflichtet sind, den Wert des Unternehmens zum Wohle der Aktionäre zu steigern. Eine Unternehmenspolitik, die das nicht zum Ziel hat, sei nicht zulässig.

Klar, jedes Unternehmen muss Gewinn machen, um zu überleben. Und Aktionäre haben natürlich auch ein Recht auf ihre Rendite. Aber heißt das automatisch, dass man den Gewinn maximieren muss? Das Delaware Gericht scheint das anzudeuten, sagt es aber nicht direkt.

Es gibt aber auch andere Fälle. Hobby Lobby, ein Unternehmen, das Kunsthandwerksläden betreibt, klagte vor dem Obersten Gerichtshof der USA, weil es sich weigerte, Verhütungsmittel in die Krankenversicherung seiner Mitarbeiter aufzunehmen. Das Unternehmen argumentierte, dass dies gegen seine religiösen Überzeugungen verstößt. Das Gericht entschied, dass auch Unternehmen ein Recht auf Religionsfreiheit haben können. Das ist natürlich eine sehr umstrittene Entscheidung.

Die Idee, dass Unternehmen Persönlichkeiten sind, hat viele Auswirkungen. Bis 1965 wurden Unternehmen in Großbritannien genauso besteuert wie Einzelpersonen. Und die Europäische Menschenrechtskonvention gilt auch für Unternehmen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Unternehmen das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Achtung ihrer Geschäftsräume zugesprochen.

Dieser Konflikt zwischen der Vorstellung von Unternehmen als Persönlichkeiten und der Vorstellung von Unternehmen als reinen Verträgen taucht immer wieder auf. Ich persönlich glaube, dass Unternehmen mehr sind als nur ein rechtliches Konstrukt. Sie haben eine eigene Kultur, eine eigene Intelligenz und tragen so zu unserer Wirtschaft und Gesellschaft bei.

Es gibt auch noch das Konzept des "Directing Mind". Um eine Straftat nachzuweisen, muss man oft eine Absicht nachweisen. Aber kann ein Unternehmen überhaupt eine Absicht haben? Nur wenn es einen "Directing Mind" hat, also jemanden, der die Entscheidungen trifft. In einigen absurden Fällen wurden Manager freigesprochen, weil das Unternehmen zu groß und unübersichtlich war, um einen "Directing Mind" zu haben.

Nur weil Unternehmen Persönlichkeiten sind, heißt das nicht, dass sie die gleichen Rechte und Pflichten wie Einzelpersonen haben sollten. Die freie Meinungsäußerung ist wichtig für eine Demokratie, aber bezahlte Lobbyarbeit von Unternehmen ist eine Gefahr. Und die "Religionsfreiheit" eines Unternehmens ist doch lächerlich, oder?

Zusammenfassend kann man sagen: Deutsches Recht ist klar und setzt auf die Berücksichtigung aller Interessen. Amerikanisches Recht ist da nicht so eindeutig und tendiert eher zur Priorität der Aktionäre. Großbritannien liegt, wie so oft, irgendwo dazwischen. Aber im Endeffekt ist die genaue Definition der Gesetze gar nicht so wichtig. Alle drei Rechtssysteme machen es schwer, ehrliche Geschäftsentscheidungen anzufechten. Das heißt, die Manager haben in der Praxis viel Spielraum, um die Interessen der verschiedenen Gruppen abzuwägen. Und wie sie das machen, hängt viel mehr von der Unternehmenskultur und den gesellschaftlichen Erwartungen ab als von den genauen Gesetzen. Unternehmen sind soziale Organisationen und agieren in einer bestimmten Gesellschaft.

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