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Calculating...

Ja, hallo erstmal, äh, zu diesem... Kapitel hier, Kapitel 15, also... "Real Existierender Sozialismus", ja? Also, wo fangen wir da am besten an?

Die meisten Leute, die die Weltwirtschaftskrise erlebt haben, hatten ja, sagen wir mal, ein Gefühl, das sich schon seit dem Ersten Weltkrieg oder vielleicht sogar noch früher aufgebaut hatte. So eine wachsende Überzeugung, dass, äh, sowohl die globale Wirtschaftsordnung als auch die politische Ordnung der einzelnen Länder, ja, versagt hatten. Einfach nicht mehr funktioniert haben, ne? Die hatten es nicht geschafft, diesen Aufschwung wiederherzustellen, den man sich so vorgestellt hatte. Nicht geschafft, ein "Land für Helden" zu schaffen, wie man so schön sagte. Und auch keine stabile, hohe Beschäftigung hinzubekommen. Und zur Mitte der Depression, ja, da war dann klar, dass diese Systeme auch die, ähm, Polanyischen Rechte der Bürger nicht gewahrt haben.

Das heißt, die hatten den Leuten keinen sicheren Platz in einer stabilen Gemeinschaft gegeben. Keine Arbeitsplatzsicherheit. Und schon gar kein Einkommen, das, ja, dem entsprach, was sie verdient hätten. Und das Schlimmste: Diese politischen und wirtschaftlichen Ordnungen hatten nicht mal die Rechte geschützt, die eine freie Marktwirtschaft eigentlich garantieren soll: Das Eigentum Sicherheit, Wohlstand und Macht bringt.

Aber stattdessen... sah es eben genau andersrum aus. Die Weltwirtschaftskrise hatte gezeigt, dass selbst Eigentumsrechte in so einer kaputten Wirtschaft unter Druck geraten können. Und die politischen Aufstände in den Nachkriegsjahren haben klargemacht, dass diese Rechte an sich schon in Frage gestellt wurden. Und dann kam auch noch diese Massenpolitik, verstärkt durch Radio und, ja, diese Boulevardpresse, dazu. Da war dieser Respekt vor Eliten, vor Autoritäten, der war futsch, ja, und diese gesellschaftliche Einigkeit... auch dahin. Kurz gesagt: Das alte System, das hat einfach nicht mehr funktioniert.

Aber was war denn dieses "alte System" überhaupt? Diese "alte Ordnung", die dieses Wirtschaftswachstum und die Freiheit so toll gemanagt haben soll? Na ja, es war halt... bestenfalls pseudo-klassisch, weil es eben nicht uralt und bewährt war, sondern neu erfunden wurde von denen, die vor 1870 die Macht hatten. Die wollten die Macht behalten und die haben gemerkt: "Wenn alles so bleiben soll, wie es ist, dann muss sich alles ändern!", versteht ihr?

Und liberal war es auch nur so halb, weil dieser ganze Druck, den Marktkräften mehr Spielraum zu geben, der wurde halt bekämpft. Jede, ja, "Liberalisierung" des Wirtschaftslebens, also weniger Regulierung, war ein harter, langer Kampf. Und die haben das auch nur so halbherzig gemacht, wenn es das Vermögen der Reichen gefährdet hätte. Ja, man sollte die Leute als gleich betrachten, nur mit unterschiedlichem Kontostand, aber dadurch konnte man sich dann halt in diese elitären Netzwerke einkaufen.

Dieses pseudo-klassische, semi-liberale System, das war für viele in den 1920ern noch so ein Ideal. Und für ein paar sogar bis in die 30er. Die Veränderungen des Ersten Weltkriegs und der Weltwirtschaftskrise zurückzudrehen und zu dieser alten Ordnung zurückzukehren, das war der Wunsch von einer großen, aber schrumpfenden politischen Koalition. Herbert Hoover, der hat bis zum letzten Tag versucht, seinen Nachfolger dazu zu bringen, den Haushalt auszugleichen und den Goldstandard beizubehalten.

Aber Mitte der 30er, da waren diese Leute, die das unbedingt wollten, schon viel weniger und auch nicht mehr so selbstbewusst. Inmitten der Weltwirtschaftskrise hat kaum noch jemand geglaubt, dass diese Liberalisierung des Marktes genug Wachstum bringen und genug umverteilen könnte, damit die Mächtigen nicht auf die Idee kommen, das ganze Spiel umzuwerfen. Da war es für viele besser, auf die Gewinnerseite zu wechseln, als zu versuchen, ein System wieder aufzubauen, das offensichtlich nicht funktioniert hat.

Ja, und was waren dann die Alternativen? Da war zum einen der Faschismus – frisch ausgedacht von seinen Erfindern. Und zum anderen der Sozialismus – weit entfernt von den Ideen von Marx, Engels und Co. Der Faschismus, das war was Sichtbares, Greifbares. Konnte man beurteilen. Der Sozialismus aber, das war eher die Interpretation eines Traums. Alle waren sich einig, dass die Realität, so wie sie umgesetzt wurde, weit hinter dem zurückblieb, was sein sollte und was vielleicht irgendwann mal sein könnte.

Lenins Regime, das war ja die erste Machtübernahme von Marx' Anhängern, die diesen Traum vom Marxismus, dieses Königreich, auf die Erde bringen wollten. "Real existierender Sozialismus", umgesetzt durch etwas, das sich "Diktatur des Proletariats" nannte. Dieses "Diktatur", das hieß für den Erfinder des Begriffs, Joseph Weydemeyer – und auch für Marx und Engels – eine vorübergehende Außerkraftsetzung von Kontrollmechanismen, von Verfahren, von bestehenden Mächten, damit die Regierung die nötigen Veränderungen durchführen und auch wirklich regieren kann. Notfalls mit Gewalt, um reaktionären Widerstand zu überwinden. Ursprünglich war das für Lenin auch nur so eine Art Übergangslösung.

Aber in wessen Interesse sollte diese Macht ausgeübt werden?

Lenin, der war überzeugt, dass diese Macht für das Proletariat verwaltet werden soll. Warum nicht einfach eine Diktatur des Volkes, also eine Demokratie? Weil Lenin glaubte, dass alle anderen Klassen egoistische Interessen hätten. Denen irgendeine politische Macht zu geben, das würde den unvermeidlichen Fortschritt der Geschichte nur aufhalten. Und der führt ja zur Utopie. Zum wahren Sozialismus.

Ich verrate wohl nicht zu viel, wenn ich sage, dass der "real existierende Sozialismus" in den Händen seiner Anhänger zu der mörderischsten totalitären Ideologie des 20. Jahrhunderts wurde. Das zuzugeben, das kann und sollte uns jetzt helfen, den Blick zu schärfen.

Bevor es das wirklich gab, konnte "Sozialismus" vieles bedeuten. Vieles, was nicht das System war, das Lenin geschaffen und Stalin gefestigt hat. In Westeuropa und Nordamerika, da waren die meisten Leute, die sich selbst als "Sozialisten" bezeichneten, der Meinung, dass es in einer guten Gesellschaft viel Raum für Eigeninitiative geben sollte. Für Vielfalt, für Dezentralisierung, für liberale Werte und sogar für Privateigentum. Echte Freiheit, das war ja das Ziel. Die ungleiche Verteilung des Einkommens unter dem Kapitalismus sollte beseitigt werden, weil die Menschen ja in Armut gefangen waren.

Bei der Preisregulierung und beim öffentlichen Eigentum ging es also darum, was gerade sinnvoll war. Privat, wo es hingehört, öffentlich, wo es nötig ist. Und die meisten Leute, die haben auf die Demokratie gesetzt und auf rationale Argumente, um von Fall zu Fall zu entscheiden. Aber andere waren radikaler. Die wollten mehr als nur eine reformierte, gut geführte, sanftere Marktwirtschaft. Erst als Lenin an die Macht kam, haben die Leute gemerkt, welche Kompromisse man bei einem "real existierenden Sozialismus" eingehen muss, der darauf aus ist, die Macht des Marktes zu zerstören.

Lenin, seine Anhänger und seine Nachfolger, die haben mit so einem Glaubenssatz angefangen: Karl Marx hatte Recht. In allem. Wenn man ihn richtig interpretiert.

Marx, der hat sich ja über diese ganzen biederen Geschäftsleute lustig gemacht. Die behaupteten, Revolutionen zu hassen. Aber Marx, der meinte, die wären eigentlich die skrupellosesten Revolutionäre, die es je gab. Das Bürgertum – wie Marx das nannte – die waren verantwortlich für die größte Revolution überhaupt, und diese Revolution, die hat die menschliche Existenz verändert. Zum Besseren. Denn es waren ja diese Unternehmer und Investoren, zusammen mit der Marktwirtschaft, die den Mangel und die Unterdrückung beseitigt hatten, die bis dahin das Schicksal der Menschheit waren.

Aber Marx, der hat auch so eine Gefahr gesehen: Das Wirtschaftssystem, das diese Bourgeoisie geschaffen hatte, das würde irgendwann zum Hindernis für das menschliche Glück werden. Es könnte zwar Wohlstand schaffen, aber ihn nicht gleichmäßig verteilen. Neben dem Wohlstand gäbe es immer größere Unterschiede. Die Reichen, die würden immer reicher werden. Und die Armen, die würden immer ärmer werden. Und diese Armut wäre umso schlimmer, weil sie unnötig wäre. Und die einzige Lösung, so Marx, war, die Macht des Marktes, die die Leute so herumkommandiert, komplett zu zerstören.

Ich sag das hier extra so, mit "unausweichlich" und "unvermeidlich", weil Marx und seine Anhänger, die sahen das als so einen fatalen Fehler an. Marx, der hat sein ganzes Leben versucht, das einfach, verständlich und wasserdicht zu machen. Aber er hat es nicht geschafft. Er lag nämlich falsch. Es ist einfach nicht so, dass Marktwirtschaften immer zu wachsender Ungleichheit und immer größerem Elend führen, während der Wohlstand immer weiter wächst. Manchmal ja, manchmal nein. Und ob das passiert oder nicht, das kann die Regierung steuern. Die hat genug Werkzeuge, um die Verteilung von Einkommen und Vermögen zu beeinflussen.

Aber mit so einem "manchmal dies, manchmal das", das taugt halt nicht für utopisches oder dystopisches Denken. Also hat Marx gesagt, er beweist, dass das bestehende System Dystopie garantiert: "Je produktiver das Kapital wächst, je mehr die Teilung der Arbeit und der Einsatz von Maschinen zunimmt, desto mehr wächst auch die Konkurrenz unter den Arbeitern, und desto mehr sinken ihre Löhne. Der Wald der erhobenen Arme, die Arbeit fordern, wird immer dichter, während die Arme selbst immer dünner werden." Marx war sich auch sicher, dass diese dystopische Vision des späten Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte sein würde. Denn dieses System, das würde von einem System abgelöst werden, das die Produktionsmittel verstaatlicht. Die Herrschaft der Wirtschaftsklasse, die eine wohlhabende Gesellschaft geschaffen hat, würde "vor allem... ihre eigenen Totengräber hervorbringen".

Wie würde die Gesellschaft nach der Revolution aussehen? Anstelle von Privateigentum gäbe es "individuelles Eigentum, das auf... Zusammenarbeit und dem gemeinsamen Besitz des Landes und der Produktionsmittel beruht". Und das würde ganz einfach passieren, weil die sozialistische Revolution einfach "die Enteignung einiger weniger Usurpatoren durch die Masse des Volkes" erfordern würde, die dann demokratisch über einen gemeinsamen Plan für "die Erweiterung der Fabriken und Produktionsmittel im Besitz des Staates entscheiden würde; die Urbarmachung von Ödland und die allgemeine Verbesserung des Bodens". Voilà, Utopie.

Nur, dass Marx sich eben geirrt hat.

Diese steigende Ungleichheit, diese Verarmung, diese unvermeidliche sozialistische Revolution, die ist halt einfach nicht passiert. Erstens, diese Verarmung, die gab es in Großbritannien zumindest nach 1850 nicht mehr. Die Ungleichheit, die war zwar bis 1914 in Westeuropa und bis 1929 in Nordamerika gestiegen. Aber dieses ganze Wirtschaftswachstum, das nach 1870 kam, bedeutete halt, dass die Arbeiterklasse überall auf der Welt immer reicher wurde als ihre Vorfahren.

Dass Marx sich da geirrt hat, das ist nicht so überraschend. Der war halt Theoretiker und hatte nur ein einziges Beispiel für Industrialisierung: Großbritannien. Und in Großbritannien ging es großen Teilen der Arbeiterklasse 1840 schlechter als 1790. Arbeitslosigkeit durch Technologie war ein Problem. Diese dunklen Fabriken in Lancashire, die haben traditionelle Webereien überflüssig gemacht und die Bevölkerung verarmt. Es gab halt eine Zeit, in der vieles von dem, was Marx da düster gebrütet hat, plausibel erschien. 1848 war der Glaube, dass der Marktkapitalismus zwangsläufig eine unerträgliche Einkommensverteilung erzeugt, nicht unbegründet. Aber als Marx 1883 starb, war dieser Glaube nicht mehr zu halten. Und 1914 war die Lehre von der unvermeidlichen Verarmung wirklich nur noch eine Lehre: Nicht mehr begründet, sondern nur noch reiner Glaube.

Aber wenn Marx sich so geirrt hat, warum dann so viel darüber reden? Weil er halt ein Prophet geworden ist und seine Schriften, die wurden zu heiligen Texten einer großen Weltreligion. Es ist schwer, Marx zu lesen, ohne an diese Stimme zu denken, die Johannes der Theologe gehört hat. "Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen, und es wird keinen Tod mehr geben, weder Trauer noch Geschrei noch Schmerz, denn das Frühere ist vergangen." Der Sozialismus nach der Revolution, das sollte der Himmel auf Erden sein: Das neue Jerusalem, heruntergeholt auf die Erde.

Zu Marx' Anhängern gehörten so ein paar Leute, darunter Lenin, Leo Trotzki und Josef Stalin. Da waren noch ein paar andere. Aber es war halt so eine kleine Gruppe, dass man sich schon fragt, was passiert wäre, wenn da andere Leute mit anderen Ansichten an die Spitze gekommen wären. Aber die sind's halt nicht geworden. Wahrscheinlich, weil diese Leute nicht nur Gelehrte und Journalisten waren, nicht nur hoffnungsvoll, sondern auch fähig, zur richtigen Zeit am richtigen Ort und skrupellos.

Lenin und seine Nachfolger, die haben Marx' Lehren ernst genommen. Und die haben versucht, die umzusetzen. Aber die waren halt keine Götter. Die haben zwar gesagt: "Es werde wahrer Sozialismus", aber was sie geschaffen haben, war halt "real existierender Sozialismus". Das war zwar Sozialismus, weil er dem Traum von Marx und anderen Sozialisten so nahe wie möglich kommen wollte. Aber er fand halt in der Realität statt. In Regimen, die auf dem Höhepunkt vielleicht ein Drittel der Weltbevölkerung beherrschten. Das war keine intellektuelle Utopie, sondern ein notwendiger Kompromiss mit dieser unordentlichen Welt. Und der "real existierende Sozialismus", der war so nah an der Utopie, wie es nur ging, so die Propaganda.

Wahrscheinlich hätte Marx das Ganze mit Entsetzen betrachtet. Und vielleicht sogar verachtet. Um "real zu existieren", musste der Sozialismus halt in einigen Punkten von den Vorhersagen des Propheten abweichen. Man muss halt nicht nur Eier zerschlagen, um ein Omelett zu machen. Das Omelett hängt auch davon ab, welche Eier man hat. Und Russland, Anfang des 20. Jahrhunderts, das war ja auch nicht der Ort, wo die Theoretiker dachten, dass der Sozialismus zuerst entstehen würde. Und das aus gutem Grund.

Russland 1914, das war vielleicht halb so reich wie die USA, zwei Drittel so reich wie Deutschland und ungleicher als beide. So vier Dollar pro Tag war so der Lebensstandard. Die Lebenserwartung bei der Geburt, die lag bei 30 Jahren, während es in Westeuropa 50 und in den USA 55 waren. Diese reichen, gebildeten Schichten, die wurden von Aristokraten dominiert, die keine Rolle in der Gesellschaft spielten. Leibeigenschaft, das galt für die meisten Leute, nicht Privateigentum, Proletariat oder Bourgeoisie.

Russland hatte wenig von der Industrialisierung im Westen mitbekommen, aber es gab da Ideen über Gleichheit vor dem Gesetz, über Regierungen, die ihre Macht nur durch die Zustimmung der Regierten erhalten, über Leistungsgesellschaft und das Ende der Privilegien. Die kamen über St. Petersburg, dem Fenster zum Westen, in das Land. Und da waren auch die Ideen von Marx und Engels dabei.

Im Februar 1917 wurde der Zar gestürzt. Im Oktober stürzte Lenin die Übergangsregierung. Im Dezember löste Lenin die verfassungsgebende Versammlung auf, die eine demokratische Verfassung schreiben sollte. Und dann war die Kommunistische Partei der Sowjetunion am Ruder. Und an der Macht zu sein, das war ihr einziges Kapital. Der britische Historiker Eric Hobsbawm, der hat mal gesagt: "Lenin erkannte, dass... das Einzige, was sie hatten, war die Tatsache, dass sie... die etablierte Regierung des Landes waren. Sie hatten nichts anderes."

Dann kam ein brutaler Bürgerkrieg. Da kämpften die "Weißen", die Anhänger des Zaren, lokale Autokraten, die unabhängig sein wollten, Lenins "rote" Anhänger und ein paar andere Kräfte. Darunter japanische Regimenter, eine amerikanische Expeditionstruppe und eine tschechische Armee von Ex-Kriegsgefangenen, die eine Zeit lang die Kontrolle über Sibirien hatten. Drei Jahre lang haben sich die Gegner, meist Weiße und Rote, hin und her gekämpft.

Um in diesem Krieg zu bestehen und eine Chance zu haben, brauchte die Regierung die alten Offiziere der Zarenarmee. Aber konnte man denen trauen? Leo Trotzki, der Kriegskommissar, der hatte die Lösung: Man zieht die Offiziere ein und stellt jedem so einen ideologisch reinen politischen Kommissar zur Seite, der jeden Befehl abzeichnen muss und die Soldaten im Sozialismus unterrichtet. Dieses System der "Doppelverwaltung", das konnte man für alles anwenden. Das war der Anfang dieser ganzen Verwaltung, die in der Sowjetunion üblich wurde: Die Partei überwacht die Technokraten, um sicherzustellen, dass sie gehorchen. Und wenn die Technokraten sich nicht benehmen, dann wartet der Gulag.

Lenins Regime musste erst mal überleben. Aber die Regierung dachte, sie müsste den Kapitalismus beseitigen, indem sie Privateigentum verstaatlicht und die Unternehmer entmachtet. Aber wie soll das funktionieren? Wie kann man eine Industrie und ein Wirtschaftsleben ohne Unternehmer führen? Ohne Leute, deren Einkommen und Ansehen davon abhängen, dass einzelne Unternehmen erfolgreich sind und die auch die Anreize und die Macht haben, die Wirtschaft produktiv zu halten? Lenins Antwort war: Man organisiert die Wirtschaft wie eine Armee. Von oben nach unten, geplant, hierarchisch. Und die Manager, die werden befördert, gefeuert oder erschossen, je nachdem, wie gut sie die Aufgaben erfüllen, die ihnen von der Wirtschaftsführung zugewiesen wurden.

Inmitten dieses Bürgerkriegs hat Lenin diesen "Kriegskommunismus" ausprobiert. Ein Versuch, die Wirtschaft so stark zu militarisieren, wie es Deutschland im Ersten Weltkrieg angeblich geschafft hatte.

Lenin war beeindruckt von dieser deutschen Kriegswirtschaft. Er war der Meinung, der Krieg habe gezeigt, dass der Kapitalismus "reif für den Übergang zum Sozialismus" sei. Wenn Deutschland "das Wirtschaftsleben von 66 Millionen Menschen aus einer einzigen zentralen Institution steuern" könne, dann könnten die "besitzlosen Massen" doch auch so was Ähnliches schaffen, wenn sie "von klassenbewussten Arbeitern geführt" würden. "Enteignet die Banken und macht das Gleiche im Interesse der Massen", so Lenin. Aber wie genau sollte das funktionieren? Wie kann man eine Wirtschaft ohne Privateigentum und ohne Marktwirtschaft führen?

Die deutsche Kriegswirtschaft im Ersten Weltkrieg, die wurde von Walther Rathenau geleitet. Der hat erst mal Anleihen verkauft oder Geld gedruckt und damit alles gekauft, was für den Krieg nötig war. Und zwar zu jedem Preis. Das hat die Produzenten gefreut, die haben Gewinne gemacht.

Aber als die Preise stiegen und die Sorge vor der Schuldenlast wuchs, da hat die Regierung angefangen, die Preise zu kontrollieren. Wir zahlen euch das, was wir euch letzten Monat gezahlt haben, aber nicht mehr. Aber dann wurden die Materialien, die die Regierung kaufen wollte, in die zivile Wirtschaft umgeleitet. Also hat die Regierung das rationiert. Sie hat die Verwendung von "strategischen" Materialien für nicht-militärische Produkte verboten und angefangen, Materialbilanzen zu erstellen. Analysten haben Produktionskapazitäten und Verwendungszwecke verglichen. Die Geldflüsse wurden zu reinen Buchungsgrößen. Und dann haben die Planungsbehörden entschieden, wofür bestimmte Materialien verwendet werden sollten.

In Deutschland waren Rüstungsgüter, vor allem Munition, vor allem Sprengstoffe, also Stickstoffverbindungen, die ersten, die unter staatliche Planung fielen. Dann kamen Lebensmittel. Die Kriegsausgaben stiegen von einem Sechstel des Volkseinkommens auf zwei Drittel. Bald verwaltete die Regierung nicht nur die Rohstoffe, sondern befahl auch den Ausbau und Neubau von Fabriken, um die Kriegsproduktion zu steigern.

Und so wurde Deutschland im Ersten Weltkrieg zu einer Inspiration für den Kriegskommunismus in der Sowjetunion.

Der Kriegskommunismus in der Sowjetunion, der fing mit der Verstaatlichung von Industrien an. Dann hat die Regierung angeordnet, dass die verstaatlichten Industrien mit Rohstoffen zu Festpreisen beliefert werden. Und dann hat sie die Verwendung knapper Materialien für nicht-prioritäre Projekte rationiert. Und damit war die zentral geplante Wirtschaft der Sowjetunion geboren. Ein paar wichtige Rohstoffe wurden zentral kontrolliert, die Fabrikleiter bekamen Anweisungen von oben, und die Fabrikleiter mussten dann sehen, wie sie damit zurechtkommen. Sie mussten betteln, leihen, tauschen, kaufen und stehlen, um so viel wie möglich vom Plan zu erfüllen. Das war alles sehr ineffizient.

Und auch sehr korrupt. Aber so wurde halt die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, die Güter zu produzieren, die für die Regierung wichtig waren.

Der Kriegskommunismus war eine Katastrophe für die Landwirtschaft, die erste von vielen. Diese Do-it-yourself-Verteilung von Land, die die Bauern da gemacht haben, die war zwar beliebt. Aber die Regierung brauchte ja Lebensmittel für die Städte. Und die Bauern, die waren halt viel weniger daran interessiert, Getreide gegen Luxusgüter aus der Stadt zu tauschen. Die Regierung hat dann versucht, Lebensmittel zu beschlagnahmen. Die Bauern haben das Getreide versteckt. Hungrige Arbeiter aus der Stadt, die sind zu ihren Verwandten aufs Land gefahren, um was zu essen zu bekommen. Und die Fabriken in der Stadt, die hatten mit den unterernährten Arbeitern zu kämpfen.

Es war zwar ineffizient, korrupt und katastrophal, aber der Kriegskommunismus hat es geschafft, genug Ressourcen zu produzieren und zu kontrollieren. Und die rote Armee hat genug Waffen gefunden und genug Schlachten gewonnen, um den russischen Bürgerkrieg zu gewinnen.

Einzelne Personen an den Schaltstellen, die waren da sehr wichtig.

Lenin und die Kommunisten, die haben den Bürgerkrieg gewonnen, weil Trotzki so gut darin war, die rote Armee zu organisieren. Und weil die Bauern die Roten zwar hassten (weil sie ihr Getreide beschlagnahmten), aber die Weißen noch mehr (weil sie die Gutsherren zurückbringen wollten). Und weil Feliks Dserschinski die Geheimpolizei so gut organisiert hatte. Und die Kommunisten haben gewonnen, weil ihre Partei während des Bürgerkriegs so skrupellos wurde, nicht nur gegenüber der Bevölkerung, sondern auch gegenüber den Aktivisten in der Partei selbst. Eine "Kommandowirtschaft", die braucht halt auch eine "Kommandopolitik".

Lenin, der war wie geschaffen für diese Skrupellosigkeit. Der Schriftsteller Maxim Gorki, der hat mal gesagt, Lenin hätte ihm erzählt, dass er Beethovens Musik mag, besonders die Appassionata: "Die würde ich am liebsten jeden Tag hören... Was für wunderbare Dinge Menschen tun können!" Aber Musik, die "bringt dich dazu, dumme, nette Sachen zu sagen und die Köpfe der Leute zu streicheln, die so was Schönes schaffen können, während sie in dieser widerlichen Hölle leben. Und jetzt darfst du niemanden den Kopf streicheln, du könntest in die Hand gebissen werden. Du musst ihnen auf den Kopf hauen, ohne Gnade, obwohl es unser Ideal ist, keine Gewalt anzuwenden. Hm, hm, unsere Pflicht ist teuflisch schwer."

Vielleicht sind 10 Millionen von 165 Millionen Menschen im russischen Reich während des russischen Bürgerkriegs gestorben. Etwa 1 Million rote Soldaten, 2 Millionen weiße und 7 Millionen Zivilisten. Das waren noch mal 7 Millionen Tote durch die spanische Grippe, 2 Millionen Tote durch den Ersten Weltkrieg und 100.000 Tote durch den russisch-polnischen Krieg. Und 1921 war der Wohlstand in Russland um zwei Drittel gesunken, die Industrieproduktion um vier Fünftel und die Lebenserwartung auf 20 Jahre. Außerdem war ein großer Teil des westlichen Randgebiets des Zarenreichs weggebrochen. Viele von den Generälen und Offizieren des Zaren, die waren tot oder im Exil. Und alle liberalen oder sozialdemokratischen Kräfte, die wurden von den Weißen und den Roten verfolgt. Der größte Teil des ehemaligen Zarenreichs, der gehörte jetzt Lenin und wurde zur Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, kurz UdSSR.

Diese kleine Gruppe von sozialistischen Agitatoren, die sich unter Lenins Führung versammelt hatten und die sich im Bürgerkrieg bewährt hatten, die hatten jetzt das Problem, ein Land zu führen und eine Utopie durch den "real existierenden Sozialismus" zu bauen.

Und die haben das mit einem festen Glauben angefangen, dass sie Hilfe bekommen würden. Weil die marxistisch-engelsche Wissenschaft des dialektischen und historischen Materialismus ihnen das gesagt hatte, haben Lenin und seine Genossen erwartet, dass nach ihrer Revolution in Russland andere, ähnliche kommunistische Revolutionen in den Industrieländern Westeuropas folgen würden. Und wenn die dann kommunistisch wären, dann würden sie dem armen Russland helfen und es Lenin ermöglichen, an der Macht zu bleiben und das Land zu einer Stufe der industriellen Entwicklung zu führen, in der der Sozialismus so funktionieren würde, wie Marx es versprochen hatte. Lenin hat seine Hoffnung auf Deutschland gesetzt, das industriell am weitesten entwickelte Land in Europa, mit der größten und aktivsten sozialistischen Partei.

In Ungarn und in Bayern, da gab es auch kurzzeitig kommunistische Republiken. Aber am Ende hat sich nur die russische Revolution durchgesetzt. Der "real existierende Sozialismus" stand am Ende des Ersten Weltkriegs unter der Führung von Wladimir Lenin und war auf ein einziges Land beschränkt. Einem sehr großen Land, in dem sich kaum jemand vorstellen konnte, dass man so was wie Sozialismus ausprobieren würde.

Und zuerst mussten sie vom Kriegskommunismus zurücktreten und die "Neue Ökonomische Politik" einführen. Das bedeutete, dass die Preise steigen und fallen durften, die Leute kaufen und verkaufen und reich werden durften, die Manager der Staatsbetriebe Gewinne machen durften (oder gefeuert wurden) und so eine Klasse von Händlern entstehen durfte. Das war halt so eine Notlösung. Kapitalismus, aber unter staatlicher Kontrolle. Sozialisierte Staatsbetriebe, aber mit Gewinnabsicht.

Das lag zum Teil daran, dass die Regierung nur begrenzten Einfluss hatte. Selbst Mitte der 30er konnten die Planer nur die Materialbilanzen von etwa hundert Rohstoffen erfassen. Die Bewegungen dieser Rohstoffe wurden zentral geplant. Produzenten, die ihre Ziele nicht erreichten, die wurden bestraft. Ansonsten wurden Rohstoffe zwischen Unternehmen ausgetauscht oder an die Nutzer verkauft. Entweder ganz normal über den Markt oder über "Blat", also Beziehungen. Vitamin B war wichtig.

Und wenn "Blat", Markt oder zentrale Planung nicht funktionierten, dann gab es noch die "Tolkachi", die Tauschhändler. Die haben herausgefunden, wer die Waren hatte, die man brauchte, was sie wert waren und was man zum Tausch anbieten konnte.

Wenn sich das bekannt vorkommt, dann sollte es das auch.

Ein Geheimnis von kapitalistischen Unternehmen ist, dass die interne Organisation oft so ähnlich ist wie die Materialbilanzrechnung der Sowjetplaner. Innerhalb des Unternehmens werden Rohstoffe und Zeit nicht über einen Markt verteilt. Die Leute wollen halt die Ziele des Unternehmens erreichen, ihre Chefs zufriedenstellen, damit sie befördert werden oder zumindest nicht gefeuert. Und sie helfen anderen. Sie tauschen Gefallen aus, formal oder informell. Sie wissen, welche Ziele wichtig sind und dass die Chefs sauer sind, wenn die nicht erreicht werden. Sie wenden soziale Kompetenzen an. Sie holen sich die Erlaubnis, Sachen auszulagern oder zahlen was aus eigener Tasche. Markt, Tausch, Beziehungen und Planung – verstanden als die Ziele des Unternehmens und die Loyalität der Mitarbeiter – die spielen alle eine Rolle, wenn auch in unterschiedlichem Maße.

Der große Unterschied ist vielleicht, dass ein normales Unternehmen in eine viel größere Marktwirtschaft eingebettet ist und immer die Entscheidung treffen muss: Kann ich die Ressource am besten intern beschaffen, über Beziehungen oder muss ich sie extern einkaufen? Diese Entscheidung, die hält die Unternehmen in kapitalistischen Marktwirtschaften auf Trab und macht sie effizienter. Und in kapitalistischen Marktwirtschaften sind die Fabriken von Händlern umgeben. In der Sowjetunion gab es das nicht. Und das hat die Wirtschaft halt extrem ineffizient gemacht.

Diese Materialbilanzkontrolle, das ist so eine Notlösung, die fast alle Gesellschaften im Krieg anwenden. Dann ist das Ziel, ein paar bestimmte Produktionsziele zu erreichen. In Zeiten der totalen Mobilmachung scheint das die beste Lösung zu sein. Aber wollen wir eine Gesellschaft, in der immer totale Mobilmachung ist?

Lenin, der hat nur fünf Jahre nach der Revolution gelebt. Im Mai 1922 hatte er einen Schlaganfall, aber im Juli war er wieder fit. Im Dezember hatte er den zweiten Schlaganfall. Und im März 1923 den dritten. Der hat seine Sprache beeinträchtigt. Im Januar 1924 fiel er ins Koma und starb. Aber er hatte Zeit, über seine Nachfolge nachzudenken, wer ihn in der Führung des Proletariats ersetzen sollte.

Während seiner Krankheit, da hat er in seinem "Testament" geschrieben, was er von seinen möglichen Nachfolgern hält:

Josef Stalin, der habe "unbegrenzte Macht über das Personal... von der er nicht immer mit genügend Vorsicht Gebrauch machen kann".

Leo Trotzki, der sei "persönlich vielleicht der fähigste Mann", aber er habe "übermäßiges Selbstbewusstsein" und "übermäßige Beschäftigung mit der rein administrativen Seite" gezeigt.

Feliks Dserschinski, Sergo Ordschonikidse und Josef Stalin, die hätten alle "großrussischen Chauvinismus" gezeigt.

Nikolai Bucharins "theoretische Ansichten", die könne man "nur mit... großen Vorbehalten als voll marxistisch bezeichnen, denn da ist etwas Scholastisches" – also mittelalterlich und obskurantistisch – "an ihm".

Georgi Pjatakow, der zeige "viel zu viel Eifer für die Verwaltung und die administrative Seite der Arbeit, um sich in einer ernsten politischen Angelegenheit auf ihn verlassen zu können".

Und er hat noch einen Nachtrag hinzugefügt, in dem er sagte, Stalin sei "zu grob", was "in der Funktion eines Generalsekretärs unerträglich" wäre. Manche hätten sogar versucht, Stalin aus seinem Amt als Generalsekretär der Kommunistischen Partei zu entfernen, zugunsten von jemandem, der "toleranter, loyaler, höflicher und rücksichtsvoller gegenüber den Genossen ist, weniger launisch usw.". Und dieses "Detail", das sei von "entscheidender Bedeutung".

Lenin hatte Stalin nach dem Bürgerkrieg zum Generalsekretär ernannt. Lenin und sein innerer Kreis, die sahen das als einen langweiligen Job an. Einen einfachen Job. Für jemanden, der fleißig ist, aber keine besonderen Fähigkeiten hat. Aber Stalins Kontrolle über das Personal, das war eine mächtigere Waffe, als Lenin und die anderen gedacht hatten.

Lenin hat versäumt, seinen Nachfolger zu bestimmen und es gab keine Mechanismen, um den Willen des Volkes oder des Proletariats zu ermitteln. Er hat dieses "Detail" nicht beachtet. Und das sollte sich als "entscheidend" herausstellen.

Also wählte die Partei Lenins Nachfolger. Und wer war die Partei? Die Partei waren Leute. Und wer hatte die Leute ausgesucht? Stalin. Durch Werbekampagnen stieg die Zahl der Parteimitglieder auf eine Million. Und der Generalsekretär – Stalin – der ernannte die Sekretäre der lokalen Komitees. Und die Sekretäre ernannten die Leute, die die neuen Mitglieder auswählten und die Delegierten zu den Parteitagen bestimmten. Und die machten dann das, was der Chef des Chefs vorschlug.

Und der Chef des Chefs war Stalin.

Nach Lenins Tod und einer dreijährigen Übergangszeit hat sich die Partei angepasst und Josef Stalin 1927 akzeptiert.

Bevor wir uns jetzt Stalin angucken, können wir ja kurz mal überlegen, wie die Sowjetunion zu dieser Zeit überhaupt dastand. 1927 hatte sich die Sowjetunion von den Folgen des Krieges erholt. Die Lebenserwartung, die Bevölkerungszahl, die Industrieproduktion, der Lebensstandard, alles war wieder auf dem Stand von 1914. Und es gab auch nicht mehr diese Aristokratie, die Ressourcen verbrauchte und sich feudal verhielt. Solange Lenins Nachfolger das Land nicht durch eigene Fehler zerstören und die Leute dazu bringen konnten, ihre Führung anhand von Krieg und Chaos zu beurteilen, war es schwierig, sie zu entmachten.

Es gab natürlich noch Bedrohungen. Die Sowjetregierung, die hatte Angst, dass die kapitalistischen Mächte beschließen würden, das Regime zu stürzen. Irgendwann, so dachten sie, müsste das Regime noch einen Krieg kämpfen, um zu überleben. Sie erinnerten sich an den Bürgerkrieg, in dem Großbritannien und Japan versucht hatten, die Gegner zu unterstützen. Und an den Krieg gegen Polen im Westen. Sie waren sich der wirtschaftlichen und politischen Schwächen der Sowjetunion bewusst. Um die Bedrohungen abzuwehren, hatten die Sowjetführer eine Ideologie, ein paar skrupellose Anhänger und eine Bürokratie, die irgendwie eine Wirtschaft verwaltete, die sich auf das Niveau von 1914 erholt hatte. Was sie nicht hatten, war Zeit.

Und damit lagen sie richtig.

Ich verrate ja nicht zu viel, wenn ich sage, dass am 22. Juni 1941 das nationalsozialistische Deutschland die Sowjetunion angegriffen hat. Das Ziel war, den jüdischen Bolschewismus als Idee, als politische Bewegung und als Regime auszurotten und die Bevölkerung zu versklaven oder zu vernichten. Das Land brauchten sie ja für deutsche Bauern und für mehr "Lebensraum" für die deutsche Nation.

Es hätte auch anders kommen können. Es war nicht vorherbestimmt, dass die Sowjetunion zu einem Terrorlager werden würde. Aber Lenins Weigerung, die Nachfolge zu planen oder Mechanismen für eine normale Politik innerhalb der Partei zu schaffen, die führte halt dazu, dass Russland in alte Muster zurückfiel. Das bedeutete, dass die Sowjetunion wahrscheinlich wieder einen Zaren bekommen würde. Und in einer Zeit der Unruhe und Probleme würde sich so ein Zar wahrscheinlich wie Iwan IV. verhalten, "der Schreckliche". Und dieser Zar, das war Josef Stalin. Ein paranoider Psychopath und einer der größten Massenmörder der Geschichte.

Stalin hatte sich der Revolution zugewandt, nachdem er aus einem orthodoxen Seminar geflogen war. Er wurde viermal nach Sibirien verbannt. Und jedes Mal ist er geflohen und nach Georgien zurückgekehrt. Manchen kam das komisch vor. Wie konnte er so einfach fliehen? Und warum hatte er keine Angst, zurückzukehren? Trotzki und andere haben später behauptet, Stalin sei vor dem Ersten Weltkrieg ein Agent Provocateur gewesen, der die Kommunisten für die zaristische Geheimpolizei ausspioniert hat.

Egal. 1912 brauchte Lenin jemanden, der an den Rändern des Reiches Unruhe stiftet, und er wählte Stalin. Stalin war der erste wichtige Bolschewik, der nach dem Sturz des Zaren nach St. Petersburg zurückkehrte. Lenin machte Stalin zum Herausgeber der Parteizeitung Prawda. Während des Bürgerkriegs war er dafür zuständig, die Revolution unter den ethnischen Minderheiten zu festigen. Als Generalsekretär der Partei bestimmte Stalin, wer in der Partei war, also wer und was die Partei war. Nach dem Zweiten Weltkrieg sagte der ostdeutsche Dramatiker Bertolt Brecht, das Ideal seiner sozialistischen Herren wäre, "das Volk aufzulösen und ein anderes zu wählen". Was die Parteimitgliedschaft betraf, war dieses Ideal für Stalin Realität. Es ist

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